Berlin. Der Lockdown zehrt in Deutschland immer mehr an den Nerven, der Druck für Lockerungen wird größer. Bund und Länder müssen am Mittwoch darauf reagieren. Doch in wichtigen Details ist man sich offenkundig noch nicht einig.

Nach monatelangem Corona-Lockdown deuten sich weitere Öffnungsschritte an - allerdings abhängig vom regionalen Infektionsgeschehen und mit einer "Notbremse".

Das geht aus einem vorläufigen Beschlussentwurf für die Bund-Länder-Runde an diesem Mittwoch hervor, der den Stand Montag 19.10 Uhr hat und dem Vernehmen nach noch nicht mit allen Ländern abgestimmt ist. Verknüpft werden zahlreiche Öffnungen darin auch mit massenhaften Schnelltests. Grundsätzlich soll der Lockdown auch wegen der Gefahr durch die neuen Virusvarianten bis 28. März verlängert werden.

Zuletzt hatten viele Branchen und etwa Sportvereine und Verbände ein Ende des Stillstands angemahnt. Einzelne Ministerpräsidenten bremsten. So sieht Baden-Württembergs Landeschef Winfried Kretschmann (Grüne) derzeit keine schnellen Öffnungsschritte - erst müsse die Infrastruktur für massenhafte Schnell- und Selbsttests stehen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warb für vorsichtige Öffnungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte eine stärker regional orientierte Öffnungsstrategie an, die nicht mehr nur auf bundesweite Inzidenzen oder R-Werte setze, sagte sie nach dpa-Informationen in der Unionsfraktionssitzung. Auch sie selbst halte Öffnungen für notwendig. Hauptkonfliktpunkt bei der anstehenden Beratung der Ministerpräsidenten mit Merkel dürfte sein, welche Inzidenzwerte man für welche Öffnungsschritte voraussetzt.

Das Entwurfspapier für die Bund-Länder-Runde, über das zuerst "Business Insider" berichtete, wurde von einer Runde aus Kanzleramt, Bundesfinanzministerium und den Ländern Berlin und Bayern erarbeitet. Die Verhandlungen seien aber nicht abgeschlossen, hieß es. Endgültige Entscheidungen werden erst im Gespräch am Mittwochnachmittag erwartet. Folgende Schritte waren zunächst vorgesehen:

KONTAKTE : Von kommender Woche an könnten wieder Treffen des eigenen mit einem weiteren Haushalt möglich sein, beschränkt auf maximal fünf Personen. Derzeit darf man sich nur mit einer nicht im Haushalt lebenden Person treffen. Ab einer bestimmten Zahl von Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche sollen noch großzügigere Regeln möglich sein: Treffen mit zwei weiteren Haushalten, maximal zehn Personen. Offen ist allerdings noch, ab welcher Sieben-Tage-Inzidenz dies gelten soll. Über Ostern könnten - ähnlich wie Weihnachten - wieder Verwandtenbesuche in etwas größerem Kreis möglich werden.

GARTENMÄRKTE, BLUMEN- UND BUCHLÄDEN : In einigen Ländern sind sie schon geöffnet, in anderen nicht. Das soll einheitlicher und überall möglich werden. Das könnte auch für sogenannte körpernahe DIENSTLEISTUNGEN und FAHRSCHULEN gelten - aber nur mit Corona-Test.

HANDEL : Bei einer stabilen Inzidenz unter 35 könnte der Einzelhandel mit einer Begrenzung der Kundenzahl wieder öffnen. Ab einem Inzidenzwert, der noch festgelegt werden muss, könnte zumindest Einkaufen nach Terminbuchung und mit Kontaktnachverfolgung erlaubt sein. Dabei gebe es aber noch großen Verhandlungsbedarf, hieß es.

MUSEEN, ZOOS, BOTANISCHE GÄRTEN, GEDENKSTÄTTEN : Sie könnten ab einem Wert von 35 wieder öffnen - ab einer noch festzulegenden Inzidenz zumindest mit vorheriger Terminbuchung.

