Berlin. Konsequenz aus der Chaos-Wahl: In etlichen Berliner Bezirken muss neu abgestimmt werden. Die Wiederholung könnte zum Bumerang werden.

Jetzt ist das Desaster amtlich: In Berlin muss die Bundestagswahl in 431 Wahlbezirken wiederholt werden. So will es eine Bundestagsmehrheit und zieht damit Konsequenzen aus einem schwarzen Tag der deutschen Demokratie.

Lange Warteschlangen vor Wahllokalen, fehlende Stimmzettel, Kuriere die im Marathon-Chaos stecken blieben und Kopierer, die rechtswidrig Stimmzettel vervielfältigten – was am Abend des 26. Septembers an Nachrichten aus Berlin drang, klang nach Wahlchaos in einem Schwellenland und nicht nach einer Bundestagswahl in der deutschen Hauptstadt.

Bundestagswahl 2021: Wiederholung das Mindeste, was Wähler erwarten

Jörg Quoos ist Chefredakteur der Funke Zentralredaktion.
Jörg Quoos ist Chefredakteur der Funke Zentralredaktion. © Dirk BrunieckI

Die Wahlwiederholung ist keine Lappalie, die man als Berliner Schlendrian abtun kann. Ein acht Jahre zu spät fertiggestellter Flughafen ist ein Planungsdrama, aber nicht demokratiegefährdend. Wenn der Staat aber unfähig ist, Wahlen korrekt durchzuführen, muss uns das alarmieren. Denn es gibt nichts Kostbareres in unserer Gesellschaften als das Urvertrauen in die Demokratie. Daher ist die Wiederholung das Mindeste, was Wählerinnen und Wähler erwarten dürfen.

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Es war höchst unklug von den Ampelparteien, die Wahlwiederholung jetzt als „kleine Lösung“ gegen die Stimmen von Union und AfD durchzudrücken. Bei berechtigtem Zweifel an einem demokratischen Verfahren hätte man besser alle Volksvertreter hinter einer Neuwahllösung gehabt.

So bleiben Streit, Misstrauen und Klagen zurück und nähren beim Bürger ohne Not Zweifel an dem ganzen Verfahren. Gut möglich, dass das Verfassungsgericht die beschlossene Lösung wieder kassiert. Dann hätte der Bundestag alles nur verschlimmbessert – und das Vertrauen in die Demokratie wäre doppelt beschädigt.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.