Berlin. Der Zusatzbeitrag für die Krankenkasse soll steigen. Je nach Einkommen müssen sich Beitragszahler auf diese Zusatzbeiträge einstelle.

Höhere Preise für Lebensmittel, Tanken, Heizen – und nun auch noch für die Krankenversicherung: Wer gesetzlich versichert ist, muss im nächsten Jahr mit steigenden Zusatzbeiträgen rechnen. Um das Milliardenloch der Krankenkassen zu schließen, will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den durchschnittlichen Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte anheben.

Weil sich in der Regel Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Kosten für den Zusatzbeitrag teilen, kommt auf die Beschäftigten im Durchschnitt ein Plus von 0,15 Prozentpunkten zu. Bei einem Bruttogehalt von 1000 Euro monatlich wären das 1,50 Euro mehr pro Monat, bei 3000 Euro wären es 4,50 Euro. Wer über der Beitragsbemessungsgrenze liegt (Bruttogehalt 4837,50 Euro) zahlt 7,26 Euro pro Monat mehr – und zwar egal, wie weit er über der Grenze liegt.

Wichtig zu wissen: Anders als bei einer Erhöhung des allgemeinen Beitrags sind die Kassen nicht verpflichtet, den Zusatzbeitrag um 0,3 Prozent anzuheben. Sie können drunter bleiben, sie können auch noch mehr verlangen, sie können sogar ganz darauf verzichten – je nach eigener Finanzstärke. Es kann also je nach Kassenzugehörigkeit zu unterschiedlichen Beitragsanpassungen kommen. Der Druck werde so auf die Kassen abgewälzt, heißt es dort. Sie seien es, die ihren Kunden nun die schlechte Nachricht überbringen müssten. Bereits heute unterscheiden sich die einzelnen Kassen deutlich bei der Höhe der verlangten Zusatzbeiträge.

Krankenkassen: Beitragserhöhung ist Teil eines Maßnahmenpakets

Die neue Beitragserhöhung ist Teil eines Maßnahmenpakets, mit dem Lauterbach das für 2023 erwartete Kassen-Defizit von 17 Milliarden Euro füllen will. Mit Hilfe der erhöhten Zusatzbeiträge sollen fünf Milliarden Euro zusammenkommen. Vier Milliarden sollen aus Reserverücklagen der Kassen kommen, weitere zwei Milliarden aus Steuermitteln und eine Milliarde durch ein Darlehen des Bundes. Rund drei Milliarden Euro sollen aus Effizienzverbesserungen gehoben werden.

Unklar ist, ob das Kassenloch am Ende des Jahres nicht noch viel größer ist: Eine weitere Corona-Welle, die Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge – beides lässt sich bislang nur grob kalkulieren. Denkbar ist also, dass der Schätzerkreis im Herbst einen noch höheren Zusatzbeitrag für nötig hält. Aktuell liegt der bei 1,3 Prozent des Bruttolohns. Dazu kommt noch der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer ebenfalls teilen.

Defizit bei Krankenkassen: Lauterbach übt Kritik an Spahn

Lauterbach erklärte am Dienstag, über die geplante Finanzierung des Milliardenlochs der Krankenversicherung habe er lange mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verhandelt. Nun gehe „ein guter Kompromiss“ in die Ressortabstimmung der Bundesregierung. Er teile Lindners Ziele, dass die Schuldenbremse nicht verletzt werden solle, die Steuern nicht erhöht werden sollten und kein Nachtragshaushalt nötig werden solle. Kritik übte Lauterbach an seinem Vorgänger Jens Spahn (CDU).

„Die Bundesregierung hat die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen in einem sehr schwierigen Zustand vorgefunden“, sagte der SPD-Politiker und sprach von einem historischen Defizit. „Ich habe dieses Defizit im Wesentlichen von meinem Vorgänger geerbt.“ Lauterbach erklärte, Spahn habe „teure Leistungsreformen“ gemacht und von Strukturreformen Abstand genommen. Kostentreiber waren unter anderem neue Gesetze für mehr Pflegepersonal in den Kliniken.

CDU-Fraktionsvize Müller sieht Mehrbelastung für Rentner

Die Kassen reagierten enttäuscht: Lauterbachs Vorschläge verschafften der gesetzlichen Krankenversicherung „insgesamt allenfalls eine finanzielle Atempause“, sagte die Vorsitzendes Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen, Doris Pfeiffer. Das Aufbrauchen von Rücklagen sei „keine solide und nachhaltige Finanzierung“. Aus heutiger Sicht sei offen, ob der von der Politik geplante Anstieg der Zusatzbeitragssätze um 0,3 Prozentpunkte tatsächlich ausreiche.

Scharfe Kritik kam von der Opposition: Unionsvize Sepp Müller warf Lauterbach vor, „lediglich die Symptome der fehlenden GKV-Finanzierung behandeln“ zu wollen. „Das Finanzierungsgesetz ist das Papier nicht wert, auf dem es steht, denn es sorgt für höhere Krankenkassenbeiträge und trifft damit unweigerlich alle Bürgerinnen und Bürger, vor allem aber die Geringverdiener“, sagte Müller unserer Redaktion. Eine Ursachenbekämpfung, wie zum Beispiel das Anstoßen einer Krankenhausstrukturreform, liege immer noch nicht auf dem Tisch. Die Ampel sei eine „Teuerkoalition, insbesondere für Rentnerinnen und Rentner sowie die hart arbeitende Mitte“.