Berlin. Der desaströse Zustand der Bundeswehr und nun ein bizarres Video: Verteidigungsministerin Lambrecht wird zum Risiko für Kanzler Scholz.

Manchmal kann man in aller Öffentlichkeit sehen, wie es einsam um einen Politiker oder eine Politikerin wird. Dieser Tage ist das wieder der Fall. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die nach einem Jahr im Amt immer noch sichtlich mit ihrer Aufgabe fremdelt, hat sich zum Jahreswechsel eine weitere Peinlichkeit geleistet: Während im nächtlichen Berlin die Böller explodierten und die Silvesterraketen in den Himmel stiegen, sprach sie in einer selbst aufgezeichneten Neujahrsbotschaft mit zerzaustem Haar vom Krieg in der Ukraine und den vielen tollen Begegnungen, die sie im Zusammenhang damit gehabt habe.

Kanzler Olaf Scholz mag das nicht kommentieren, also seiner Ministerin und SPD-Genossin auch nicht den Rücken stärken. In der Koalition herrscht ebenfalls betretenes Schweigen. Mehr Distanz geht kaum.

Lambrecht: Verteidigungsministerin hat den Laden nicht im Griff

Es ist an der Zeit, sich die Frage zu stellen, welches Bild Deutschland mit dieser Verteidigungsministerin abgibt. Das Amt ist eines der wichtigsten überhaupt. Es ist entscheidend für die Sicherheit der Bundesrepublik und die Stellung des Landes auf der internationalen Bühne. Angesichts der vom Kanzler ausgerufenen „Zeitenwende“ in der Außenpolitik gilt das allemal.

Die Verbündeten in Nato und EU müssen sich jederzeit auf Deutschland verlassen können: Sie brauchen einen Ansprechpartner im Berliner Verteidigungsministerium, der für seine Aufgabe brennt und seinen Laden im Griff hat. Sie sind genau wie Deutschland selbst darauf angewiesen, dass die Bundeswehr jederzeit ihre Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen kann. Und ja: Deutschland und seine Partner brauchen auch jemanden, der einen öffentlichen Aufritt beherrscht, welcher einer europäischen Führungsmacht angemessen ist.

Thorsten Knuf, Politikkorrespondent
Thorsten Knuf, Politikkorrespondent © Privat | Privat

All das trifft auf Lambrecht sichtlich nicht zu. Es geht ja nicht nur um das bizarre Silvester-Video. Die Bundeswehr ist weiterhin in einem desaströsen Zustand. Etliche Vorgängerregierungen – fast immer mit SPD-Beteiligung – haben die Streitkräfte jahrzehntelang vernachlässigt. Von Verbesserungen ist aber noch immer nichts zu spüren. Und das trotz des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens, das der Bundestag unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine beschloss.

Für Olaf Scholz wird Lambrecht zur Belastung

Kürzlich erst fielen bei einer Übung der Bundeswehr 18 von 18 eingesetzten Puma-Schützenpanzern aus. Sie standen damit für die Schnelle Eingreiftruppe der Nato nicht zur Verfügung. Inzwischen sollen die Geräte weitgehend repariert sein. Das Beschaffungswesen der Streitkräfte bleibt gleichwohl ein Albtraum. Den Soldaten fehlt es nicht nur an Munition und funktionsfähigen Fahrzeugen, sondern teilweise sogar an warmen Socken.

Ausländische Partner kritisieren immer wieder, dass Deutschland viel zu langsam und viel zu zögerlich bei den Waffenlieferungen an die Ukraine sei. Auch das fällt auf die Ministerin zurück. Eigentlich sollen alle Nato-Staaten zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgeben. Die Bundesrepublik bleibt davon weit entfernt. In der Nato beginnt gerade eine Debatte über eine Verschärfung der Vorgaben. Es ist kaum vorstellbar, dass sich die Verteidigungsministerin wirkungsvoll in die Diskussion wird einbringen können.

Auf Dauer wird der Kanzler das Wirken seiner Verteidigungsministerin nicht hinnehmen können. Olaf Scholz sucht selbst noch seine Rolle in den internationalen Beziehungen. Je länger er an Lambrecht festhält, desto schwerer wird es ihm fallen, diese zu finden.

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