Brüssel. Einige wichtige Ziele hat der G7-Gipfel in Elmau erreicht, vor allem zur Ukraine-Krise. Aber ein Versäumnis bleibt, meint unser Autor.

Diese Premiere ist dem Bundeskanzler gelungen: Als Gastgeber des G7-Gipfels hat Olaf Scholz sein Land nicht nur auf dem roten Teppich gut repräsentiert – hinter verschlossenen Türen hat der Kanzler auch leise und beharrlich fast alle zentralen Ziele des Spitzentreffens erreicht. Man kann vieles kritisieren an den aufwendigen Treffen des exklusiven G7-Zirkels, aber diesmal hat sich der Aufwand gelohnt.

Am Ende gab es sogar klaren Rückhalt für den Kanzler-Vorschlag eines Klima-Clubs, der vielen Staaten den Kampf gegen die Erderwärmung erleichtern könnte, weil er wirtschaftliche Nachteile bei besonders ambitioniertem Klimaschutz verhindern soll.

Vor allem aber ist dieses Versprechen erfüllt: Die wirtschaftsstärksten Demokratien des Westens haben in der Ukraine-Krise ihre Einigkeit bewahrt. Geschlossen wollen sie den russischen Präsidenten Putin mit zusätzlichen Sanktionen unter Druck setzen, der Ukraine mit Waffen und Geld helfen, solange es nötig ist – also vermutlich sehr lange.

In den kleinen Runden wurde indes deutlich, wie groß der Druck ist, der auf den Regierungen durch explodierende Energiepreise, hohe Inflationsraten, eine drohende Rezession und nun auch noch durch den Ausblick auf gefährliche Gasknappheit im nächsten Winter lastet. Putins Kalkül, die westlichen Staaten würden dem Druck nicht standhalten und ihre Sanktionspolitik rasch aufweichen, ist trotzdem nicht aufgegangen.

Bei den Sanktionen gegen Russland muss Sorgfalt vor Tempo gehen

Allerdings ist keineswegs ausgemacht, dass es bei dieser Einigkeit bleibt. Der nächste Winter wird zur großen Belastungsprobe für die westlichen Staaten. Es war deshalb gut, dass der Gipfel einige besonders heikle Sanktionsschritte, die US-Präsident Biden in Elmau voreilig ankündigen ließ, erst mal gründlich prüfen will.

Wie Bidens Vorstoß zu einer erzwungenen Preisobergrenze für russisches Öl funktionieren könnte, ohne neue Verwerfungen zu verursachen, blieb in Elmau unbeantwortet. Sorgfalt muss bei Sanktionen jetzt vor Tempo gehen, nur so sind Kollateralschäden zu minimieren.

Christian Kerl, EU-Korrespondent.
Christian Kerl, EU-Korrespondent. © Privat

Dauerhaft kann der Westen Putin ohnehin nur in die Knie zwingen, wenn er global mehr Verbündete findet: Noch denken wichtige Staaten Asiens und Afrikas gar nicht daran, sich der Sanktionspolitik Europas und Nordamerikas anzuschließen. China und Indien konterkarieren sogar die Energiebeschlüsse der G7, indem sie Russland nun mehr und günstig Öl und Gas abkaufen. So isoliert, wie man im Westen glaubte, ist Putin nicht. Auch einige der nach Elmau geladenen Staatschefs enthielten sich in der UN-Vollversammlung, als es darum ging, den russischen Einmarsch zu verurteilen.

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Ein gutes Beispiel, wie Deutschland Führung zeigen kann

Dass Scholz hier ansetzte und Länder des globalen Südens demonstrativ mit an den Tisch holte, war eine gute Idee – und obendrein ein Beispiel, wie Deutschland Führung zeigen kann mit klugen Kooperationsangeboten, ohne sich in seinen Ambitionen zu überheben. Kurzfristiger Erfolg war nicht zu erwarten.

 Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Abschluss-Pressekonferenz zum G-7-Gipfels auf Schloß Elmau.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Abschluss-Pressekonferenz zum G-7-Gipfels auf Schloß Elmau. © dpa | Peter Kneffel

Viele Entwicklungsländer fahren gut damit, dass sie plötzlich von allen Seiten heftig umworben werden. Aber es muss dennoch alles versucht werden, demokratische Staaten aus jenem Block zu lösen, den die autoritären Regime Russlands und Chinas gerade zu schmieden versuchen.

Geduldige Vertrauensarbeit ist gefragt und Glaubwürdigkeit. Da aber wäre in Elmau mehr möglich und nötig gewesen: Für das drängende Problem einer Hungerkrise als Folge des Ukraine-Kriegs, die viele Länder Afrikas und Asiens jetzt bedroht, fand der Gipfel keine überzeugende Antwort.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.