Berlin. Die Proteste der „Letzten Generation“ werden stark kritisiert. Unsere Autorin meint, sie zeigen die Verzweiflung ihrer Generation.

Ich bin 26 Jahre alt. Theoretisch könnte ich eine Erderwärmung zwischen 2,2 und 3,5 Grad erleben. Zumindest, wenn wir weitermachen wie bisher. Die Folgen einer solchen Erderwärmung wären dramatisch. Doch es muss nicht so weit kommen: Die Wissenschaft ist sich einig, dass wir die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch abwenden können.

Dafür sind allerdings die kommenden Jahre entscheidend – und die aktuellen Maßnahmen nicht ausreichend. Das zeigte erst kürzlich der Bericht des Expertenrats für Klimafragen. Das Ergebnis: Es ist unwahrscheinlich, dass Deutschland sein Klima-Ziel, den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, noch erreichen kann. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir die extremen Folgen der Klimakrise noch abwenden möchten.

Letzte Generation: Proteste zeigen die Verzweiflung

Genau dafür kämpfen auch die Aktivistinnen und Aktivisten der „Letzten Generation“. Sie fordern härtere Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung. Dafür sind viele von ihnen bereits vorher auf die Straßen gegangen, haben etwa bei Fridays for Future demonstriert – allerdings nur mit geringem Erfolg. Also, so sagen es einige von ihnen, sähen sie sich gezwungen, auf radikalere Protestformen zu setzen.

Über die Mittel, die die Aktivistinnen und Aktivisten dabei wählen, lässt sich streiten. Und es ist auch klar, dass bei den Protesten keine Menschen zu Schaden kommen dürfen. Auch sollte und darf Sachbeschädigung kritisch gesehen werden. Doch was die Proteste vor allem zeigen, ist: Verzweiflung. Die meisten der, in vielen Fällen jungen, Menschen, die sich auf den Straßen festkleben, stören den Verkehr wahrscheinlich nicht, weil es ihnen Spaß macht, sondern weil sie keine andere Möglichkeit mehr sehen, die Politik auf die Angst der jungen Generationen vor den Folgen der Klimakrise aufmerksam zu machen. Und diese Angst ist eine, die ich, genauso wie viele anderen Menschen in meinem Alter, sehr gut kennen.

Lesen Sie auch: Klimakonferenz in Ägypten – 1,5-Grad-Ziel noch erreichbar?

Debatte sollte sich mehr auf die Klimakrise fokussieren

Regelmäßig erreichen uns Bilder von brennenden Regenwäldern, Überschwemmungen und Dürren, immer wieder werden wir mit neuen düsteren Klima-Szenarien konfrontiert. Es macht Angst, dass wir nicht genau wissen, ob wir es noch schaffen, die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Und je knapper der Zeitraum wird, in dem noch Maßnahmen ergriffen werden können, desto größer wird die Verzweiflung darüber, dass nicht genug getan wird.

Carlotta Sophia Richter kann die Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ verstehen.
Carlotta Sophia Richter kann die Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ verstehen. © Privat | Privat

Der Klimawandel ist allerdings kein Thema, das nur meine Generation beschäftigt. In einer Umfrage des „Spiegel“ gab eine Mehrheit der Befragten an, dass die Bundesregierung ihrer Auffassung nach aktuell nicht genug tun würde, um die Menschen vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Gleichzeitig waren 86 Prozent der Meinung, dass die aktuellen Proteste zu weit gingen. Das ist ein irritierender Widerspruch, denn eigentlich sitzen wir doch alle im gleichen Boot.

Nicht der Protest ist wichtig, sondern der Klimaschutz

Anstatt darüber zu diskutieren, welche Protestform die richtige wäre, sollten wir lieber darüber sprechen, wie wir den Klimaschutz vorantreiben können. Wenn alle, die sich über die Protestierenden aufregen, ihren Ärger stattdessen auf die immer noch zu geringen Klimamaßnahmen richten würden, dann wären wir hier vielleicht schon ein gutes Stück weiter. Denn eines ist klar: Die Folgen des Klimawandels werden uns alle mit sehr großer Wahrscheinlichkeit viel stärker einschränken, als es die Menschen auf den Autobahnen aktuell tun.

Dieser Artikel erschien zuerst bei morgenpost.de.