London/Brüssel. Im Brexit-Chaos entschied John Bercow, dass es noch keine weitere Abstimmung gibt. Am Samstag war das Votum verschoben worden.

Am Montag hätte das Brexit-Elend beendet werden können. Aber: Der britische Parlamentspräsident John Bercow hat die Abstimmung über Boris Johnsons Deal verweigert. Die scheinbar unendliche Geschichte bekommt ein neues Kapitel.

Der Parlamentspräsident wollte bis zum späten Nachmittag seine Entscheidung bekannt geben, um 16.30 Uhr trat er vor die Presse. Den Weg gab er nicht frei, die Abgeordneten durften nicht noch am selben Tag abstimmen, wie viele gehofft und erwartet hatte.

Die britische Regierung will nun am Donnerstag abschließend über die notwendigen Gesetze für einen Austritt aus der EU abstimmen lassen. Die zweite Lesung des sogenannten Withdrawal Agreement Bill solle am Dienstag beginnen, sagte der Unterhaus-Vorsitzende Jacob Rees-Mogg am Montag. Dem Entwurf müsste auch das Oberhaus zustimmen.

Brexit-Entscheidung am Donnerstag? Erstmal Abfuhr vom Parlament

Die Chancen des britischen Premierministers Boris Johnson auf einen pünktlichen Brexit am 31. Oktober waren mit der Entscheidung am Montag verringert worden – für den Regierungschef eine weitere Schlappe. Er muss nun das Gesetz zur Ratifizierung des Vertrags im Eiltempo durchs Parlament bringen – was dieses offenbar nun doch zeitnah machen will.

Die britische Regierung wollte am Montag eine Grundsatzentscheidung, ein sogenanntes Meaningful Vote. Damit wäre zumindest klar gewesen, ob das Abkommen eine Mehrheit in dem total zerstrittenen Parlament findet. Doch Bercow ließ das mit der Begründung nicht zu, eine Vorlage gleichen Inhalts habe schon am Samstag zur Abstimmung gestanden. Auch die Umstände hätten sich nicht geändert.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte dazu in Berlin: „Ich würde nicht ausschließen, falls es in Großbritannien Probleme gibt mit den Ratifizierungsschritten, dass es eine kurze technische Verlängerung geben könnte.“

Brexit-Abstimmung: Europaparlament wartet auf Ratifizierung der Briten

Das Europaparlament will den Brexit-Vertrag erst nach dem britischen Parlament ratifizieren. Dies kündigten Sprecher der großen Fraktionen am Montagnachmittag an, darunter die Europäische Volkspartei, Sozialdemokraten, Grüne und Linke. Damit wird ein Votum des EU-Parlaments diese Woche unwahrscheinlich. Eine Sondersitzung nächste Woche, noch vor dem Austrittsdatum 31. Oktober, sei aber denkbar, hieß es.

Eine Grundsatzentscheidung des Unterhauses für den Vertrag – ein sogenanntes Meaningful Vote – reiche nicht, sagte der Grünen-Fraktionschef Philippe Lamberts. „Bevor es einen Rechtsakt gibt, der die britische Ratifizierung bestätigt, sollten wir nicht ratifizieren.“Die Gesetzgebung in London werde schwerlich diese Woche abgeschlossen sein.

Auch könnte der neue Austrittsvertrag mit Zusätzen vom britischen Parlament verändert werden. In dem Fall müsste mit Brüssel nachverhandelt werden. Es sei für das EU-Parlament nicht sinnvoll, vorher eine andere Fassung zu billigen.

Brexit: Parlament hatte Entscheidung am Samstag verschoben

Das Parlament hatte am Samstag eine Entscheidung über das Abkommen verschoben und Johnson damit eine Niederlage zugefügt. Ziel der Vertagung war es, einen No Deal auszuschließen. Die Abgeordneten stimmten für einen Antrag, der vorsieht, dass die Entscheidung vertagt werden soll, bis das Ratifizierungsgesetz verabschiedet ist.

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Die Folge: Johnson war per Gesetz verpflichtet, in Brüssel eine Verlängerung der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus zu beantragen – dies tat er widerwillig und ohne Unterschrift auf dem offiziellen Schreiben. Sein Verhalten könnte am Montag bei einer Anhörung vor einem Gericht in Schottland eine Rolle spielen. Kritiker werfen Johnson vor, den Willen des Parlaments zu torpedieren.

Ein Chaos-Brexit Ende Oktober mit all seinen wirtschaftlichen Turbulenzen wird unwahrscheinlicher. Der britische Staatsminister Michael Gove drohte zwar am Sonntag erneut damit und sagte, die Gefahr sei gestiegen. Doch stemmt sich eine Mehrheit im Unterhaus dagegen. Dennoch blieb das Brexit-Elend: Wie es weitergeht – und was passieren kann.

Brexit: Was kostet das Hin und Her die britischen Bürger?

In den Diskussionen spielt auch die Frage nach den Kosten eine Rolle. Bürger fragen sich, wie teuer ein harter Brexit für deutscher Verbraucher wird.

Johnson hat im Parlament, das im Brexit-Kurs total zerstritten ist, keine eigene Mehrheit und ist für die Ratifizierung des Brexit-Deals auf jede Stimme angewiesen. Die Labour-Partei signalisierte inzwischen ihre Bereitschaft, ein Abkommen zu unterstützen, wenn es in einem Referendum zur Abstimmung gestellt wird.

Johnson hatte vor wenigen Tagen nach langem Streit mit der EU einen geänderten Austrittsvertrag vereinbart, der sofort von den EU-Staats- und Regierungschefs gebilligt wurde. Neu geklärt wurde die Frage, wie die Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland auch nach dem Brexit offen bleiben kann. Zudem vereinbarte Johnson mit Brüssel in einer politischen Erklärung, dass es auf längere Sicht nur eine lose Bindung seines Landes an die EU geben soll.

(dpa/ac)