Kiew. Oft hat der ukrainische Präsident Selenskyj dem „Terrorstaat“ Russland Kriegsverbrechen vorgeworfen. Nun sieht er sich durch den Haftbefehl für Kremlchef Putin bestätigt. Die Entwicklungen im Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Haftbefehl gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin als eine „historische Entscheidung“ des Internationalen Strafgerichts gelobt.

„Der Anführer eines Terrorstaates und eine weitere russische Amtsträgerin sind offiziell Verdächtige in einem Kriegsverbrechen“, sagte Selenskyj in einer in Kiew verbreiteten Videobotschaft. Der Haftbefehl des Gerichts im niederländischen Den Haag war wegen Verschleppung von Kindern aus besetzten Gebieten in der Ukraine nach Russland ergangen. Auch die US-Regierung begrüßte den Schritt - obwohl sie selbst den Strafgerichtshof nicht anerkennt.

Tausende ukrainische Kinder seien illegal deportiert worden, sagte Selenskyj. Die ukrainischen Behörden hätten mindestens 16.000 Fälle registriert. „Aber die wahre gesamte Zahl der Deportierten könnte viel höher sein“, meinte Selenskyj. Rund 300 Kinder seien bisher zurückgebracht worden in die Ukraine.

Moskau will Kinder in Sicherheit gebracht haben

Moskau bestreitet Kriegsverbrechen und betont, die Kinder seien vor dem Krieg in Sicherheit gebracht worden - der in Russland nur „militärische Spezialoperation“ genannt werden darf. Dagegen wirft die Ukraine dem russischen Aggressor eine zwangsweise „Russifizierung“ der Kinder vor. „Es wäre unmöglich, solch eine kriminelle Operation ohne den Befehl des obersten Anführers des Terrorstaates umzusetzen“, sagte Selenskyj. Er beklagt seit langem, dass Kinder durch Umerziehung und Indoktrinierung ihrer ukrainischen Identität beraubt würden.

„Die Trennung der Kinder von ihren Familien, ihnen jede Möglichkeit des Kontakts mit ihren Angehörigen zu nehmen, sie auf russischem Gebiet zu verstecken, in entfernten Regionen zu verteilen - all das ist offensichtlich russische Staatspolitik, es sind staatliche Entscheidungen, es ist das staatliche Böse“, so Selenskyj. Verantwortlich sei der erste Mann im Staat, meinte er, ohne Putin beim Namen zu nennen.

Selenskyj dankte dem Team um den Chefankläger des Gerichtshofs in Den Haag, Karim Khan, für den Schritt, der es ermögliche, die Schuldigen zu bestrafen. Die Ukraine wiederum werde alles dafür tun, die verschleppten Mädchen und Jungen zurückzuholen, sagte Selenskyj.

Biden hält Haftbefehl für gerechtfertigt

Auch US-Präsident Joe Biden bezeichnete den Haftbefehl gegen Putin als gerechtfertigt. „Ich finde, das macht einen sehr starken Punkt“, sagte Biden laut Angaben von Reportern nach einer Veranstaltung am Freitag in Washington. Putin habe eindeutig Kriegsverbrechen begangen. Allerdings sei der Internationale Strafgerichtshof nicht weltweit anerkannt, „auch nicht von uns“, fügte Biden hinzu.

Neben Russland erkennen auch die USA und China den Gerichtshof nicht an. Als Grund dafür führen Juristen oft an, dass diese Staaten ihre politischen Verantwortlichen und Soldaten vor dem Zugriff der Justiz schützen wollen. Insgesamt haben mehr als 120 Staaten das Römische Statut ratifiziert.

Russische Truppen waren vor gut 13 Monaten auf Putins Befehl in die Ukraine einmarschiert. Im Frühjahr 2014 hatte Moskau bereits die Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert und danach Separatisten in der Ostukraine unterstützt.

Selenskyj dankt Soldaten und der Slowakei

In seiner Videobotschaft dankte Selenskyj den ukrainischen Streitkräften für den Widerstand gegen die russische Invasion. Dabei hob er hervor, dass die Verteidiger in der Nähe der im Moment am stärksten umkämpften Stadt Bachmut im Gebiet Donezk feindliche Stellungen zerstört hätten. Zudem sei die Verteidigung in Richtung Bachmut kräftig verstärkt worden.

Die Schlacht von Bachmut gilt als die bislang blutigste in dem Krieg. Selenskyj hatte stets erklärt, die strategisch wichtige, inzwischen aber weitgehend zerstörte Stadt mit einst 70.000 Einwohnern halten zu wollen, weil ansonsten ein tieferes Eindringen der Russen in die Ukraine möglich sei. Auch in südlicher Richtung nahe Cherson und Saporischschja seien den Besatzern durch entschlossene Gegenwehr spürbare Verluste zugefügt worden.

Zudem informierte Selenskyj über ein Gespräch mit dem slowakischen Regierungschef Eduard Heger und dankte ihm für ein „neues und starkes Paket zur Unterstützung der Verteidigung“. Die Lieferung von Kampfflugzeugen des sowjetischen Typs MiG-29 werde nicht nur der Sicherheit der Ukraine dienen, sondern der ganz Europas.

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Slowakische Opposition protestiert gegen MiG-Abgabe

Die slowakische Regierung hatte am Freitag entschieden, der Ukraine ihre 13 Maschinen des Typs MiG-29 zu übergeben. Der Beschluss löste bei der Opposition in dem EU- und Nato-Land Empörung aus. Mit der Lieferung von Kampfflugzeugen werde die Slowakei selbst in den Krieg verwickelt, kritisierte sie - und ohne Beteiligung des Parlaments dürfe eine außenpolitisch und militärisch so schwerwiegende Entscheidung nicht getroffen werden. Zuvor hatten Umfragen ergeben, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung gegen die Lieferung von Kampfflugzeugen ist.

Was am Samstag wichtig wird

Kremlchef Putin und der Machtapparat in Moskau feiern offiziell den neunten Jahrestag der „Wiedervereinigung“ der Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit Russland. Die Annexion von 2014 wird international als Völkerrechtsbruch betrachtet. Die ukrainische Staatsführung hat immer wieder betont, dass sie eine Befreiung des ukrainischen Gebiets von der russischer Besatzung anstrebt.

Ein eigens angesetztes russisches Festkonzert im Moskauer Luschniki-Stadion zur Feier des Jahrestags ist Medienberichten zufolge abgesagt worden. Grund dafür sei die Angst vor einem Anschlag oder anderen Zwischenfällen. Die russischen Behörden haben dennoch festliche Höhepunkte angekündigt - und die russische Hauptstadt mit Festbeflaggung geschmückt.