Berlin. Die Regierung entkriminalisiert Cannabis. Unternehmen setzen auf einen Boom am neu entstehenden Markt. Doch noch sind die Hürden hoch.

Milton Friedman war Makroökonom und Nobelpreisträger – und setzte sich für die Legalisierung von Cannabis ein. Schon 1972 war das. Der Grund: Milliarden-Einnahmen würden dem US-Fiskus blühen, etwa durch eine Marihuana-Steuer. Und Milliarden-Ausgaben könnten eingespart werden, weil Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr durch Polizei und Staatsanwaltschaften verfolgt werden.

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett das erste Gesetz zur Entkriminalisierung von Cannabis unter der Federführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf den Weg gebracht. Und Ökonomen sehen große Chancen auf Profite – nicht nur für die Konsumenten, sondern auch für den deutschen Staat, die Wirtschaft und private Investoren. Allerdings: Es gibt Risiken.

Lesen Sie auch: Wann wird Cannabis in Deutschland legal? Alle Infos zum Gesetz

Bei einem Preis von zehn Euro pro Gramm Marihuana oder Haschisch und einem Konsum von 400 Tonnen Blüten im Jahr könnte der deutsche Fiskus 2,8 Milliarden Euro an Steuern und Abgaben einnehmen. Das errechneten die Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap und Leon Knoke von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Neben Gewinn durch eine Cannabis-Steuer profitiert der Staat auch bei der Umsatzsteuer sowie Gewerbe- und Lohnsteuer – jeweils in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro.

Wie der Staat von der Legalisierung profitiert

Allerdings: Die beiden Forscher gehen von einer vollständigen Legalisierung aus. Aktuell plant die Bundesregierung ein restriktives Gesetz, das den Verkauf von Cannabis nur in nicht-gewinnorientierten Abgabevereinigungen zulässt und Gramm-Zahlen stark begrenzt.

Auch die renommierte US-Ökonomin Michelle Sovinsky, die an der Universität in Mannheim lehrt, hat schon 2016 in einer aufwendigen Modellrechnung beschrieben, dass jede Regulierung die Einnahmen für den Staat verringern – und am Ende den Schwarzmarkt stärken würde.

Will Cannabis-Konsumenten entkriminalisieren: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
Will Cannabis-Konsumenten entkriminalisieren: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) © Getty Images | Michele Tantussi

Und so bleiben Berechnungen zu Einnahmen und Ausgaben vage, teilweise schwer kalkulierbar. Denn unklar ist, wie sehr der illegale Markt tatsächlich zurückgedrängt wird, und wie stark die Nachfragen von Konsumenten in den „Cannabis-Clubs“ ist. Doch all das beeinflusst seriöse Budgetplanungen. Die Bundesregierung gibt auf Nachfrage an, dass sie keine Wirtschaftsprognosen erstellt hat.

Das Gesundheitsministerium selbst rechnet durch das nun im Kabinett beratene Gesetz mit Einsparungen bei Polizei und Justiz von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr. Doch auch hier hängt das Plus im Haushalt stark davon ab, wie sehr die Polizei die Drogendeals abseits legaler Abgabestellen noch kontrollieren muss.

Auch Unternehmen profitieren von Legalisierung

Hersteller von Anbaumaterial und Erntegerät, Produzenten von starken Leuchten und Belüftungsanlagen und Dünger-Lieferanten – die Liste der Firmen, die vom Geschäft mit Gras Gewinnen abschöpfen können, ist lang. Auch bei der Verarbeitung von Cannabis-Blüten, etwa nach dem Trocknen, ist spezielles Gerät notwendig. Doch nicht nur diese Branche wird gebraucht: Die „Clubs“, in denen Mitglieder Cannabis künftig anbauen können, sollen Beauftragte für Prävention einsetzen.

Die Berater müssen ausgebildet werden – und die Vereine rechtlich durch Anwälte unterstützt werden. Auch Testlabore dürften gefragt sein, denn Behörden sollen die Qualität der Pflanzen und den Reinheitsgehalt regelmäßig überprüfen.

Lesen Sie auch: Neue Studie – Das passiert, wenn Cannabis legalisiert wird

Forscher Haucap rechnet mit gut 27.000 Arbeitsstellen, die durch eine Legalisierung in Deutschland entstehen. Allerdings gilt auch hier: Nur wenn Cannabis vollständig legal ist – und somit ohne Grenzen angebaut und verkauft werden kann. Das gilt vor allem für einen Industriezweig: Die Firmen, die jetzt schon in Deutschland jedes Jahr mehrere Tonnen Cannabis für den medizinischen Gebrauch züchten.

Schild mit der Aufschrift „Yes-we Cannabis“ auf der Hanfparade 2017 in Berlin. Kommt eine jahrelange Debatte über die Legalisierung jetzt zu einem Ende?
Schild mit der Aufschrift „Yes-we Cannabis“ auf der Hanfparade 2017 in Berlin. Kommt eine jahrelange Debatte über die Legalisierung jetzt zu einem Ende? © epd | Juergen Blume

Auch Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabis, sagt deshalb: „Diese jungen Firmen stehen in den Startlöchern, sie haben das Wissen und die Produktionsmittel – doch zugleich werden sie die Nachfrage nach Cannabis in Deutschland von mehreren Hundert Tonnen Blütenmaterial pro Jahr nicht decken können, auch weil die Auflagen und bürokratischen Reglementierungen für die Cannabis-Industrie hoch sind.“

Lesen Sie auch: Warum harsche Regeln für die Legalisierung schädlich sind

Solange kommerzieller Verkauf von Haschisch und Marihuana verboten bleibt, dürften zwar einzelne Anbaubetriebe Gewinne machen – jedoch kein boomender neuer Wirtschaftszweig entstehen. Aus Sicht der Bundesregierung sind es aber genau diese staatlichen Auflagen, die vor allem junge Menschen vor gesundheitlichen Schäden durch unkontrollierten Konsum schützen sollen.

Wie Privatmenschen von einem Cannabis-Boom profitieren können?

Aktuell stellen einige Firmen Cannabis etwa für Krebspatienten oder andere chronisch erkrankte Menschen her, vor allem zur Schmerzlinderung. Dazu zählen etwa das US-Unternehmen Tilray, aber auch Wettbewerber wie Aurora in Sachsen-Anhalt und Demecan in Sachsen, letzteres ist kein Pharmakonzern, sondern eine Start-Up-Firma. Zudem stellen internationale Firmen schon jetzt legale Produkte mit Hanfpflanzen her, etwa Kosmetik oder Teesorten.

Firmen wie Tilray, aber auch das deutsche Unternehmen Dermapharm, sind im Cannabis-Geschäft aktiv – und zugleich an der Börse dotiert. Das macht ein Geschäft für private Investoren möglich. In den vergangenen Monaten waren die Kurse verschiedener Firmen in dem Pharmabereich jedoch sehr schwankend, teilweise rückläufig. Zwar versprechen sich die Unternehmen wachsende Gewinne durch eine Legalisierung, doch Prognosen sind auch hier schwer anzustellen.