Berlin. Vor dem SPD-Bundesparteitag spricht sich die Europapolitikerin Barley dafür aus, den Koalitionsvertrag in Teilen nachzuverbessern.

Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley erwartet vom Parteitag ein „Zeichen der Geschlossenheit“ – und setzt auf Nachbesserungen des Koalitionsvertrags beim Thema Europa. Mit Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, sprachen wir in Brüssel.

Frau Barley, welche Erwartungen haben Sie an den SPD-Parteitag? Gilt jetzt: Friede, Freude, alles gut?

Katarina Barley: Ich erwarte auf jeden Fall ein Zeichen der Geschlossenheit. Wir haben zur Klärung der Führungsfrage ein sehr aufwendiges Verfahren betrieben und unsere Mitglieder befragt, die haben entschieden: Jetzt sollten auch alle das Ergebnis respektieren und den designierten Vorsitzenden unter die Arme greifen, damit sie erfolgreich sind.

Sie gehörten bislang dem Parteivorstand an. Werden Sie wieder für ein Führungsamt kandidieren?

Ich dränge mich nicht auf, sondern warte ab, ob meine Mitarbeit benötigt wird. Ich habe ja für die europäische SPD ein herausgehobenes Amt als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Ich werde auf jeden Fall meinen Teil dazu beitragen, dass das Ganze jetzt gut funktioniert.

Die beiden designierten Vorsitzenden hatten bislang eher den Eindruck vermittelt, sie wollten schnell raus aus der großen Koalition. Jetzt wollen sie doch keinen sofortigen Ausstieg. Ist dieser Wackelkurs die richtige Strategie?

Wir haben im erweiterten Präsidium über den weiteren Fahrplan mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gesprochen. Beide haben versichert, dass sie eine kritische Überprüfung der Koalition vornehmen werden, aber es sei nie von einem Sofortausstieg die Rede gewesen. Insofern bleiben die beiden bei ihrem Kurs.

Was ist Ihre Position? Lieber drinbleiben in der Koalition – oder reicht es jetzt?

Wir haben schon im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir nach zwei Jahren eine Halbzeitbilanz ziehen. Wir werden jetzt erst mal den neuen SPD-Vorstand wählen. Und dann werden wir auf die Union zugehen, um zu klären, ob die Entwicklung seit 2017 eine Neubewertung bestimmter Fragen im Koalitionsvertrag erfordert. Das werden wir jetzt erst mal tun, gemeinsam.

Was sollte im Koalitionsvertrag nachverhandelt werden?

Aus europapolitischer Sicht wünsche ich mir natürlich, dass die Koalition mehr Akzente beim Thema Europa setzt. Die Bundesregierung sollte sich stärker dafür engagieren, dass es in der EU eine Lösung beim Ringen um die mittelfristige Finanzplanung ab 2021 gibt. Aber auch beim Thema Migration gibt es großen Handlungsbedarf: Das hakt auf EU-Ebene schon viel zu lange, weil sich die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat nicht einigen können. Bei der Frage, wie wir die Flüchtlinge fair auf die Mitgliedstaaten verteilen, muss Deutschland aktiv eine vermittelnde Position zwischen den unterschiedlichen Vorstellungen einnehmen und auf eine Lösung hinwirken.

Kann Olaf Scholz nach seiner Niederlage in der Führungsfrage noch Finanzminister und Vizekanzler bleiben?

Natürlich. Wir leben schließlich in einer Demokratie. Da beziehen sich Ergebnisse von Wahlen auf das jeweilige Amt, aber sie sind keine Urteile über die Person.

Warum haben Sie eigentlich nicht als SPD-Vorsitzende kandidiert?

Ich habe auf dem Parteitag im Dezember vorigen Jahres mit meiner Partei entschieden, dass sich mein komplettes politisches Leben ändert und ich mich jetzt im Europäischen Parlament engagiere, was auch eine Verlagerung meines privaten Lebensmittelpunktes nach sich gezogen hat. Ich habe mich dafür entschieden, von Brüssel aus mit ganzer Kraft an einem sozialen Europa zu arbeiten. Das ließe sich nicht mit dem Amt der Parteivorsitzenden unter einen Hut bringen.

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