Berlin. Der Finanzminister plant wegen der Inflation Steuersenkungen. Doch laut eines Berichts hätten gerade Topverdiener am meisten davon.

Wenn an diesem Donnerstag die neue Inflationsrate bekannt gegeben wird, dürfte sie erneut um die acht Prozent liegen – das sind keine guten Nachrichten. Bereits seit Monaten leiden viele Menschen unter steigenden Energie- und Lebensmittelpreise. Finanzminister Christian Lindner pocht daher auf neue Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Sein Vorschlag: Steuersenkungen für Anfang 2023. Doch unveröffentlichte Berechnungen, die der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) vorliegen, zeigen, dass von Lindners Plan ausgerechnet Gutverdiener profitieren könnten – jene Bürger also, die am wenigsten unter der Inflation leiden.

Der FDP-Politiker möchte die kalte Progression vermeiden. Das Problem dieses Phänomens: Mit jeder nominalen Erhöhung des Bruttolohns steigt auch die Einkommensteuer an – während höhere Abgaben und die Inflation das Lohnplus bei den Beschäftigten letztlich wieder auffressen. Dadurch bleibt weniger vom Nettogehalt übrig als vor der Anhebung.

Auch interessant: Inflation – Verbraucherschutz-Chefin fordert neue Hilfspakete

Lindner Steuerpläne: Je höher das Einkommen, desto mehr bleibt übrig

Details zu dem Vorhaben hat Lindner noch nicht genannt. Bei den von der SZ veröffentlichten Berechnungen wurde unter Verweis auf eine Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen eine Erhöhung der Tarifeckwerte um sechs Prozent angenommen. Damit würde also beispielsweise der Grundfreibetrag, auf den man keine Steuern zahlen muss, ebenso um sechs Prozent ansteigen wie der Grenzwert, ab dem der höchste Steuersatz greift.

In diesem Fall würde ein Single mit 100.000 Euro Bruttoeinkommen 600 Euro weniger zahlen, berichtete die Zeitung. Einem kinderlosen Ehepaar mit 600.000 Euro brutto winkten sogar 1700 Euro Entlastung. Dagegen würde eine Alleinerziehende mit 20.000 Euro Jahresgehalt lediglich von einer Entlastung um 100 Euro profitieren. Eine vierköpfige Familie mit 40.000 Euro Jahresbrutto würde nur rund 300 Euro sparen.

Lesen Sie auch: Das sind die Streitpunkte beim neuen Bürgergeld

Steuersenkungen: Eine Alternative würde deutlich mehr Menschen helfen

Eine allgemeine Steuersenkung käme „primär Besserverdienenden zugute und würde sie stärker entlasten als Menschen mit kleinen Einkommen“, sagte Studienautor Tobias Peters der Zeitung. Nach weiteren Berechnungen wären Direktzahlungen sozial weit ausgewogener als Steuersenkungen, schrieb das Blatt zudem. Wenn jedem Erwachsenen 600 Euro ausgezahlt würde, dann profitierten rund 90 Prozent vom Abbau der kalten Progression. Steuersenkungen seien erst für Familien mit zwei Kindern lukrativer, die über 130.000 Euro im Jahr verdient.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi sagte der Zeitung, weitere Entlastungen seien nötig. „Aber dabei müssen wir zielgenau jenen helfen, die es am nötigsten haben. 600 Euro direkt bringen einem Wenigverdiener mehr als einem Großverdiener.“

Die Bundesregierung dürfte also bald streiten, wie ein neue Entlastungspaket genau aussehen könnte. (lgr/afp)

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.