Hamburg. Proteste verhinderten die erste Vorlesung von Bernd Lucke an der Uni Hamburg. Er hält nun ein Seminar – und kritisiert nun den AStA.

Der AfD-Mitgründer Bernd Lucke hat nach den laustarken Protesten im Hörsaal, die seine erste Vorlesung an der Uni Hamburg zum Abbruch gebracht hatten, den AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) für seinen Umgang mit den Protesten kritisiert. Die Studierendenvertretung verkläre die Vorfälle, sagte Lucke am Samstag.

Der Volkswirtschaftler und Euro-Kritiker war am Mittwoch bei seiner Rückkehr an die Universität als „Nazi-Schwein“ beschimpft, körperlich bedrängt und im Hörsaal niedergebrüllt worden. An dem Protest beteiligt waren auch Mitglieder der Antifa. Lucke wurde nach etwa zwei Stunden schließlich von Polizeibeamten an einem Seiteneingang abgeholt und nach Angaben eines Polizeisprechers bis zum Bahnhof begleitet. „Was sich heute im Agathe-Lasch-Hörsaal abgespielt hat, spricht für sich. Das muss ich nicht kommentieren“, hatte Lucke der Deutschen Presse-Agentur anschließend gesagt.

Nun sagte Lucke, der AStA entziehe sich seiner Verantwortung, indem er in grotesker Weise die Opfer zu Tätern mache. Ein Gespräch nur mit den Vertretern des AStA sei auf dieser Basis nicht sinnvoll. „Wenn der AStA aber eine Veranstaltung organisiert, die für alle Studierenden geöffnet ist, werde ich gerne die Kritik des AStA widerlegen und allen Fragestellern Rede und Antwort stehen.“

Bernd Lucke wurde nach seiner gescheiterten Antrittsvorlesung bei der Abreise vom Uni-Gelände von Polizisten begleitet.
Bernd Lucke wurde nach seiner gescheiterten Antrittsvorlesung bei der Abreise vom Uni-Gelände von Polizisten begleitet. © dpa | Markus Scholz

Proteste gegen Lucke in Uni Hamburg – AStA distanziert sich

Die Studierendenvertretung hatte zuvor moniert, Lucke habe die ohnehin schon angespannte Situation am Mittwoch noch einmal angeheizt, als er das Podium verlassen und zwischen Studierenden im Auditorium Platz genommen habe. Lucke habe die Studierenden als Schutz benutzt.

Der AStA betonte, er habe die Proteste und Störungen im Hörsaal nicht initiiert, sondern lediglich eine Kundgebung organisiert, bei der es darum gegangen sei, „dass darüber diskutiert wird, wer sich hier nach einer gescheiterten Politkarriere in den Universitätsbetrieb zurückzieht“.

Nach der gescheiterten Vorlesung hielt Lucke ein Seminar, zu dem etwa 15 bis 20 Studenten gekommen waren. Der frühere AfD-Politiker wurde vor Beginn von einigen Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern begrüßt. Zwei junge Frauen, die an dem Seminar teilnehmen wollten, aber nicht angemeldet waren, wurden von Lucke mit dem Hinweis, dass er sie vom Vortag kenne, hinausgebeten.

Lucke hat nach dem Ende seines Europa-Mandats im laufenden Semester eine Reihe von Lehrverpflichtungen übernommen. Er ist ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und damit Beamter des Landes.

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Lucke-Vorlesung abgebrochen: Parteien verurteilen Störungen

Die Wissenschaftsbehörde teilte dazu mit: „Die Rechtslage ist klar. Herr Lucke hat das Recht und die Pflicht, an der Universität Hamburg zu lehren. Die Universität ist im Gespräch mit Herrn Lucke, wie künftig sichergestellt werden kann, dass er seiner Lehrverpflichtung nachkommen kann.“

Die Wissenschaftsbehörde sowie die Parteien in der Hamburgischen Bürgerschaft mit Ausnahme der Linken verurteilten die Störung der Lucke-Vorlesung. „Wie im Hörsaal mit Herrn Lucke umgegangen wurde, widerspricht den Regeln fairer politischer und demokratischer Auseinandersetzung“, heißt es in einer Stellungnahme der Behörde von Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank. „Es geht nicht, dass die Lehrveranstaltungen von Herrn Lucke niedergebrüllt werden.“

FDP und AfD hatten von Fegebank eine klare Stellungnahme für die Durchsetzung der Freiheit der Lehre gefordert, nachdem ein erstes Statement vom Vortag in den sozialen Netzwerken als halbherzig und unklar kritisiert worden war.

Lucke niedergebrüllt: Verhalten der Zuhörer in der Kritik

Für die SPD erklärte deren Abgeordneter Sven Tode: „Freie Lehre und Wissenschaft sind Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaft. Dazu gehört, dass wissenschaftliche und politische Auseinandersetzungen in einem Rahmen stattfinden, der verschiedene Meinungen zulässt.“

Ähnlich der Grüne Farid Müller: „Die Kontroverse, die Lucke auslöst, sollte die Universität und ihre Studierenden nicht nur aushalten, sondern auch akademisch austragen können.“ Schärfere Töne kamen von den Oppositionsparteien.

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„Anfang der 30er Jahre haben die Nazis jüdische Professoren aus den Vorlesungssälen gegrölt“, sagte CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg. „Solange sich jemand auf dem Boden unserer Verfassung bewegt, müssen wir seine Meinung aushalten.“ Die FDP-Fraktionsvorsitzende Anna von Treuenfels-Frowein sprach von einem „nicht zu tolerierenden Angriff auf unsere Meinungsfreiheit“.

Die Demonstranten selbst wendeten jene Mittel an, gegen die sie zu protestieren vorgäben. Die AfD nannte den Vorfall „Gesinnungsterror linker Gruppierungen“. Die Partei Die Linke begrüßte die Kundgebung und Demonstration gegen Lucke, ohne auf die Störungen und den Abbruch der Vorlesung näher einzugehen. „Bernd Lucke ist der Gründer einer Partei, die für Rassismus und gesellschaftliche Spaltung steht“, sagte der Abgeordnete Martin Dolzer. „Sie steht im Widerspruch zur Universität als Ort für Wissenschaftsfreiheit und Dialog.“

Die Uni Hamburg hatte im Juli noch mitgeteilt, sie enthalte sich einer Bewertung der Personalie Lucke.

Lucke ließ sich 2014 von der Uni Hamburg beurlauben

Lucke war 2013 maßgeblich an der Gründung der AfD beteiligt und einer ihrer ersten Bundessprecher. 2014 hatte er sich von der Uni Hamburg beurlauben lassen, um als Berufspolitiker für die AfD ins Europaparlament zu wechseln.

Nachdem er 2015 im Streit um eine stärker nationalkonservative Ausrichtung der Partei von Frauke Petry als AfD-Bundessprecher abgelöst worden war, hatte er die Partei verlassen und in der Folge fremdenfeindliche und rechtsextreme Tendenzen angeprangert.

Luckes Versuche, mit der von ihm gegründeten Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA), die sich später in Liberal-Konservative Reformer (LKR) umbenannte, politisch Fuß zu fassen, scheiterten. Bei der Europawahl Ende Mai kam die LKR mit Spitzenkandidat Lucke nur auf 0,1 Prozent der Stimmen.

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(mbr/br/dpa)