GASTRONOMIE : Außenbereiche sollen dem Entwurf zufolge erst öffnen, wenn die Inzidenz 14 Tage stabil unter 35 bleibt. Ab einem Wert, der noch festgelegt werden muss, könnte man zumindest mit Terminbuchung Essen gehen. Tests wären vorgeschrieben, wenn an einem Tisch Personen mehrerer Hausstände sitzen.

SPORT : Sport könnte ebenfalls ab Inzidenz 35 wieder in kleinen Gruppen von maximal zehn Personen erlaubt sein. Allerdings nur draußen und kontaktfrei, also etwa Fitness oder gemeinsames Joggen, aber kein Fußball. Kontaktfreier Sport drinnen, etwa im Fitnessstudio, und Kontaktsport draußen sieht der Entwurf erst vor, wenn die Inzidenz in der Region 14 Tage lang stabil unter 35 bleibt - auch hier könnte mit tagesaktuellen Tests früher gelockert werden.

THEATER, KONZERTHÄUSER, KINOS : Sie könnten regulär erst bei einer stabilen Inzidenz unter 35 öffnen, mit Tests möglicherweise früher.

NOTBREMSE: Sollte die Inzidenz an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen wieder über einen bestimmten Wert klettern, sollen automatisch die aktuell geltenden Lockdown-Regeln wieder in Kraft treten - ohne Extra-Beschluss. Der Schwellenwert dafür ist allerdings noch offen.

SCHULEN: Die Bildungsminister kündigten an, der in Grundschulen begonnene Unterricht solle auf weitere Jahrgänge ausgeweitet werden - "sofern es die Infektionslage weiterhin zulässt".

WEITERE LOCKERUNGEN: Über Lockerungen etwa für Veranstaltungen, Reisen und Hotellerie soll dem Beschlussentwurf zufolge erst am 24. März beraten werden.

Die bei der vergangenen Bund-Länder-Runde avisierte 35er-Grenze für Lockerungen auf breiter Front könnte nun aufgegeben werden - wenn viel mehr getestet wird. Regelmäßige Corona-Tests stellten "einen wichtigen Baustein dar, um mehr Normalität und sichere Kontakte zu ermöglichen", heißt es im Entwurf.

Merkel kündigte eine breite Teststrategie für die Monate April, Mai und Juni an, die die geplanten Lockerungen absichern soll. Später werde das wegen des Impffortschritts so nicht mehr nötig sein, sagte sie in der Fraktion. Corona-Selbsttests seien neben den Antigen-Schnelltests noch nicht in großem Umfang verfügbar. Man brauche sicherlich den März, um eine umfassende Sicherheitsstrategie für Öffnungen aufzubauen. CDU-Chef Laschet betonte, "testen, testen, testen" sei neben dem Impfen jetzt die Botschaft.

Bundesregierung und Ministerpräsidenten wollten auch mit Vertretern der Industrie über einen Ausbau der Tests in Unternehmen sprechen. Laut Entwurf könnten die Unternehmen verpflichtet werden, ihren Präsenz-Beschäftigten mindestens einen oder sogar zwei kostenlose Schnelltests pro Woche anzubieten - was in der Wirtschaft aber auf Widerstand stößt. Die Länder sollen möglicherweise dafür sorgen, dass analog dazu auch Schul- und Kita-Personal sowie Schüler ein oder zwei Schnelltests bekommen. Allen anderen Bürgern soll das demnach etwa in Testzentren oder bei Ärzten ermöglicht werden.

Während der Beschlussentwurf bei den Lockerungen noch auf die Inzidenzen als Richtwerte abhebt, wollen Rechts- und Gesundheitspolitiker der Koalitionsfraktionen weitere Kriterien dafür festlegen: etwa die Zahl der Geimpften und den R-Wert, wie beide Seiten bestätigten. Die nötige Ergänzung des Infektionsschutzgesetzes könnte schon am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden.

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