Washington. Die chaotische Wahl des „Speaker of the House“ ist beendet. Zumindest vorerst. Doch für die Ukraine sind das keine guten Nachrichten.

Weniger als 24 Stunden vor seiner Bestätigung hätte niemand für möglich gehalten, dass der Außenseiter und ausgewiesene Trumpist Mike Johnson (51) eines der mächtigsten politischen Ämter in den USA erobern wurde. Seit Mittwochabend (Ortszeit) ist der Abgeordnete aus Louisiana aber der 56. Sprecher des US-Repräsentantenhauses. Der Politiker, der seinen Heimatstaat in der unteren Kongresskammer seit 2017 vertritt, steht nun vor schwierigen Aufgaben.

Er muss sich zum einen für eine rasche Verabschiedung milliardenschwerer Hilfsgelder für Israel einsetzen, dürfte aber wegen seines außenpolitischen Nicht-Interventionismus die vorgesehene Unterstützung für die Ukraine torpedieren. Auch muss er für eine Übergangsfinanzierung in den USA kämpfen, um einen weiteren Verwaltungsstillstand zu verhindern. Auf längere Sicht wird es dem neuen „Speaker of the House“ obliegen, die Risse in der tief gespaltenen republikanischen Partei zu kitten.

Bevor er in den Kongress gewählt wurde, hatte der Verfassungsrechtler einen Sitz im Staatsparlament von Louisiana. Auch hat Johnson, der Sohn eines Feuerwehrmannes aus der Stadt Shreveport und einer italienischstämmigen Mutter, als Professor und als konservativer Hörfunkmoderator gearbeitet. Zwar zeichnet sich der jungenhaft aussehende Jurist mehr durch Zurückhaltung aus als Parteifreunde wie Kevin McCarthy und Jim Jordan, deren Markenzeichen feurige, provokante Reden sind. Gleichwohl sorgte der neue „Speaker“ Ende 2020 für Schlagzeilen, als er Bemühungen anführte, den Wahlsieg von Präsident Joe Biden zu kippen.

Johnson sagte zu Trump: „Bleiben Sie stark, Sir!“

Nachdem Biden zum Sieger erklärt wurde, schrieb Johnson auf der Plattform X – damals Twitter – dass er gerade Donald Trump angerufen und ihm gesagt habe: „Bleiben Sie stark, Sir, kämpfen Sie weiter!“ Dann forderte Johnson in E-Mails jedes republikanische Mitglied des Repräsentantenhauses auf, eine Klage zu unterstützen, mit der die Staatsanwaltschaft in Texas versuchen wollte, Bidens Elektorenstimmen aus den entscheidenden Swing States für ungültig erklären zu lassen.

Der Republikaner Mike Johnson bei seinem Amtsschwur.
Der Republikaner Mike Johnson bei seinem Amtsschwur. © IMAGO/USA TODAY Network | IMAGO/Eric Kayne

Obwohl die Republikaner einstimmig für Johnson votierten, ist keineswegs sicher, dass die Partei geschlossen hinter ihm stehen wird. Viele Abgeordnete hatten angesichts der wachsenden Frustration ihrer eigenen Wähler gesagt, wichtiger als die Personalie des neuen Sprechers sei, dass der dreiwöchige Marathon seit der Entmachtung Kevin McCarthys endlich zu einem Abschluss gebracht wird. Moderate Republikaner, die in umkämpften Bezirken um ihre eigene Wiederwahl bangen, haben sich von Trump distanziert und kritisieren, dass Johnson die Lüge einer gestohlenen Wahl propagiert hat.

Auch haben sie Probleme damit, dass der neue „Speaker“ zu den konservativsten im Kongress zählt. Johnson plädiert für ein komplettes Verbot von Abtreibungen ebenso wie Ehen zwischen Gleichgeschlechtlichen und lehnt LGBTQ-Rechte kategorisch ab. Auch hat er Trumps Einreiseverbot für Personen aus muslimischen Ländern unterstützt und macht sich für ein Ende der US-Engagements in der Ukraine stark. Allein das spricht dafür, dass die von Biden in Aussicht gestellten 60 Milliarden Dollar für die Opfer des russischen Angriffskriegs kaum Aussichten haben, vom Kongress in Gesetzesform gegossen zu werden.