Berlin. Firmen lassen ihre Textilien häufig in Ländern unter schlechten Bedingungen produzieren. Ein Siegel soll nun faire Produkte zeigen.

In der Lebensmittelindustrie sind Siegel, zum Beispiel für Bio- oder Fair-Trade-Produkte mittlerweile gang und gäbe. Nun wird auch ein Siegel für Kleidung eingeführt, die unter Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards hergestellt wurden: der „Grüne Knopf“.

An diesem Montag gibt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in Berlin den offiziellen Startschuss für den „Grünen Knopf“. Das neue staatliche Siegel wird dann an die ersten Bekleidungsfirmen vergeben, die ihre Textilien unter strengen sozialen und ökologischen Standards herstellen lassen.

Sie verpflichten sich etwa, dass bei der Produktion Mindestlöhne gezahlt werden, Kinderarbeit ausgeschlossen ist und bestimmte Gesundheits- und Sicherheitsstandards eingehalten werden.

Auslöser für die Einführung dieses Siegels ist der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei dem vor sechs Jahren mehr als 1100 Menschen ums Leben gekommen waren. Müller hatte das Unglück als Weckruf für Wirtschaft und Politik gewertet, sich stärker für sichere und faire Arbeitsbedingungen in der Textilwirtschaft einzusetzen. Denn weltweit arbeiten in der Branche bis zu 150 Millionen Menschen unter oftmals erbärmlichen Bedingungen.

Bangladesch, Dhaka: 2013 war die Textilfabrik Rana Plaza eingestürzt. Mehr als 1130 Menschen kamen ums Leben.
Bangladesch, Dhaka: 2013 war die Textilfabrik Rana Plaza eingestürzt. Mehr als 1130 Menschen kamen ums Leben. © dpa | Abir Abdullah

Grüner Knopf ist umstritten – vor allem in der Modeindustrie

„Alle haben gesagt, man kann keine komplette Lieferkette bis in den Laden durchzertifizieren. Wir beweisen jetzt am Beispiel von Textilien: Es geht eben doch“, sagte Müller der „Augsburger Allgemeinen“. Deutschland könne es sich nicht leisten, die Bedingungen in Billiglohnländern auszublenden. Teurer sollen die Kleidungsstücke für die Kunden durch das Siegel nicht werden.

Doch Müllers Projekt ist umstritten – vor allem die deutsche Textilbranche hält den „Grünen Knopf“ für überflüssig. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das neue Siegel.

Wer bekommt den „Grünen Knopf“?

Die Produzenten von Kleidungsstücken – aber auch von Matratzen, Bettwäsche oder Rucksäcken – verpflichten sich zur Einhaltung von 26 Sozial- und Umweltstandards. So müssen bei der Herstellung der Produkte Mindestlöhne gezahlt werden und ausreichende Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet sein. Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind ebenso ausgeschlossen wie der Einsatz gefährlicher Chemikalien.

Außerdem muss ein Unternehmen als Ganzes seine Sorgfaltspflichten anhand von 20 Kriterien nachweisen. In der Startphase werden allerdings nur die Produktionsschritte Nähen und Zuschneiden sowie Färben und Bleichen in den Blick genommen. Das Spinnen und Weben sowie die Produktion von Rohstoffen wie Baumwolle sollen erst zwei Jahre später hinzu kommen.

Gibt es nicht bereits zahlreiche ähnliche Siegel und Labels?

Als Reaktion auf das Rana-Plaza-Unglück war 2014 in Deutschland das Textilbündnis gegründet worden, in dem sich Modefirmen wie Esprit und Handelsketten wie H&M zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und mehr Umweltschutz bekennen. Dem Bündnis haben sich allerdings nur 50 Prozent der Branche angeschlossen.

Darüber hinaus gibt es bereits heute zahlreiche Siegel wie „Fairtrade“ oder das EU-„Ecolabel“, die jedoch nur einzelne soziale oder ökologische Aspekte abdecken. Müller spricht beim „Grünen Knopf“ für nachhaltige Mode deshalb von einem übergreifenden „Meta-Siegel“.

Wie steht die Textilbranche zum „Grünen Knopf“?

Der offizielle Branchenverband textil+mode lehnt das Label ab. Zum einen produziere die deutsche Modeindustrie bereits nach höchsten Umwelt- und Sozialstandards. Zum anderen sei ein nationales Siegel in einer globalen Industrie in sich widersprüchlich – zumal es schon jetzt diverse anerkannte Qualitätssiegel gebe. Trotzdem hatten sich nach Ministeriumsangaben bis Ende August bereits mehr als 50 Firmen der Vorprüfung für den „Grünen Knopf“ unterzogen – vom Ein-Frau-Betrieb bis zum multinationalen Unternehmen.

Wie stehen Entwicklungsorganisationen zum Vorhaben?

Grundsätzlich wohlwollend, auch wenn ihnen Müllers Pläne noch nicht weit genug gehen. Thilo Hoppe von „Brot für die Welt“ etwa würde gesetzliche Regelungen vorziehen, räumt allerdings ein, dass dies in der Bundesregierung sehr umstritten ist. Als staatliches Meta-Siegel hat der „Grüne Knopf“ seiner Einschätzung nach eine „neue Qualität“ und könnte deshalb besonders im Beschaffungswesen von Bund, Ländern und Gemeinden eine wichtige Rolle spielen.

Kritisch sieht er allerdings, dass einige Stufen der Lieferkette – wie Anbau und Ernte der Baumwolle – vorerst außen vor bleiben. Die Kriterien müssten weiterentwickelt werden, „bis sie alle Stufen der Lieferkette umfassen und auch existenzsichernde Löhne beinhalten“. (dpa/jei)