Bethlehem. Unternehmer am Geburtsort von Jesus sind abhängig vom Tourismus an Weihnachten. Warum die Gäste zwar kommen, aber kaum Geld ausgeben.

„Ich mache diesen Job seit 14 Jahren, aber so einen Tag habe ich noch nie erlebt”, sagt Ahmed, während er seinen Wagen in Schlangenlinien durch den zähen Verkehr in Betlehem kutschiert. „Ich hatte keinen einzigen Kunden heute. Das ist kurz vor Weihnachten doch nicht normal.”

Weihnachten ist in Bethlehem der Höhepunkt des Jahres. Alle der rund 30.000 Einwohner in der Geburtsstadt Jesu sind vom Tourismus abhängig: manche direkt, viele indirekt. Je weniger Besucher kommen, desto weniger Steuereinnahmen bleiben der Stadt für notwendige Investitionen. Weihnachten sind deshalb alle nervös: Werden diesmal genügend Gäste in die Stadt kommen?

Bethlehem: Das Geschäft mit der Geburt von Jesus Christus

In Bethlehems Stadtbild steht offiziell alles im Zeichen von Jesus Christus: Hier soll der Messias laut Aufzeichnungen geboren worden sein. Die Geburtskirche erinnert heute daran daran. Besucher, die einfach nur deshalb nach Bethlehem fahren, weil es hier besonders schöne Holzschnitzereien, gute Süßspeisen und schmackhaftes Fleisch gibt, werden auf Schritt und Tritt daran erinnert, dass das hier ein religiöser Ort ist.

Geschäfte heißen „Holy Mary” und „Saint Joseph”, Straßen sind nach Päpsten und Heiligen benannt, sogar der muslimische Maisverkäufer, der zum Nachmittagssnack seine gekochten Maiskerne in Pappbecher schaufelt, nennt seine Ware „Holy Corn”.

In Wahrheit sind die Christen in Bethlehem aber mittlerweile eine Minderheit. Rund zehn Prozent der Einwohner bekennen sich zum Christentum, der Rest sind Muslime. Aber auch sie verdienen am christlichen Pilgertourismus aus aller Welt – ganz besonders zu Weihnachten.

Corona: Mit der Pandemie blieben die Touristen weg

Als die Pandemie begann, brach die wichtigste Geldquelle der Bethlehemer Familien ein. Der Flugverkehr stand still, Christen aus aller Welt blieben Bethlehem fern. Hotels sperrten zu, Fremdenführer saßen zuhause, Händler wurden ihre Waren nicht los. Seither hat sich die Stadt nicht mehr von dem Einbruch erholt.

Anders als in vielen europäischen Staaten bekamen die Unternehmer auch keine Ausgleichszahlungen vom Staat. Die Palästinenserbehörde hat kein Geld, um Entschädigungen für den Umsatzausfall der vielen Hotels, Restaurants, Touristenführer und Souvenirverkäufer zu begleichen.

Ein Mann kniet in der Grotte der Geburtskirche in Bethlehem vor dem silbernen Stern. Viele Christen glauben, das dort exakt der Ort sein soll, an dem Jesus geboren wurde.
Ein Mann kniet in der Grotte der Geburtskirche in Bethlehem vor dem silbernen Stern. Viele Christen glauben, das dort exakt der Ort sein soll, an dem Jesus geboren wurde. © AFP | AHMAD GHARABLI

Dieses Weihnachten, so hofften viele, würden zum ersten Mal wieder ein wenig Erleichterung bringen, um die Schulden der vergangenen Jahre abbauen zu können. Wenigstens für jene Unternehmer, die inzwischen nicht Bankrott gegangen oder abgewandert sind.

Das Angebot: Weihnachtskrippen, Kreuz aus Olivenbaumholz, Honigkerzen

„Die ganze Welt hat Covid gespürt, aber hier in Bethlehem spürten wir es ganz besonders, weil die Stadt zu hundert Prozent vom Tourismus abhängt”, sagt Sami Hawash, ein Bethlehemer Arzt, der sich in der Rente sein Geld mit Souvenirverkauf aufbessern wollte.

