Berlin. Tausende Lehrkräfte fehlen im Land. Die Bundesländer versuchen mit verschiedenen Maßnahmen, Arbeitskräfte zu gewinnen und machen sich dabei auch Konkurrenz.

In Deutschland sind nach Angaben der Kultusministerien der Länder mehr als 12.000 Lehrerstellen unbesetzt. Das geht aus einer Umfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in den 16 Bundesländern hervor. Die Zahlen spiegeln nach Ansicht des Deutschen Lehrerverbands allerdings nicht die tatsächliche Lage wider und seien „geschönt“. Die Länder versuchen mit verschiedenen Maßnahmen, Arbeitskräfte zu gewinnen. Damit machten sie sich gegenseitig Konkurrenz, kritisierte der Vorsitzende des Bundestagsbildungsausschusses, Kai Gehring, am Mittwoch - und rief zu einem gemeinsamen Vorgehen auf.

„Wir brauchen einen kooperativen Bildungsföderalismus statt Headhunting um die besten Lehrkräfte. Der Lehrkräftemangel lässt sich nur strukturell und in gemeinsamer Kraftanstrengung beheben“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Der im März geplante Bildungsgipfel könne ein Format dafür sein. „Bildungschancen, Teilhabe und Durchlässigkeit dürfen nicht vom Wohnort und von der Ellenbogenmentalität einzelner Ministerpräsidenten abhängen.“

Dem RND-Bericht zufolge sind deutschlandweit genau 12.341 Lehrerstellen unbesetzt. Aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Bayern wurden keine Lücken und aus Hessen sogar ein Überangebot gemeldet. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen fehlen dagegen mehr als 8000, in Schleswig-Holstein mehr als 200, in Sachsen-Anhalt und Berlin mehr als 800 und in Sachsen, Baden-Württemberg und Niedersachsen mehr als 400 Lehrkräfte. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 800.000 Lehrinnen und Lehrer.

Meidinger: Zahlen der Kultusministerien „geschönt“

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, nannte die Zahlen der Kultusministerien „geschönt“. Seiner Einschätzung nach liegt die Zahl der unbesetzten Lehrerstellen in Deutschland zwischen 32.000 und 40.000. In vielen Bundesländern würden Stunden am Anfang des Schuljahres je nach Lehrermangel gestrichen, so dass der Bedarf nur auf dem Papier gedeckt sei. In manchen Ländern würden auch Eltern oder andere Nicht-Pädagogen als sogenannte Schulhelfer eingesetzt und in der Statistik als Lehrkräfte verrechnet.

Die Bundesländer gehen nach Angaben ihrer Kultusministerien unterschiedliche Wege, um dem Lehrkräftemangel zu begegnen. So werden laut RND-Abfrage etwa pensionierte Lehrkräfte eingesetzt, Prämien gezahlt, damit Lehrer bleiben, anstatt in Rente zu gehen oder Headhunter mit der Arbeitskräftesuche beauftragt. Zudem setzen Länder vermehrt auf Quer- und Seiteneinsteiger oder auch auf ein Freiwilliges Pädagogisches Jahr - ähnlich einem Freiwilligen Sozialen Jahr - an Schulen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte unlängst angekündigt, Lehrkräfte auch aus anderen Bundesländern anwerben zu wollen. Das sorgte wiederum außerhalb Bayerns für Unmut.

Der Lehrermangel ist momentan das brennendste Thema in der Bildungspolitik. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Astrid-Sabine Busse (SPD), geht davon aus, dass Deutschland noch zehn Jahre damit zu tun haben wird. Gehring forderte, damit alle Kinder in diesem Land beste Zukunftschancen bekämen, müsse bei der Bildung gesamtstaatlich enger zusammengewirkt werden. „Der Lehrkräftemangel droht sich zunehmend zur Bildungsbremse zu entwickeln. Er betrifft die ostdeutsche Dorfschule genauso wie das Gymnasium in der westdeutschen Großstadt, Grundschulen wie Berufsschulen.“

Am Freitag wollen Bildungswissenschaftler der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission - ein bei der KMK angesiedeltes Beratergremium - Empfehlungen zum Umgang mit dem Thema vorlegen.