Vittoriosa. Deutschland und drei weitere EU-Staaten haben sich auf ein Notfallsystem zur Verteilung aus Seenot geretteter Migranten verständigt.

Es ist eine kleine, aber durchaus einflussreiche Allianz, die in Malta zusammengekommen ist und jetzt Europas Flüchtlingspolitik voranbringen will: Deutschland, Frankreich, Italien und Malta. Bei einem Gipfel auf dem Inselstaat verkündeten die Innenminister der Länder am Montag eine Einigung bei der Seenotrettung.

In den vergangenen Monaten war wenig passiert, um aus Seenot gerettete Geflüchtete in Europa zu verteilen. Mehrere Tausend Menschen starben beim Versuch, in einem Schlauchboot von Nordafrika nach Italien, Malta oder Spanien überzusetzen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) war zu dem Gipfeltreffen am Montag gereist. Deutschland, Frankreich, Italien und Malta hätten sich auf ein gemeinsames Papier verständigt, sagte der maltesische Innenminister Michael Farrugia nach Verhandlungen mehrerer EU-Minister auf Malta.

„Temporärer Notfallmechanismus“

„Wir haben Regelungen gefunden für einen temporären Notfallmechanismus, die Italien und Malta helfen“, sagte Seehofer. Er sei mit dem Ergebnis des Treffens „hoch zufrieden“.

Das Papier soll das Grundgerüst zeichnen, mit dem die Staaten eine Art Krisenmanagement in Europa etablieren wollen. Details sind bisher allerdings nicht bekannt. Klar ist nur: Der Vorschlag soll bei einem EU-Innenministertreffen Anfang Oktober den anderen EU-Staaten präsentiert werden.

Deutschland hat seit Juli 2018 die Aufnahme von 565 aus Seenot geretteten Migranten zugesagt. Nur 225 von ihnen erreichten die Bundesrepublik bislang. Seehofer hatte zuletzt angekündigt, ein Viertel aller aus Seenot geretteten Migranten nach Deutschland zu holen. Aus der Union erntete er teilweise Kritik für diesen Vorstoß.

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Ein Viertel auch für Frankreich?

Frankreich könnte ein weiteres Viertel übernehmen. Außerdem hätten Kroatien, Finnland, Irland, Litauen, Luxemburg und Portugal ihre Beteiligung zugesagt, hieß es nach dem Treffen der Innenminister in Malta.

Für eine derartige Zusammenarbeit seien nun „klare Vorgaben für die Verfahren“ und „klare Fristen“ für die Verteilung der Flüchtlinge erarbeitet worden, sagte Seehofer. Über die genaue Höhe der Verteilungsquoten müsse noch diskutiert werden, weil sie von der Zahl der beteiligten EU-Länder abhänge.

Der Druck vor allem auf die Mittelmeer-Staaten wie Malta und Italien ist groß. Denn bisher läuft es so: Landet ein Schiff mit geretteten Flüchtlingen und Migranten in einem Hafen in Italien, Malta oder Spanien, telefonieren Innenminister und EU-Kommission umher und fragen nach Regierung, die sich zur Aufnahme von Geretteten bereiterklären. Oftmals sitzen die Menschen eine lange Zeit in Lagern in den Hafenstädten.

Menschen müssen wochenlang auf dem Meer ausharren

In anderen Fällen, die für Schlagzeilen sorgten, müssen gerettete Migranten teils wochenlang an Bord ziviler Rettungsschiffe im zentralen Mittelmeer ausharren, weil Italien und Malta den Schiffen die Einfahrt in ihre Häfen verbieten.

Sie befürchten, mit der Verantwortung für die Migranten alleine gelassen zu werden, und fordern deshalb, dass andere EU-Staaten die Menschen abnehmen. Erst nach dieser Zusage sind sie bereit, ihre Häfen zu öffnen.

Innenminister Seehofer will nicht in jedem Fall eines Schiffs mit Geretteten einen Notfallplan ins Leben rufen. Der CSU-Politiker drängt stattdessen auf einen verlässlichen Mechanismus, der in diesen Krisenlagen greift. Mit verlässlichen Aufnahmequoten der EU-Staaten.

Lob von Sea-Watch

Für diese erste Einigung in Malta gibt es nun zunächst Lob, sogar von der politischen Konkurrenz – obwohl die Details noch unklar sind. „Es ist ein positives Signal der humanitären Verantwortung und der europäischen Zusammenarbeit, dass sich auf Malta vier Staaten zur festen Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen bereit erklären“, sagten die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Eva Högl und Achim Post. Innenminister Seehofer habe „die Zeichen der Zeit richtig erkannt“, indem er auf gemeinsame Lösungen mit der neuen italienischen Regierung setze.

Auch die Hilfsorganisation Sea-Watch begrüßt den Beschluss von Malta. „Klar“ sei aber auch, dass „die Verteilung Geretteter bedingungslos“ sein müsse und „schnellstmöglich im nächsten sicheren Hafen stattfinden“ müsse.

Auch Finnland, das derzeit den Vorsitz der EU-Staaten innehat, und die EU-Kommission waren bei dem Gipfeltreffen in Malta vertreten. Die EU streitet seit Jahren über den Umgang mit Migranten, die im Mittelmeer aus seeuntüchtigen Booten gerettet werden. Hintergrund ist, dass es wegen des Widerstands von Ländern wie Polen und Ungarn bislang kein System zur gerechten Verteilung von Flüchtlingen gibt. (mit Material von dpa)

Hitzig diskutiert wird derzeit auch über den EU-Türkei-Deal: Warum Berlin den Druck auf Athen erhöht. (mit Material von dpa/les)