Berlin. Den reflexartigen Rufen nach weiteren Waffengattungen folgt Scholz’ Abwehrhaltung. Dabei bleibt die wichtigste Frage ohne Antwort.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine tobt nun schon fast ein Jahr. Er hat unfassbares Leid über die Menschen gebracht, und ein Ende der Kämpfe ist leider nicht abzusehen. Wie denn auch?

Der russische Präsident Wladimir Putin ist längst ein Gefangener seiner eigenen, gefährlichen Kriegslogik, die Niederlagen nicht vorsieht. Er ist umgeben von Ja-Sagern und Claqueuren, die ihn weder bremsen wollen noch können.

Die Ukraine stemmt sich in diesem nahezu aussichtslosen Abwehrkampf gegen die Übermacht Russlands mit allem, was sie hat. Das sind vor allem hochmotivierte Soldaten, die wissen, wofür sie kämpfen. Munition, Waffen, Raketenabwehrsysteme, Panzerfahrzeuge und immer schwereres Gerät kommen zunehmend aus dem Westen.

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Ukraine-Krieg: Die neuen Forderungen kamen reflexartig

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Truppen unter anderem in einem erbarmungslosen Stellungskampf rund um die Region Bachmut stationiert und rechnet mit noch viel Schlimmerem durch die erwartete russische Frühjahrsoffensive. Dafür braucht er alles, was er bekommen kann. Die Forderungen nach noch mehr Panzern, Raketen und Haubitzen, ja auch nach Kampfflugzeugen ist verständlich und wenig überraschend.

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© Reto Klar

Die Reaktion in Deutschland ist es allerdings auch. Gerade erst ist das mühsame und zähe Tauziehen um die Lieferung von Kampfpanzern vorbei, schon kommt fast reflexartig die nächste heikle Forderung. Dabei sind die Leopard-2-Panzer noch nicht einmal geliefert. Reicht es nicht langsam?

Scholz will Deutschland aus dem Krieg heraushalten

Wer solche Fragen stellt, verkennt die Lage und Putins Ziele: Seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland vergleicht der Kreml-Chef immer wieder mit dem Vaterländischen Krieg 1812 gegen Napoleon sowie mit dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Es geht ihm nicht um die Krim oder den Donbass.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Der Bundeskanzler weiß das auch – nur zu gut. Olaf Scholz versucht beharrlich, der Ukraine im Gleichschritt mit den Verbündeten zu helfen und – noch wichtiger - Deutschland aus dem Krieg herauszuhalten. Dafür zieht er immer wieder rote Linien. Und er wird das „No“ von US-Präsident Biden auf die Frage, ob die USA Kampfflugzeuge liefern, gerne gehört haben. Hilfreich sind diese Haltelinien aber nicht. Schon zu oft hatten sie keinen Bestand. Denn was in diesem Krieg noch alles kommen kann und was dann entschieden und getan werden muss, das weiß heute niemand.

Unsere Reporter vor Ort in der Ukraine:

Besonnenheit ist das Gebot der Stunde

Es gilt, einig und besonnen zu bleiben – bei dem, was machbar ist, aber auch bei der Zusammensetzung der täglich länger werdenden Wunschliste der Ukraine. Deshalb setzt der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, auf leisere Töne als sein Vorgänger und macht die Prioritäten der Ukraine klar: gepanzerte Fahrzeuge, Kampfpanzer, Luftabwehrsysteme und Artillerieeinheiten sowie Nachschub an Munition und Waffen. Das wird schwierig genug.

Vor Herbst 2023 werden die USA keine Abrams-Panzer liefern können. Auch Deutschland braucht Zeit, um die versprochenen Leopard-Panzer in die Ukraine zu schaffen und die Soldaten zu schulen. Das Arsenal westlicher Waffen wächst – und damit auch die Probleme an der Front. Schon heute dienen einige der von Deutschland gelieferten Panzerhaubitzen als Ersatzteillager. Der Aufwand, die komplexen Waffensysteme in Schuss zu halten, wird zunehmend größer. Was nützen all die Hightec-Waffen, wenn sie nicht einsatzbereit gehalten werden können?

Je länger die Kämpfe andauern, desto unbequemer werden die Fragen in alle Richtungen. Vor allem eine, die seltsam unberührt bleibt: Wie kann dieser Krieg beendet werden?

LandUkraine
KontinentEuropa
HauptstadtKiew
Fläche603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim)
Einwohnerca. 41 Millionen
StaatsoberhauptPräsident Wolodymyr Selenskyj
RegierungschefMinisterpräsident Denys Schmyhal
Unabhängigkeit24. August 1991 (von der Sowjetunion)
SpracheUkrainisch
WährungHrywnja