Bis zur Pandemie gelang das ganz gut. Er verkaufte handgeschnitzte Weihnachtskrippen und Kreuze aus Olivenbaumholz, duftende Honigwachskerzen und hübsche Anhänger und Broschen an Pilger und Touristen.

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Später nahm er auch Kinderspielzeug ins Sortiment auf – für die christlichen Familien in Bethlehem, die auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken waren. Dann kam Covid, Hawash verkaufte nichts mehr. Seit fast drei Jahren „fließt meine ganze Rente in die Fixkosten für das Geschäft”, sagt er. Der 69-Jährige kann es sich nicht leisten, einfach zuzusperren. „Ich hatte kurz vor der Pandemie einen Großeinkauf gemacht. Ich muss ihn ja noch abbezahlen”, sagt er. Zudem hat er den Laden von seinem verstorbenen Bruder übernommen, auch ihm zuliebe führt er ihn weiter.

Auch der Ukraine-Krieg ist schlecht für das Bethlehemer Weihnachtsgeschäft

Anfang der Adventsaison war in allen Medien zu lesen, dass die Gäste wieder nach Bethlehem zurückkehren. Hawash merkt davon noch gar nichts. „Die Touristen kommen zwar, aber sie geben kein Geld aus”, sagt er. „Dass in der Ukraine-Krieg ist und dass die Wirtschaft weltweit gerade nicht so gut läuft, lässt sich eben nicht ignorieren.

Die Leute kommen nur noch, um zu beten – nicht um zu shoppen.” Zugleich sind die Kosten für Getreide, Gas und Benzin auch in Palästina stark angestiegen. Wie er heute die Familie ernährt? „Zum Glück haben meine Kinder Jobs gefunden und erhalten sich selbst”, sagt Hawash. Hier in Palästina? Hawash lacht. „Nein, in den Golfstaaten und in Saudi Arabien”, sagt er.

Weihnachtsbaum in Bethlehem: Der Baum steht vor eine Kirche in der Stadt, in der Jesus Christus auf die Welt gekommen sein soll.
Weihnachtsbaum in Bethlehem: Der Baum steht vor eine Kirche in der Stadt, in der Jesus Christus auf die Welt gekommen sein soll. © dpa

Der Bürgermeister von Bethlehem ist trotzdem zuversichtlich

Der Bürgermeister von Bethlehem, Hanna Hanania, ist für dieses Jahr zuversichtlich. „Mit Gottes Hilfe werden wir dieses Jahr wieder dorthin zurückkehren, wo wir vor dem Coronavirus standen”, sagt er. „Die Erholung hat schon begonnen.”

Von einer Rückkehr zu früheren Tagen ist aber noch lange nicht die Rede. Nur vereinzelt schlängeln sich Pilgergruppen durch Bethlehems Gassen. „Vor drei Jahren waren wir um diese Zeit restlos ausgebucht, jetzt stehen wir zur Hälfte leer”, klagt ein Hotelier, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Die Touristen kommen meistens nur für einen Nachmittag aus Jerusalem hierher und fahren dann wieder zurück”, meint der Manager.

Raketen und Terror: Die Gewalt im Westjordanland hat wieder zugenommen

Es mag auch eine Rolle spielen, dass die Gewalt im Westjordanland seit einigen Monaten wieder zugenommen hat. Bethlehem ist davon zwar weniger stark betroffen und eine Reise in die Stadt ist für Touristen sicher – aber für Verunsicherung sorgen die Berichte über gewaltsame Ausschreitungen in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten dennoch.

Ob ihm die Zukunft Sorgen macht? Souvenirverkäufer Hawash hat in seinem Leben schon zu viel gesehen, um besorgt zu sein. „Wenn es in Simbabwe regnet, spüren wir das hier”, sagt er und lacht. „Wir sind im Nahen Osten, da geht es immer auf und ab. So ist das eben.”