Kiel. Hessens Innenminister will vor Kindergärten und Schulen bestimmte Waffen verbieten lassen. Dafür müsste der Bund das Gesetz ändern.

Vor einigen Tagen machte ein Fall aus Hessen Schlagzeilen in den Lokalmedien. Ein Mann verletzte einen Busfahrer schwer. Der Täter flüchtete. Mit großem Einsatz verfolgte die Polizei den Tatverdächtigen. Die Tatwaffe, das war den Ermittlern anhand der Art der Verletzungen schnell klar, war ein Messer.

Innenpolitiker zeigen sich seit einigen Jahren immer wieder alarmiert. Die Angriffe mit Messern nehmen zu, heißt es. Junge Menschen tragen häufiger ein Messer als Waffe bei sich, stellen Kriminologen in Untersuchungen fest. Zur Selbstverteidigung, wie viele Jugendliche sagen. Doch oftmals enden Auseinandersetzungen mit Messern schnell mit schweren Verletzungen.

Messerverbots-Zonen bald an Kitas, Schulen und Bahnhöfen?

Die Innenminister haben bei ihrer gemeinsamen Konferenz Mitte des Monats auf Initiative von Hessen beschlossen, dass die Bundesregierung das Waffenrecht verschärfen soll. Kommt das Gesetz, kann eine Polizeidienststelle in einer Stadt oder einer Kommune „das Mitführen von Messern in sensiblen Bereichen“ untersagen, heißt es in dem Beschluss der Innenminister, der unserer Redaktion vorliegt.

„Sensibel“ sind nach Ansicht der Innenminister Kitas, Schulen und Bahnhöfe. Die Innenminister halten in Kiel fest, dass „Angriffe mit Messern im öffentlichen Raum besonders gefährlich sind und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigen“.

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Verbotszonen nur an Orten, die für Straftaten bekannt sind

Manche Bundesländer haben bereits jetzt die Gesetze verschärft und Verbotszonen markiert. Andere Bundesländer hatten in der Vergangenheit etwa Hauptbahnhöfe zeitweise zu Verbotszonen erklärt und verstärkt kontrolliert. In Hamburg sind Waffen auf der Reeperbahn nicht erlaubt, in Bremen an der sogenannten Discomeile und auf dem Bahnhofsgelände – oftmals sind die Verbote auf die Nacht begrenzt, um nicht „eine Frau beim Shoppen mit ihren Küchenmessern“ anlasslos ins Visier zu nehmen, wie ein Innenpolitiker erklärt.

Doch bisher sind Verbote nur an Orten in der Stadt möglich, die den Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit bereits mit schweren Straftaten und hoher Kriminalität aufgefallen sind. In Hessen, Bremen, aber auch Hamburg haben die Landesregierungen nach eigenen Angaben gute Erfahrungen mit den Verboten gemacht.

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Kritik aus Bayern: Was ist mit Jägern und Sportgruppen?

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer sagt, dass die Polizei in den Verbotszonen bei Kontrollen immer wieder nicht zugelassene Waffen entdecke. Schon jetzt sind bestimmte Typen von Messern wie „Butterfly“ oder Faustmesser verboten. Ausnahmen gelten bei Messern etwa für bestimmte Gruppen wie Handwerker, und generell für Taschenmesser.

Gerade aus Bayern kommt nach Informationen unserer Redaktion jedoch auch Kritik auf: Was ist mit Jägern und etwa Sportgruppen – müssen sie künftig Verbote fürchten und Bußgeld zahlen?

Es soll Ausnahmegenehmigungen geben

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) stößt mit seiner Kritik in eine ähnliche Richtung wie Bayerns Innenminister: „Messerangriffe sind extrem gefährlich“, sagt Reul unserer Redaktion. „Allerdings gibt es hier leider keine einfachen Lösungen. Der Teufel steckt im Detail: Wenn Sie die Innenstädte zu Waffenverbotszonen erklären, dann kann die Oma im Kaufhaus auch kein Messerset mehr kaufen.“

Innenpolitiker, die Waffenverbotszonen forcieren wollen, betonen Ausnahmegenehmigungen, die es geben soll. Damit Polizisten ohne Anlass künftig auch vor Schulen, Kindergärten oder Einkaufszentren Menschen nach Waffen wie Messern durchsuchen dürfen, braucht es gesetzlich bestimmte Verbotszonen. Sonst sind Kontrollen durch die Polizei ohne Anlass nicht erlaubt.

CDU-Politiker: „Dürfen nicht erst auf eine Tat warten“

In der Vergangenheit hatte sich etwa der Hamburger Senat eines Hebels bedient, und kurzzeitig in der Innenstadt ein „Gefahrengebiet“ eingerichtet, um anlasslos zu kontrollieren. Die Maßnahme war umstritten, der Protest war groß. Die Länderminister fordern den Bund nun auf, das Waffengesetz zu ändern.

