Berlin. Die Vergiftungswelle an Irans Mädchenschulen hält an. Erst blockiert das Regime jede Untersuchung, nun nennt es vermeintlich Schuldige.

Aufgebrachte Eltern warten vor den Schulen auf Antworten, es herrschen Angst, Wut und Fassungslosigkeit. Die Welle von mutmaßlichen Vergiftungen an iranischen Mädchenschulen reißt nicht ab. Auch am vergangenen Wochenende werden erneut Videos in den sozialen Medien von Mädchen veröffentlicht, die über Übelkeit, Herzrasen sowie Magen- und Kopfschmerzen klagen.

Mehr als fünf Monate nach Beginn der regierungskritischen Proteste im Iran sind hunderte Schülerinnen aufgrund mutmaßlicher Vergiftungen erkrankt, viele von ihnen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Verlässliche Berichte über lebensgefährliche Krankheitsverläufe oder gar Todesfälle gibt es nicht. Erst am Samstag hatte der iranische Innenminister Ahmad Wahidi gesagt, dass es zu derartigen Vergiftungen an mindestens 52 Schulen im ganzen Land gekommen sei. Betroffen sind 21 der 30 iranischen Provinzen.

Außenministerin Baerbock fordert lückenlose Aufklärung

International wächst die Sorge, auch weil die Ursache nach wie vor ungeklärt ist. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) forderte im Kurznachrichtendienst Twitter, alle Fälle müssten lückenlos aufgeklärt werden. Die US-Regierung nannte die Vorfälle besorgniserregend und forderte eine Untersuchung.

Augenzeugen berichten von giftigen Dämpfen in Klassenzimmern, die von den Schülerinnen eingeatmet worden seien. Die ersten Vorfälle wurden im November aus der Stadt Ghom gemeldet. Damals waren die landesweiten Proteste gegen die Führung in Teheran bereits im vollen Gange. An den Kundgebungen hatten auch viele Schülerinnen teilgenommen. Sie waren durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini ausgelöst worden, die am 16. September 2022 starb, nachdem die Sittenpolizei sie in Teheran wegen eines Verstoßes gegen die strikte Kleiderordnung festgenommen hatte. Seitdem ist das Land in Aufruhr.

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Regime: Schließung von Mädchenschulen soll erzwungen werden

Jetzt meldete sich das geistliche und staatliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei zu Wort. Er bezeichnete die Vergiftungen von Schülerinnen als „unverzeihliche Verbrechen“. Die Behörden müssten die Fälle ernsthaft verfolgen, sagte Khamenei laut Staatsmedien am Montag. „Die Täter sollten streng bestraft werden.“

Als mögliches Motiv hatte ein Regierungsvertreter zuvor erklärt, dass mit den mutmaßlich vorsätzlichen Angriffen vermutlich die Schließung von Mädchenschulen erzwungen werden solle. Der Vize-Gesundheitsminister Junes Panahi sagte laut Nachrichtenagentur Irna, nach den Vergiftungsfällen in Ghom sei festgestellt worden, „dass einige Leute wollten, dass alle Schulen, insbesondere die Mädchenschulen, geschlossen werden“. Die „Fars News Agency“, die Nachrichtenagentur der Revolutionsgarde, verdächtigt die iranische Oppositionsbewegung der Volksmudschahedin (MEK), für die Angriffe verantworten zu sein.

Vor allem aber Exil-Iraner sind überzeugt, dass das „iranische Regime hinter diesem organisierten Verbrechen steckt“. Exil-Aktivist Reza Rouchi sagte der Frankfurter Rundschau: „Das Regime hat zunächst alles geleugnet, mit staatlichen Mitteln jegliche eingehenden Untersuchungen verhindert und hat auch bis heute kein Ergebnis der versprochenen Untersuchungen veröffentlicht.“ Es ginge darum, Angst zu verbreiten, heißt es. (mit afp)

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