Berlin/Washington. Bundeskanzler Scholz stimmt der Lieferung von Kampfpanzern nun doch zu. Das wurde dieser Redaktion aus Koalitionskreisen bestätigt.

  • Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die Entscheidung hinausgezögert
  • Nun stimmt die Bundesregierung der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine doch zu
  • Was über die Pläne bekannt ist

Im ersten Schritt will die Bundesregierung 14 Leopard-Kampfpanzer des Typs 2A6 aus den Beständen der Bundeswehr in die Ukraine liefern. Das kündigte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in einer Mitteilung an. Die Entscheidung zeichnete sich in den vergangenen Tagen bereits ab: Nach heftigen Bedenken und engen Absprachen mit US-Präsident Joe Biden hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür entschieden, gemeinsam mit weiteren Nationen die Ukraine im Krieg gegen Russland auch mit Kampfpanzern zu unterstützen. Ein entsprechender Bericht des „Spiegel“ wurde unserer Redaktion bereits am Dienstagabend aus Koalitionskreisen bestätigt.

Ein Regierungssprecher wollte die Angaben zunächst nicht kommentieren. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte zuvor nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin gesagt, die Entscheidung über die Lieferungen von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine werde „in Kürze“ fallen.

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Leopard: Die Ukraine lobt die Entscheidung als "echten Meilenstein"

Der stellvertretende ukrainische Außenminister Andrij Melnyk begrüßte die Entscheidung. „Ich kann Berlin nur ‚Juhu‘ und ‚Vergelt’s Gott‘ zurufen, dass Deutschland, nach viel zu langem Zögern, diesen Panzer-Rubikon endlich überschritten hat!“, sagte Melnyk unserer Redaktion. „Das ist ein echter Meilenstein auf dem Weg zum Sieg der Ukraine noch 2023“, fügte er hinzu.

Es sollte jetzt aber keinen „Zickzack-Kurs der Ampel“ mehr geben, mahnte Melnyk. "Die Ukrainer erwarten, dass die Deutschen jetzt diese Leoparden-Allianz in den nächsten Tagen bilden und anführen werden, damit bereits im März Hunderte Kampfpanzer an die Front verlegt werden können“, erklärte der ukrainische Diplomat, der bis Oktober mehr als sieben Jahre lang Botschafter seines Landes in Berlin war.

Den Informationen zufolge will die Bundesregierung Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 weitergeben. Die Ukraine solle mindestens eine Kompanie mit der Version Leopard 2A6 aus Beständen der Bundeswehr erhalten, berichtete der „Spiegel“. Das würde bedeuten, dass die Ukraine 14 Leopard-Panzer erhält. Das Bundesverteidigungsministerium kommentierte dies auf Anfrage nicht. Die Bundeswehr verfügt über rund 320 Leopard-2-Kampfpanzer verschiedener Versionen. Davon sind jedoch nicht alle einsatzbereit.

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Leopard: Amerikaner liefern offenbar auch schwere Kampfpanzer

In der Ampel-Koalition war damit gerechnet worden, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Entscheidung zur Unterstützung der Ukraine mit den Kampfpanzern an diesem Mittwoch offiziell mitteilen werde. Der Kanzler stellt sich am frühen Nachmittag einer Befragung im Bundestag.

Parallel zur Entscheidung in Berlin vollzog sich in Washington der von Kanzler Scholz erbetene Sinneswandel: Die Regierung von Präsident Joe Biden gab nach informellen Angaben von Offiziellen ihre bis zuletzt ablehnende Haltung zur Lieferung von M1 Abrams-Kampfpanzern auf. Zwischen 30 bis 50 der über 60 Tonnen schweren Gefährte, die seit 1980 in einer dem Staat gehörenden Fabrik in Lima (Bundesstaat Ohio) produziert werden, sollen laut führenden US-Medien für die Ukraine freigegeben werden. Die offizielle Ankündigung könne bereits an diesem Mittwoch erfolgen. Regierungssprecherin Karine Jean-Pierre hielt sich am Dienstag noch bedeckt: „Wir sind in ständigen Gesprächen mit der Ukraine und unseren Partnern. Ich habe keine Vorankündigung zu machen.”

Bis zuletzt hatte vor allem das US-Verteidigungsministerium bei den Abrams-Panzern gezögert. Sie seien zu kompliziert zu warten, benötigten aufgrund ihres Gasturbinen-Antriebs anderen Treibstoff (Kerosin) und erforderten einen im Vergleich zum deutschen „Leopard” höheren technischen Begleit- und Schulungsaufwand. Bis Abrams-Panzer, die in der US-Version eine geheim gehaltene Sandwich-Panzerung aus abgereichertem Uran und Stahl aufweisen, auf dem ukrainischen Schlachtfeld einsatzfähig sind, könnten nach Angaben von Experten des Pentagon „viele Monate vergehen”.

