Berlin. Nach umstrittenen Äußerungen musste Hans-Georg Maaßen 2018 als Verfassungsschutzchef gehen. Nun teilt er gegen die Bundeskanzlerin aus.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt war es zunächst ruhig geworden um Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Doch nun meldet er sich wieder öfter zu Wort: erst vor wenigen Wochen mit einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und jetzt im ungarischen Staatsfernsehen – mit einer Abrechnung mit der Migrationspolitik von Kanzlerin Angela Merkel.

„Die Schleuse ist immer noch offen, auch wenn weniger reinkommen“, sagte Maaßen in einem Interview des ungarischen TV-Senders M1. Es bestehe nach wie vor ein großer Einwanderungsdruck nach Europa und Deutschland vom Mittleren Osten und von Afrika aus. Die notwendigen Vorkehrungen, „dass dieser Einwanderungsdruck minimiert wird, dass diese Menschen nicht zu uns kommen“, seien nicht getroffen worden.

Hans-Georg Maaßen kritisiert Angela Merkels Migrationspolitik

Das etwa 25 Minuten lange Interview wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bereits am Montag ausgestrahlt. Pikant daran ist, dass Maaßen es einem zu einer staatlichen ungarischen Medien-Holding gehörenden Fernsehsender gab, der als Propagandasender für den nationalkonservativen Regierungschef Viktor Orban gilt. Orban ist einer der schärfsten Kritiker der Migrationspolitik Merkels in Europa.

Maaßen war im September 2018 in die Kritik geraten, nachdem er bezweifelt hatte, dass es in Chemnitz während Protesten nach einem Tötungsfall zu Hetzjagden auf Ausländer gekommen war. Die Äußerung sorgte für eine Koalitionskrise. Im November wurde der Jurist von Innenminister Horst Seehofer (CSU) in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Zuvor wurde Maaßen allerdings erst noch zum Sonderberater im Innenministerium ernannt. Zuletzt hatte Maaßen der FAZ gesagt, er selbst sei Opfer einer „Hetzjagd“ gewesen.

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Ihm sei schon 2015 klar gewesen, dass eine derart große Zahl von Menschen nicht ohne Weiteres in Deutschland werde integriert werden können, sagte Maaßen. Damals sei er verantwortlich gewesen für die Abwehr von Terrorismus und Extremismus, sagte Maaßen. Er habe daran gedacht, dass diese Aufgabe nun noch schwerer werden könne – und er habe an die kommenden Integrationsprobleme gedacht.

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Er sehe mit großer Sorge, dass vielleicht in diesem Sommer, im Herbst oder im nächsten Jahr noch wesentlich mehr Menschen nach Europa und Deutschland kommen könnten. „Und ich sehe nicht, dass Vorsorge getroffen worden ist“, kritisierte Maaßen angesichts des Abkommens zwischen der EU und der Türkei sowie diversen bilateralen Abkommen Deutschlands in der Migrationspolitik.

Grundsätzlich müssten die EU-Maßnahmen den Außengrenzenschutz gewährleisten, so dass nur jene Menschen nach Europa und Deutschland kommen könnten, die ein Recht auf Asyl hätten, und nicht Armutsflüchtlinge, sagte Maaßen. „Wir können nicht alle Menschen auf der Welt aufnehmen.“

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    Er erkenne jedoch nicht, dass der Schutz der EU-Außengrenzen funktioniere oder die Grenzschutz-Agentur Frontex sowie die nationalen Grenzbehörden Maßnahmen ergriffen hätten, um Europa und damit mittelbar auch Deutschland zu schützen.

    Er sei 2015 davon ausgegangen, dass unter den Migranten auch Menschen gewesen seien, die für den IS oder andere dschihadistische Terrorgruppen gekämpft hätten, sagte Maaßen. Dies sei Anlass zu großer Sorge gewesen. Vor diesem Hintergrund habe er jede Gelegenheit genutzt, dies anzusprechen.

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    Maaßen war seine kritische Haltung gegenüber der Migrationspolitik der Kanzlerin von Teilen der Regierung schwer angekreidet worden. Auch stand der Vorwurf im Raum, Maaßen habe vorab Informationen aus einem Verfassungsschutzbericht an die AfD weitergegeben.

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    Scharf kritisierte Maaßen nun die Maßnahmen zur Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Insgesamt sei die Abschiebepolitik in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten ein Desaster.

    Es gebe viele, die an der Verhinderung von Abschiebung und an Asylsuchenden verdienten – dies müsse offen ausgesprochen werden. Zugleich warnte er vor dem Entstehen von Parallelgesellschaften. Es gebe in Deutschland eine Integration nicht in die deutsche, sondern in die arabische, türkische oder salafistische Gesellschaft.

    Maaßen: Vertrauen in die Demokratie schwindet

    Das gesellschaftliche Klima in Deutschland habe sich in den vergangenen Jahren zum Schlechteren verändert, beklagte Maaßen. Viele Menschen, die früher zur bürgerlichen Mitte gezählt worden seien, hätten sich der rechten AfD zugewandt. Dies führe zu einer Erosion des Vertrauens in das Parteiensystem und zu einer Abkehr von der Demokratie. Es erfülle ihn mit Sorge, dass diese Entwicklung nicht gestoppt sei, sondern weitergehe.

    Auch die kurzzeitige Versetzung von Maaßen selbst hatte die Deutschen bewegt. Einer Umfrage zufolge schwand das Vertrauen in die Regierung durch den Fall Maaßen dramatisch. (dpa/cho)