Berlin/Hamburg. Er stellte sich als erfolgreichen Berater da und besaß eine Waffe: Der mutmaßliche Amokschütze von Hamburg. Was über ihn bekannt ist.

Am Donnerstagabend drang ein 35-Jähriger Mann in einen Hamburger Gemeindesaal der Zeugen Jehovas ein und feuerte über 100 Schüsse ab, bevor er sich selbst das Leben nahm. Nach der blutigen Tat steht die Stadt unter Schock, der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) spricht von einer Amoktat. Am Freitagmittag steht fest: Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um Philipp F. Insgesamt kamen bei der Tat acht Menschen ums Leben – darunter ist auch ein ungeborenes Kind sowie der mutmaßliche Täter selbst. Acht weitere Menschen wurden teils schwer verletzt.

Amoklauf in Hamburg: Was bisher über den Täter bekannt ist

Philipp F. war ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehovas. Auf seiner eigenen Homepage und seinem LinkedIn-Profil, die beide am Freitagnachmittag noch online waren, gab er sich als Berater aus – zu teils extrem hohen Preisen. Geboren wurde F. nach eigenen Angaben auf seiner Webseite im bayerischen Memmingen. Aufgewachsen sei er dann in Kempten im Allgäu, in einem "streng evangelischen Haushalt". Anschließend machte er zunächst eine Banklehre und studierte dann Betriebswirtschaftslehre.

Für seine Dienstleistungen als Berater in unterschiedlichen Bereichen verlangte er eine "minimale tägliche Rate" von 250.000 Euro plus Mehrwertsteuer ein völlig branchenunüblicher Mondpreis. Auf seiner Homepage betitelte er sich unter anderem als "bekennender Europäer".

Philipp F. war laut Angaben der Ermittler ledig und lebte sowie arbeitete seit 2014 in Hamburg. Er hatte die Zeugen Jehovas nach Informationen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde vor eineinhalb Jahren freiwillig verlassen – offenbar jedoch nicht im Guten.

Hamburg: Großeinsatz nach Amoklauf bei Zeugen Jehovas

Bestatter bringen eine abgedeckte Bahre zu ihrem Fahrzeug am Gebäude der Zeugen Jehovas im Stadtteil Hamburg-Alsterdorf. Bei Schüssen während einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas sind am Donnerstagabend mehrere Menschen getötet und einige Personen verletzt worden.
Bestatter bringen eine abgedeckte Bahre zu ihrem Fahrzeug am Gebäude der Zeugen Jehovas im Stadtteil Hamburg-Alsterdorf. Bei Schüssen während einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas sind am Donnerstagabend mehrere Menschen getötet und einige Personen verletzt worden. © Markus Scholz/dpa | Markus Scholz/dpa
Polizisten stehen am Freitagmorgen vor einem Gebäude der Zeugen Jehovas. Dort wurden am Donnerstag bei einem Amoklauf mehrere Menschen getötet.
Polizisten stehen am Freitagmorgen vor einem Gebäude der Zeugen Jehovas. Dort wurden am Donnerstag bei einem Amoklauf mehrere Menschen getötet. © Jonas Walzberg/dpa
Tatort des Amoklaufs war ein Gebäude der Glaubensgemeinschaft im Hamburger Stadtteil Groß Borstel.
Tatort des Amoklaufs war ein Gebäude der Glaubensgemeinschaft im Hamburger Stadtteil Groß Borstel. © epd
Noch in der Nacht haben sich Pressevertreter am Tatort versammelt.
Noch in der Nacht haben sich Pressevertreter am Tatort versammelt. © Michael Arning
Zahlreiche Polizisten waren aufgrund des Amoklaufs im Einsatz.
Zahlreiche Polizisten waren aufgrund des Amoklaufs im Einsatz. © Jonas Walzberg/dpa
Zum Teil waren die Einsatzkräfte schwer bewaffnet.
Zum Teil waren die Einsatzkräfte schwer bewaffnet. © Jonas Walzberg/dpa
Ermittler der Spurensicherung stehen vor den Gemeinderäumen der Zeugen Jehovas in Hamburg.
Ermittler der Spurensicherung stehen vor den Gemeinderäumen der Zeugen Jehovas in Hamburg. © Steven Hutchings/Tnn/dpa
In der Nacht liefen die Arbeiten der Polizei am Tatort auf Hochtouren.
In der Nacht liefen die Arbeiten der Polizei am Tatort auf Hochtouren. © Daniel Bockwoldt/picture alliance/dpa
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Amoklauf bei Zeugen Jehovas: Tatverdächtiger war Einzeltäter

Bei der Tatwaffe handelte es sich nach Angaben der Ermittler um eine halbautomatische Pistole des Typs Heckler und Koch P30. Philipp F. war seit Dezember 2022 im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis als Sportschütze. Am Tatort wurden insgesamt neun leere Magazine aufgefunden, 20 weitere volle Magazine trug F. in einem Rucksack bei sich, zwei am Körper.

Auch in seiner Wohnung wurde Munition gefunden. Der Leiter der Staatsanwaltschaft, Ralf Peter Anders, sprach am Freitag von 15 geladenen Magazinen mit jeweils 15 Patronen und vier Schachteln Munition mit weiteren 200 Patronen. Die Wohnung von F. war bereits wenige Stunden nach der Tat durchsucht worden. Sichergestellt wurden außerdem Laptops und Smartphones, die noch ausgewertet werden.

Die Polizei geht davon aus, dass der 35-Jährige alleine gehandelt hat. Nachdem F. den Ermittlern zufolge zunächst vor dem Gebäude der Zeugen Jehovas auf eine Frau in einem Auto geschossen hatte, verschaffte er sich anschließend gewaltsam und unter Schusswaffengebrauch Zugang zu dem Haus. Nach dem Eintreffen der Einsatzkräfte war er in das Obergeschoss des Gebäudes geflohen und hatte sich dort schließlich selbst das Leben genommen.

Anonymes Schreiben mit Hinweis auf Philipp F.

Den Behörden war F. nicht als Extremist bekannt. Im Januar hatte die Waffenbehörde nach Angaben des Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer allerdings ein anonymes Schreiben erhalten, in dem eine Überprüfung von F. gefordert worden war. Dabei sei es um eine mögliche psychische Erkrankung des 35-Jährigen gegangen, die allerdings nicht ärztlich diagnostiziert worden sei. F. solle demnach einen besonderen Hass auf religiöse Anhänger, besonders die Zeugen Jehovas, und seinen ehemaligen Arbeitgeber gehabt haben.

Anfang Januar sei F. daraufhin unangekündigt von zwei Beamten der Waffenbehörde kontrolliert worden. Dabei habe es sich um eine Standard-Kontrolle gehandelt, bei der der mutmaßliche Täter sich kooperativ verhalten habe. Da es dabei keine Beanstandungen gegeben hatte, seien die rechtlichen Möglichkeiten damit ausgeschöpft gewesen.

Hinweise auf die wirre Gedankenwelt des mutmaßlichen Täters liefert auch ein Buch, das er selbst verfasst haben will. Auf seiner Homepage verweist F. auf das englischssprachige Werk mit dem Titel "The Truth About God, Jesus Christ and Satan: A New Reflected View of Epochal Dimensions", auf deutsch: "Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan: Eine neue Reflektion von epochaler Bedeutung". Auf knapp 300 Seiten liefert er darin eine Zusammenfassung seiner teils bizarren Überzeugungen und schreibt unter anderem von "Engeln", von Mächten, die die das Leben auf der Erde steuerten, aber auch von den Weltkriegen und der Rolle der Frau.

(csr)