Scholz hatte stets betont, sich in der Frage der Kampfpanzer-Lieferungen eng mit den USA und den anderen Partnern abzustimmen. So war es auch gewesen, als Deutschland und die USA Anfang Januar gemeinsam die Lieferung von Schützenpanzern angekündigt hatten. Mit der Entscheidung ist auch die Freigabe der Bundesregierung für die Weitergabe von Leopard-Panzern durch andere Länder wie Polen zu erwarten. Die Regierung in Warschau hatte dies am Dienstag nach Angaben von Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak offiziell in Berlin beantragt.

Kampfpanzer: Scholz war zu Lieferung gedrängt worden

Da die Leopard-Panzer aus deutscher Produktion stammen, muss die Bundesregierung den Export durch andere Staaten genehmigen. Pistorius betonte nach dem Treffen mit Stoltenberg bereits, er habe andere Partnerländer „ausdrücklich ermuntert“, mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten am Leopard-Panzer zu beginnen. Scholz war von der ukrainischen Regierung, Polen und auch Teilen der eigenen Koalition gedrängt worden, der Lieferung der schweren Gefechtsfahrzeuge zuzustimmen. Dem Kanzler wurde in der Frage Zögerlichkeit vorgeworfen.

Die Wehrbeauftragte Eva Högl begrüßte die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine, sie fordert aber eine schnelle Versorgung der Bundeswehr mit Ersatzmaterial. „In der Hoffnung, dass die Panzer der Ukraine entscheidend helfen, sich zu verteidigen und den Krieg gegen Russland zu gewinnen, ist es eine wichtige und richtige Entscheidung des Bundeskanzlers“, sagte Högl dieser Redaktion. „Es geht jetzt darum, umgehend neue Panzer, Artillerie, Munition zu bestellen und die Instandsetzung von großem Gerät zu beschleunigen.“

„Von den Soldatinnen und Soldaten weiß ich, dass sie eine wirksame und tatkräftige Unterstützung der Ukraine befürworten“, fügte Högl hinzu. „Sie erwarten aber auch, dass das abgegebene Material zügig wiederbeschafft wird und ihre eigene Einsatzbereitschaft mit dem Sondervermögen verbessert wird“, so Högl.

Zustimmung zu Lieferung auch aus anderen Parteien

„Die Entscheidung war zäh, sie dauerte viel zu lange, aber sie ist am Ende unausweichlich“, kommentierte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die Entscheidung. „Dass Deutschland die Lieferung seines Panzers Leopard 2 durch Partnerländer freigibt und auch selbst liefert, ist eine erlösende Nachricht für das geschundene und tapfere ukrainische Volk.“ Die FDP-Politikerin gehört zu den schärfsten Kritikerinnen des Kurses von Kanzler Scholz in der Ukraine-Politik.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), begrüßte die Entscheidung. „Endlich haben Kanzler Scholz und die SPD ihren irren Widerstand aufgegeben“, sagte Hahn dieser Redaktion. „Der teure Zeitverlust für die Ukraine und der internationale Schaden für Deutschland bleiben.“

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Ukraine-Krieg: Scholz will keine Alleingänge

Seit Beginn des Krieges hat die Bundesregierung ihre militärische Unterstützung für die Ukraine schrittweise ausgeweitet. Dabei spielte immer auch die Befürchtung eine Rolle, dass Russlands Staatschef Wladimir Putin die Waffenhilfe als Grund für eine militärische, wenn nicht sogar eine atomare Eskalation nehmen könnte. Die Lieferung westlicher Kampfpanzer wird als eine qualitative Steigerung der Unterstützung für die Ukraine gesehen.

Scholz betont zudem stets, dass er bei der militärischen Hilfe keine Alleingänge eingehen will und verweist auf die bisher stets abgestimmten Schritte mit den Partnern. Dabei hatte der Kanzler neben Frankreich und Großbritannien vor allem die USA im Blick. Frankreich hatte bereits die Lieferung leichter Kampfpanzer und Großbritannien die Weitergabe von Challenger-Kampfpanzern angekündigt. Ohne die größte Militärmacht der Welt an seiner Seite wollte sich Scholz aber nicht gegenüber Russland in der Kampfpanzer-Frage exponieren.