Berlin. Sie versprechen Mädchen die große Liebe – und treiben sie in die Prostitution: Immer mehr „Loverboys“ beschäftigen die Behörden.

Sie machen minderjährigen Mädchen große Versprechungen – und nutzen sie später skrupellos aus: Täter, die Mädchen und junge Frauen mit der „Loverboy“-Methode in emotionale Abhängigkeiten und in die Prostitution zwingen, beschäftigen Eltern, Helfer und Behörden immer öfter. Am Freitag sind „Loverboys“ daher Thema im nordrhein-westfälischen Landtag.

Im Vorfeld einer Expertenanhörung in dem Parlament haben Eltern, Opfer und Sachverständige bereits eine bessere Aufklärung junger Mädchen in Schulen gefordert. Der Gutachter Jürgen Antoni empfiehlt ein breit angelegtes Aufklärungskonzept in den Schulen schon ab der siebten Klasse.

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts wurden 2016 und 2017 nur je zwei Fälle von Menschenhandel mit der „Loverboy“-Methode bekannt, 2018 waren es drei Fälle. Gutachter Antoni rechnet allerdings mit einer „extrem hohen Dunkelziffer“ – auch weil die „Loverboy“-Methode in der Kriminalstatistik nicht gesondert erfasst werde. Das Bundeskriminalamt (BKA) geht in seiner Auswertung 2017 davon aus, dass bundesweit die „Loverboy“-Masche bei mehr als einem Viertel der Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung angewendet wurde.

„Loverboys“ zwingen ihre Opfer in die Prostitution

Bei der „Loverboy“-Masche spielen Täter minderjährigen Mädchen eine Liebesbeziehung vor, treiben sie so in eine emotionale Abhängigkeit, um sie dann in die Prostitution zu führen. Oft entstehen diese vermeintlichen Liebesbeziehungen über soziale Netzwerke.

„Loverboys sprechen von der großen Liebe, machen großzügige Geschenke, schleichen sich in den Freundeskreis ein, suchen sich ihre Opfer vor Schulen, in der Nähe von Jugendtreffs oder im Web“, sagt Gutachter Jürgen Antoni. Opfer seien „Mädchen aus ganz normalen Familien“.

Auch Sandra Norak, die am Freitag im NRW-Landtag angehört wird, glaubte einem „Loverboy“, als er von Liebe redete. Sie kritisiert jetzt, dass die Opfer häufig stigmatisiert würden mit Anmerkungen wie „Du warst doch naiv“. Damit würde dem Opfer „mehr oder weniger die Verantwortung an der an ihm begangenen Straftat zugeschoben“.

„Loverboy“-Opfer sehen sich oft nicht als Opfer

Ein Kernproblem sei auch, dass sich viele Betroffene nicht als Opfer sehen, dass sie sogar die Entscheidung zur Prostitution als freiwillig wahrnehmen – und dass sie in ihrer blinden Liebe diejenigen schützen, die sie dazu zwingen. „Eine Opferaussage zu bekommen, ist hier nahezu unmöglich“, sagt Norak.

Das bestätigt auch der Bielefelder Verein „Mädchenhaus“: Es sei fast unmöglich, einem Opfer zu helfen, wenn es nicht selbst die Initiative zum Ausstieg ergreife. Und wenn die Betroffene schon volljährig sei, werde es besonders schwierig, sie zum Ausstieg zu bewegen.

(dpa/ba)