Berlin. Russland muss Verluste ausgleichen und setzt dabei auf kreative Lösungen. Die Fahrzeuge wurden verspottet – doch sind gefährlich.

Es ist kein Geheimnis: Russlands Panzertruppen erleiden in der Ukraine horrende Verluste. Knapp 10.000 Panzer, gepanzerte Truppentransporter und andere Panzerfahrzeuge hat Putins Armee laut der Zählung des Osint-Blogs „Oryx“ inzwischen verloren. Für das bald dritte Kriegsjahr braucht die Armee Nachschub – und greift dabei auf Lösungen zurück, die im Internet für Spott und Häme gesorgt haben: „Frankenstein-Panzer“.

Die „Frankenstein-Panzer“ sind zusammengeschweißte Stahlmonster, improvisierte Ungetüme, bei denen auf die Wannen von – meist – Truppentransportern verschiedene Geschütztürme aufmontiert werden. So gehen etwa veraltete Schiffsgeschütze eine unheilige Ehe ein mit antiquierten Artillerie-Zugmaschinen. Das Ergebnis sieht aus, als entstammte es einer Hollywoodfantasie der Postapokalypse, einzig Lederkittel tragende Bandenmitglieder fehlen.

Panzerkreationen mit Unzulänglichkeiten

Der militärische Nutzen dieser „Frankenstein-Panzer“, benannt nach dem aus verschiedenen Körperteilen zusammengesetzten Monster aus Mary Shelleys „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“, galt bislang als überschaubar.

Oft ist der Rückstoß der montierten Waffen so enorm, dass schon nach wenigen Schüssen kein Zielen mehr möglich ist. Die Folge: Mit den „Frankenstein-Panzern“ lassen sich Gegner nur schwer bekämpfen, und aus der Bewegung heraus gleich zweimal nicht, da die benötigte Stabilisierung der Waffe fehlt. Mehr als Glückstreffer sind nicht drin.

Dazu kommt, dass die Fahrzeuge kaum oder gar nicht gepanzert sind. Wollte die Besatzung näher an den Feind heran, um die fehlende Genauigkeit ihrer Waffe auszugleichen, setzte sie sich einem hohen Risiko aus. Die Ungetüme müssen also meist auf größere Distanz schießen. Doch: Die russischen Techniker scheinen sich der Unzulänglichkeiten ihrer Panzerkreationen bewusst.

„Frankenstein-Panzer“ mit Besonderheit

Bei der letzten Monster-Generation, bei der MT-LB-Truppentransporter eine Marine-Flak vom Kaliber 25 Millimeter aufgeschweißt bekamen, scheinen die Techniker Maßnahmen getroffen zu haben, den Rückstoß der Kanonen wenigstens etwas auszugleichen. Die Vorgängergeneration etwa hatte noch einen zylinderförmigen, hohen Turm, der nun fehlt.

Was die fehlende Panzerung anbelangt, haben die Techniker offenbar eine besondere Lösung gefunden. Zuletzt waren Videos in den sozialen Netzwerken zu sehen, die den Einsatz von RBU-6000-Werfern in der Ukraine zeigen, Museumsstücke aus den 1960er-Jahren, die für den Anti-U-Boot-Einsatz gedacht sind. Er verschießt raketengetriebene Tauchbomben mit hoher Sprengkraft, kann aber auch gegen Ziele an Land eingesetzt werden.

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Was die „Frankenstein-Werfer“ besonders macht: Sie sind auf die Wannen von T-80-Kampfpanzern geschraubt worden – die wiederum sehr wohl über eine beachtliche Panzerung verfügen. Den Videos ist zu entnehmen, dass die russische Armee mindestens zwei dieser Fahrzeuge im Einsatz hat, unklar ist allerdings, wo.

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Die Werfer selbst verfügen nur über eine kurze Reichweite, müssen also nah ran und sind damit verwundbar. Die Panzerung eines T-80 ist entsprechend Gold wert – was den Werfer damit wesentlich gefährlicher macht, denn die Besatzung kann näher ran an feindliche Stellungen.

Die durchaus abenteuerliche Konstruktion erinnert an den brandgefährlichen TOS-1-Werfer, der thermobarische Munition verschießt und ebenfalls gepanzert ist. Zwar dürfte vom gepanzerten „Frankenstein-Werfer“ weniger Gefahr ausgehen, allein schon, weil er weniger zerstörerische Raketen benutzt. Von der Genauigkeit ganz zu schweigen: Der RBU-6000 bekommt seine Feuerlösung normalerweise aus einer Feuerleitanlage – die fehlt den „Frankenstein-Werfern“ aber.

Experten warnen eindringlich

Zu unterschätzen sind die Fahrzeuge trotz ihres eindeutig improvisierten Charakters aber nicht. So mahnte der Militärhistoriker Sönke Neitzel im „Spiegel“: „Ich warne davor, solche Beobachtungen als Schwächung der russischen Streitkräfte zu sehen.“ Schließlich zeigen die Kreationen, dass die Armee immer noch über ausreichend Waffen verfügt.

Auch Buttjer Freimann, ein Ex-Bundeswehrpionier, der in der freiwillig gegen Russland kämpft, mahnt bei X zur Vorsicht. Der spöttische Tonfall, mit dem vor allem die Raketenwerfer beschrieben werden, sei „unangebracht“. Gerade die Kombination aus dem Tauchbombenwerfer und den MT-LB-Truppentransporten sei eine „sehr potente Waffe“. Sie sei verfügbar, schlagkräftig, Munition sei in großem Maß vorhanden und das System sei mobil.

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Er gehe davon aus, dass es gegen Feldbefestigungen zum Einsatz komme. Die Besatzung nähere sich dabei ihrem Ziel an, feuere eine Salve ab und könne dann „direkt abhauen“, schreibt Buttjer. „Bei richtiger Anwendung kann das sehr effektiv sein.“ Mit Blick auf die umfunktionierten T-80 sagt er: „Hat sich wohl bewährt.“

Er gibt außerdem zu bedenken: Ein Waffensystem aufgrund seines improvisierten Charakters abfällig zu betrachten, sei eine Form von Hochmut, „welche man sich spätestens im Gefecht nicht leisten kann“.

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