Berlin. Gesundheitsminister Spahn hat seine Covid-Erkrankung überstanden und warnt unverändert eindringlich vor der Ausbreitung des Virus.

Jung, gesund, stabile Konstitution: Jens Spahn ist kein Risikopatient – und muss sich schon qua Amt in puncto Maske und Abstand vorbildlich verhalten. Gerade deshalb war die Covid-19-Erkrankung des 40-jährigen Gesundheitsministers ein Symbol für die Unberechenbarkeit des Virus: Es kann jeden treffen.

Und nicht alle kommen so glimpflich davon. Spahn gehört zu den mehr als 370.000 Genesenen. „Es ist immer etwas anderes, etwas zehn Monate lang politisch zu besprechen oder es selbst zu haben“, sagte der CDU-Politiker am Dienstag bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Erkrankung. Isolation, Quarantäne und Sorge, also das, was aktuell Hunderttausende Infizierte oder gefährdete Menschen erleben würden, das sei eine „enorme“ Einschränkung. Er sei jetzt aber vor allem „demütig und dankbar, wie es verlaufen ist“.

Am vorletzten Mittwoch hatte sich Spahn nach der Kabinettssitzung krank gefühlt, ein schneller Test zeigte: Der Minister hat das Virus. Er tat, was man tun muss: Frühestens zehn Tage nach Symptombeginn und nur dann, wenn man 48 Stunden lang symptomfrei ist, darf man wieder raus aus der Isolation.

Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Berlin. Der Bundesgesundheitsminister sprach erstmals seit seiner Corona-Infektion wieder in der Bundespressekonferenz.
Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Berlin. Der Bundesgesundheitsminister sprach erstmals seit seiner Corona-Infektion wieder in der Bundespressekonferenz. © imago images/photothek | Thomas Trutschel/photothek.de via www.imago-images.de

Corona-Infektion: Spahn weiß nicht, wo er sich angesteckt hat

Seit diesem Montag ist Spahn wieder zurück. Richtig weg war er die ganze Zeit nicht: Weil der Minister nur Erkältungssymptome hatte, konnte er im Homeoffice weiterarbeiten, nahm per Videoschalte an Kabinettssitzungen teil und gab Fernsehinterviews. An diesem Dienstagmittag sitzt er mit gesunder Gesichtsfarbe dort, wo 24 Stunden vorher die Kanzlerin saß: Im großen Raum der Bundespressekonferenz: „Ich sitze hier nicht nur als Gesundheitsminister. Ich sitze hier als wieder genesener Covid-Patient“, beginnt Spahn.

Er habe einen milden Verlauf gehabt – die entscheidende Frage aber sei noch immer offen: „Ich könnte ihnen nicht sagen, wo ich mich angesteckt habe, ich wäre einer von den 75 Prozent, die nicht wissen, wo sie sich angesteckt haben.“

Es ist der zweite Tag des neuen Lockdowns. Das Robert-Koch-Institut meldet an diesem Morgen 131 neue Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die Zahl der Neuinfektionen liegt bei 15.352 Fällen, das RKI geht weiterhin von einem exponentiellen Wachstum aus. In zwei Wochen wollen die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten die Wirkung der neuen Kontaktbeschränkungen, der geschlossenen Bars, Restaurants und Kinos bewerten. Was, wenn sich bis dahin an den Zahlen gar nichts ändert?

Spahn warnt vor steigender Zahl der Intensivpatienten

Spahn geht davon aus, dass die Zahl der Intensivpatienten in den nächsten zwei bis drei Wochen noch steigen wird – er hält sich da an die Einschätzung der Experten in den Kliniken. Die beobachten in dieser zweiten Welle zudem, dass sich anders als im Frühjahr auch die Normalstationen diesmal schnell mit Covid-Patienten füllen. Mit Blick auf das nächste Treffen der Kanzlerin mit den Länderchefs am 16. November ist Spahn dennoch vorsichtig optimistisch: Die Maßnahmen hätten Zeit, mehr als zwei Wochen zu wirken – „dann müsste man eigentlich etwas sehen können“. Mindestens bei Zahl und Tempo der Neuinfektionen.

Zuletzt hatte sich die Zahl der Neuinfektionen innerhalb von zehn Tagen verdoppelt. „Sollte das so weitergehen, dann hätten wir Ende Dezember über 400.000 neue Fälle pro Tag“, mahnt RKI-Vizepräsident Lars Schaade, der an diesem Mittag neben Spahn sitzt. „Solange der R-Wert über eins ist, haben wir exponentielles Wachstum“, so Schaade.

Aktuell gebe es zwar einen gewissen Rückgang bei der Reproduktionszahl R, die Kurve werde etwas flacher. Der Wert lag am Montag bei 1,07 (Vortag: 1,13). Ob das allerdings schon eine Trendwende ist, sei noch völlig offen. Das Ziel dagegen ist klar: „R muss deutlich unter eins gehen.“ Und vor allem: lange darunter bleiben. Selbst dann werde es noch Wochen dauern, „bis wir wieder unter 2000 Neuinfektionen kommen“.

Wer bloß Schnupfen und Kopfweh hat, soll nicht getestet werden

Angesichts der immens hohen Zahl der täglichen Neuinfektionen hat das RKI mittlerweile seine Empfehlungen für Corona-Tests geändert – sprich: Regeln aufgestellt, damit nur noch die heikelsten Fälle getestet werden. Die Grenze der deutschen Testlabore liegt bei rund 1,4 Millionen Tests pro Woche – mehr geht nicht, weil Personal und Material begrenzt sind. Getestet werden sollen deswegen laut Schaade nur noch Patienten, die über schwere Symptome wie Husten, Fieber oder den Verlust von Geruch und Geschmack klagen, die ausdrücklich als Risikopatienten gelten oder bei denen die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung hoch ist.

Heißt umgekehrt: Wer bloß Schnupfen und Kopfweh hat, wer bloß einen Verdacht hat, wird leer ausgehen. Ein Vorgehen, dass vor allem in der Erkältungssaison die Labore vor dem Kollaps retten soll: „Um alle Patienten mit Atemwegs- oder Erkältungssymptomen zu testen, müsste man mehr als drei Millionen Tests pro Woche machen.“