Mariupol. Für die Eingeschlossenen im Asow-Stahlwerk in Mariupol sieht es nicht gut aus. Jetzt wurden Bilder aus den Katakomben veröffentlicht.

Im Ukraine-Krieg gehört die Hafenstadt Mariupol zu den am schwersten getroffenen Orten. Vor allem das Asowstal-Stahlwerk ist zu einem Symbol geworden – einerseits für den ukrainischen Widerstand, andererseits für die totale Zerstörung der Stadt. Die letzten Verteidiger der Stadt harren in den Tunneln unter dem Stahlwerk aus. Vor allem Kämpfer des nationalistischen Asow-Regiments und der 36. Marineinfanteriebrigade sind unter dem Stahlwerk eingeschlossen.

Unter dem Asowstal-Werk in Mariupol harren die letzten Verteidiger der Hafenstadt aus.
Unter dem Asowstal-Werk in Mariupol harren die letzten Verteidiger der Hafenstadt aus. © Dmytro 'orest' Kozatskyi/Azov Special Forces Regiment of the Ukrainian National Guard Press Office/dpa

Das Asow-Regiment hat nun Fotos der Kämpferinnen und Kämpfer veröffentlicht, die die dramatischen Situation in den Tunneln unter dem Stahlwerk zeigen. Die Frau eines Soldaten erzählt dem WDR von der Lage der Kämpfenden: "Asowstal wird ständig bombardiert. [...] Es gibt kein Wasser, kein Essen. Medikamente gibt es auch nicht. Mein Mann ist verletzt, seit mehr als zwei Wochen. Er muss dringend operiert werden." Auch interessant: Finnland will in die Nato: Russland droht mit atomarer Aufrüstung

Berichte aus Mariupol: 600 Verletzte harren unter dem Stahwerk aus

Laut Berichten des Asow-Regiments gebe es in den Tunneln unter Asowstal etwa 600 Verwundete. Die Frau des Soldaten dazu: "Die Menschen sterben an ihren Schmerzen, an verschiedenen Infektionen, an Sepsis. Das ist ja kein Krankenhaus. Antibiotika und jegliche Arzneimittel fehlen. Dort ist nichts steril, das ist sehr schwer. Denn es befinden sich viele Verletzte dort. Es gibt keine Betäubungsmittel. Alles tut weh, sie haben alle einfach offene Wunden. Das ist der Horror."

Verwundete Kämpfer im Stahlwerk von Mariupol, der letzten Bastion der ukrainischen Verteidiger in der Hafenstadt.
Verwundete Kämpfer im Stahlwerk von Mariupol, der letzten Bastion der ukrainischen Verteidiger in der Hafenstadt. © Dmytro 'orest' Kozatskyi/Azov Special Forces Regiment of the Ukrainian National Guard Press Office/dpa

Am Mittwoch dämpfte die ukrainische Militärführung, die Verteidiger von Mariupol mittels einer Militäroffensive aus dem Stahlwerk freizukämpfen. "Stand heute würde eine solche Operation zur Deblockierung eine beträchtliche Anzahl von Truppen erfordern, weil die ukrainischen Streitkräfte 150 bis 200 Kilometer von Mariupol entfernt sind", sagte der stellvertretende Generalstabschef Olexij Hromow auf einer Pressekonferenz. Die russischen Truppen hätten mächtige Verteidigungsanlagen um Mariupol gebaut, weshalb ein solcher Einsatz viele Opfer kosten würde.

Militärische Rettung aus Stahlwerk in Mariupol ist unrealistisch

Derweil wird das Stahlwerk weiter beschossen. Vor allem aus der Luft erfolgen schwere Angriffe, die auch die Verteidiger in den Tunneln spüren. Anfang Mai legte ein veröffentlichtes Video nahe, dass dabei auch thermobarische Waffen zum Einsatz gekommen sein könnten. Die Luftschläge passierten derzeit jeden Tag, berichtet der Vizekommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar der ukrainischen Zeitung "Ukraijinska Prawda". "Es gibt viele Schwerverletzte. Sie müssen dringend evakuiert werden."

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Weil eine militärische Lösung unrealistisch ist, bemüht sich die ukrainische Führung auf diplomatischem Wege um die Rettung der Menschen aus dem Asow-Stahlwerk. Zuletzt schlugen Verhandlungen um einen ungefährdeten Abzug allerdings fehl, erklärte der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, am Mittwoch. Russland forderte mehrfach von den Soldaten unter dem Stahlwerk, sich zu ergeben. Die Kämpfer lehnen das allerdings ab, berichtet die Ehefrau eines Soldaten der "Tagesschau". Sie glauben, in Gefangenschaft warte der sichere Tod auf sie. Weiterlesen: Wie ein herzkranker Kommandeur die Ukraine verteidigt

Mariupol: Kämpfer im Asowstal-Werk hoffen auf "Extraction"-Verfahren

Für die Angehörigen der Kämpfer ist das sogenannte "Extraction"-Verfahren der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern können. Dabei werden Menschen per Hubschrauber oder Schiff in Sicherheit gebracht.

Ein verletzter ukrainischer Kämpfer in den Bunkern unter dem Stahlwerk in Mariupol.
Ein verletzter ukrainischer Kämpfer in den Bunkern unter dem Stahlwerk in Mariupol. © Dmytro 'orest' Kozatskyi/Azov Special Forces Regiment of the Ukrainian National Guard Press Office/dpa

Dabei spielen die kämpfenden Parteien keine Rolle, denn ein Drittstaat übernimmt die Rettung und bringt die Geretteten auf neutralen Boden. "Wir haben uns an die Präsidenten der Türkei und Israels gewandt, haben nach Schweden geschrieben", erklärt die Ehefrau eines Kämpfers der "Tagesschau". "Wir haben auch eine Petition gestartet, damit die Extraction stattfindet. Denn momentan sehen wir keinen anderen Ausweg."

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de.