Hessens Ressortchef und CDU-Mann Peter Beuth sagt unserer Redaktion: „Rund um einen Kindergarten hat jemand mit einem Messer oder gar einer Pistole nichts zu suchen. Dass wir hier nicht erst auf eine Tat warten dürfen, bevor wir diese Orte durch Waffenverbotszonen besonders schützen können, leuchtet Eltern sofort ein.“

Am Ende entscheidet die Polizei vor Ort über Umsetzung

Bremens Senator und SPD-Politiker Ulrich Mäurer sagt: „Je weniger Waffen unterwegs sind, desto besser.“ Ein Minister merkte nach Informationen unserer Redaktion an, dass es zwar einfach und richtig sei, Waffen per Gesetz an Schulen oder Kitas zu verbieten. Nur: Die Polizei müsse dann dort regelmäßig kontrollieren, sonst sei ein Verbot nur eine Luftnummer.

Flächendeckende Kontrollen bedeuteten hohen Aufwand an Zeit und Personal. Der Fokus auf besonders von Kriminalität betroffene Orte in einer Stadt habe sich dagegen bewährt, etwa auf Partymeilen oder im Umfeld von großen Bahnhöfen, so der Minister, der aber keinen Einspruch gegen das Vorhaben seiner Kollegen erhob, auch weil die Entscheidung am Ende den Polizisten vor Ort überlassen bleibt, wo und wann sie Waffenverbotszonen einrichten.

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Aussagekräftige bundesweite Zahlen erst in ein paar Jahren

Einzelne Bundesländer wie Hessen registrieren nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Messerangriffe. Stellte die Polizei 2013 noch 865 Fälle fest, stieg die Zahl der Delikte mit Messern bis 2015 auf 1029 Taten. 2018 führten demnach 1212 Messerattacken zu Körperverletzungen und in Einzelfällen auch zu Tötungsdelikten. Bundesweit gibt es allerdings bisher keine aussagekräftigen Statistiken.

Die Innenminister hatten daher erst Ende 2018 beschlossen, Delikte mit der Tatwaffe Messer gesondert in der Polizeistatistik auszuwerten. Das Bundeskriminalamt gibt an, man könne erst in einigen Jahren aussagekräftige Angaben zu Messerattacken in ganz Deutschland machen. Die Bundesländer müssen ihre Erfassungssysteme von Straftaten mit Messern erst vereinheitlichen.

BKA sieht Trend zum häufigeren Messertragen

Die Erfahrung zeigt, dass sich gerade eine Reform der Datensätze bei den Polizeibehörden hinziehen kann. Laut Innenminister sind die Indizien jedoch deutlich, dass junge Menschen häufiger Messer bei sich tragen – und in einer Auseinandersetzung auch davon Gebrauch machen.

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat 2017 Neuntklässler befragt. Unter den 15-Jährigen in dem Bundesland ist demnach die Bereitschaft, eine Waffe mitzunehmen, angestiegen. Auch das BKA schreibt auf Nachfrage unserer Redaktion, dass Befragungen einen Trend zum häufigeren Messertragen zeigen würden, vor allem bei Menschen zwischen 14 und 39 Jahren.

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Wer ein Messer dabei hat, übt öfter Gewalt aus

„Als Gründe für das Mitführen eines Messers werden insbesondere die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, sowie die Orientierung an Männlichkeitsnormen angeführt.“ Und noch eine Aussage macht das BKA auf Grundlage von Studien: Jugendliche, die Messer bei sich tragen, haben ein doppelt so hohes Risiko, Gewalttaten auszuüben als junge Menschen, die kein Messer mit sich führen.

Der Bochumer Kriminologie Tobias Singelnstein von der Ruhr-Universität hält Messer als Tatwaffe ebenfalls für sehr gefährlich. Er kritisiert aber, dass die Debatte über „Messerattacken“ sehr „hitzig“ geführt werde. Und das ohne bundesweite Polizeistatistiken.

Tatsächlicher oder nur gefühlter Anstieg der Messerangriffe?

„So kann der vermeintliche Anstieg der Messerangriffe auch nur mit der gestiegenen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zusammenhängen“, so der Professor. Also: Politiker bringen das Thema auf, Polizisten schauen genauer hin. Zudem verweist Singelnstein auf die Risiken, die mit einer Waffenverbotszone aus seiner Sicht verbunden sind.

„Die Polizei bekommt deutlich mehr Macht.“ Durch anlasslose Kontrollen würden bestimmte Personengruppen in den Fokus der Polizisten geraten – und ohne Verdacht. Dazu gehören oft Migranten. Kritik: Die Polizei kontrolliert „nach Hautfarbe“. „Und dann heißt es wieder: Migranten sind Täter mit Messer“, sagt Kriminologe Singelnstein.

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Den mutmaßlichen Täter in Hessen, der mit einem Messer auf einen Busfahrer losging, ertappte die Polizei noch in der Nacht des Angriffs. Beim Verhör soll der 25 Jahre alte Deutsche dann laut Medienberichten noch ein Geständnis abgelegt haben. Mit dem Messer habe er auch seinen 62 Jahre alten Nachbarn erstochen. Die Polizei fuhr sofort zum Tatort – und entdeckte eine Leiche.