Berlin. Sie gehörten zu den Ersten, die über den Tod von Jina Mahsa Amini in Polizeigewahrsam berichteten. Jetzt droht ihnen die Hinrichtung.

  • Die beiden Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi warten auf ihr Urteil
  • Sie berichteten über den Tod der jungen Frau, der die Protestwelle im Iran auslöste
  • Ihnen kann sogar die Todesstrafe drohen

Als Nilufar Hamedi von der Sache erfährt, macht sie sich sofort an die Recherche: Eine junge Frau soll in kritischem Zustand in einem Krankenhaus in Teheran liegen, nachdem sie wegen des Verstoßes gegen iranischen Kleidungsvorschriften verhaftet und offenbar geschlagen worden war. Am 16. September 2022 veröffentlicht die Journalistin im Kurznachrichtendienst Twitter ein Bild aus der Klinik. Es ist der Todestag der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie hatte ihre Verhaftung wegen einer Haarsträhne, die unter ihrem Kopftuch hervorschaute, nicht überlebt. Ihr Tod löste in den darauffolgenden Wochen und Monaten massivste Protestwellen gegen das Mullah-Regime im Iran aus.

Das Bild, das Hamedi auf Twitter teilte, zeigt, wie sich Jina Mahsa Aminis trauernde Eltern in einem leeren Flur des Kasra-Krankenhauses in Teheran umarmen. Das Foto ging um die Welt. Hamedi, die für die iranische Zeitung „Shargh“ arbeitet, war eine der Ersten, die über den Tod der jungen Kurdin berichtete: Jetzt sitzt sie im Gefängnis und wartet auf ihr Urteil – es könnte ihren Tod bedeuten.

Nach Bericht über Aminis Trauerfeier: Festnahme im Iran

Sechs Tage, nachdem sie das Foto auf Twitter geteilt hatte, wurde Hamedi verhaftet. Geheimdienstagenten durchsuchten die Wohnung, in der sie mit ihrem Ehemann lebte. Sie beschlagnahmten Computer und Mobiltelefone. Seit mehr als 300 Tagen ist Hamedi jetzt schon in Haft. Genauso lange wie ihre Kollegin Elaheh Mohammadi. Auch sie hatte über Aminis Tod und den Protest berichtet. Sie arbeitet für die Zeitung „Hammihan“ und war in Aminis kurdische Heimatstadt Saghez gefahren, um über die Trauerfeier zu schreiben.

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Fast 100 Journalisten nahmen die Sicherheitskräfte nach dem landesweiten Aufschrei über Aminis Tod fest. Diese Zahlen nennt das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ). Viele von ihnen kamen auf Kaution wieder frei. Hamedi und Mohammadi aber blieben im Gharchak-Gefängnis in Teheran inhaftiert. Ihr Prozess vor einem Revolutionsgericht in Teheran ging jetzt zu Ende. Die Öffentlichkeit war ausgeschlossen. Laut ihren Familienangehörigen steht das Urteil noch aus. Nicht nur sie sind besorgt: Der Vorsitzende Richter, Abolghassem Salawati, ist wegen seiner Urteile gegen politische Gefangene auch als „Todesrichter“ bekannt.

Ein Preis für zwei mutige Journalistinnen

Erst vor wenigen Monaten hatten die Vereinten Nationen die beiden Journalistinnen ausgezeichnet: Zusammen mit einer dritten Iranerin erhielten sie den Pressefreiheits-Preis der UN-Kulturorganisation Unesco. In Iran wurden sie indes wegen „Kollaboration mit dem Feindstaat USA, einem Komplott gegen die nationale Sicherheit und Propaganda gegen den Staat“ angeklagt.

Am vergangenen Dienstag bestätigte die Justiz den Vorwurf ein weiteres Mal. Es gehe in der Anklage nicht um die Berichterstattung über den Tod Mahsa Aminis, „sondern um die Zusammenarbeit mit Amerika“, sagte ein Justizsprecher in Teheran. Nun werde das Urteil verfasst. Sollten Hamedi und Mohammadi wegen „Kollaboration“ schuldig gesprochen werden, könnte ihnen im schlimmsten Fall ein Todesurteil drohen.

Schon im Oktober hatten die zwei großen Geheimdienste der Islamischen Republik, das Ministerium für Nachrichtenwesen und die Geheimdienstorganisation der Revolutionsgarden, Hamedi und Mohammadi in einer gemeinsamen Erklärung der „voreingenommenen Berichterstattung“ bezichtigt. Ohne Beweise vorzulegen, behaupteten sie, ausländische Nachrichtendienste hätten die beiden Journalistinnen ausgebildet. Diese Dienste hätten die jüngsten Unruhen geplant und vorbereitet. Die Berichterstattung über den Tod von Amini sei ein Teil dieses Plans gewesen.

Vor ihrer Verhaftung: Die Journalistinnen Nilufar Hamedi (links) und Elaheh Mohammadi
Vor ihrer Verhaftung: Die Journalistinnen Nilufar Hamedi (links) und Elaheh Mohammadi © dpa | Mehrdad Aladin

Kritische Berichterstattung im Iran: Berufsverbot für ein Jahr

Hamedi und Mohammadi schreiben seit Jahren darüber, wie die Islamische Republik Frauen diskriminiert. Hamedi begann ihre Karriere als Sportjournalistin. Sie schrieb immer wieder über Frauen, die nicht als Zuschauerinnen in Sportstadien dürfen. Sie berichtete 2020 auch über ein 14-jähriges Mädchen, das sein Vater brutal ermordet hatte. Im Iran begann daraufhin eine Debatte über Gewalt in den Familien, über die sonst kaum gesprochen wird.

Ihre Kollegin Elaheh Mohammadi hatte einen Corona-Ausbruch im Frauentrakt der Haftanstalt Gharchak im März 2020 bekannt gemacht – in dem Gefängnis, in dem sie nun selbst inhaftiert ist. Ein Jahr lang durfte sie daraufhin ihren Beruf nicht ausüben.

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Die Journalistinnen und ihre Redaktionen weisen den Vorwurf zurück, sie hätten mit ausländischen Staaten zusammengearbeitet. Das sei „absurd“, sagt ein ehemaliger Kollege in Teheran, der aus Sicherheitsgründen nicht mit seinem Namen erwähnt werden will. Justiz und Geheimdienst versuchten ein Exempel zu statuieren, „damit sich kein Journalist mehr traut, über solche Fälle zu berichten“, befürchtet er.

„Ich bin stolz darauf, dass ich auf der Seite der Menschen geblieben bin“

„Ich bin stolz auf meine Arbeit als Journalistin“, soll Nilufar Hamedi vor Gericht gesagt haben, wie ihr Ehemann nach dem letzten Prozesstag berichtete. Elaheh Mohammadi erklärte nach Angaben ihrer Schwester vor Gericht, sie habe seit 15 Jahren als Journalistin gearbeitet und keine Verbindungen zu ausländischen Regierungen unterhalten: „Ich bin stolz darauf, dass ich auf der Seite der Menschen geblieben und ihre Stimme gewesen bin.“

Das Regime zeigt sich unterdessen weiter unnachgiebig. Die Sittenpolizei, in deren Gewahrsam die junge Kurdin starb, nahm ihre Arbeit wieder auf. Kameras wurden zur Überwachung von Frauen im öffentlichen Raum installiert. Nilufar Hamedi und Elaheh Mohammadi warten nun auf das Urteil des „Todesrichters“.

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