Berlin. Mit dem Urteil zum Klimaschutzgesetz hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber ein paar Hausaufgaben aufgegeben. Die Kanzlerin will diese möglichst schnell erledigen.

Als Konsequenz aus dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts pocht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf möglichst rasche Verschärfungen des entsprechenden Gesetzes.

Man werde das Thema nicht auf die lange Bank schieben, sagte sie in einer Online-Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Teilnehmern. Schon in der kommenden Woche solle im Kabinett darüber beraten werden. Danach sollten die Verschärfungen schnell in den Bundestag eingebracht werden, um noch in dieser Wahlperiode Pflöcke einzuschlagen.

Zugleich unterstrich Merkel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, man werde versuchen, innerhalb der schwarz-roten Bundesregierung eine gemeinsame Position zu beziehen. Noch in dieser Legislaturperiode auf Karlsruhe zu reagieren "steht uns gut an", wurde die Kanzlerin zitiert. Sie sei sehr froh, dass CDU und CSU sehr schnell auf das Karlsruher Urteil reagiert hätten. Klimaschutz sei im Sinne der Generationengerechtigkeit. Offen war am Dienstag noch, ob eine Sitzung des Koalitionsausschusses nötig sein würde, um eine Einigung der schwarz-roten Koalition zu erreichen.

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) betonte nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung, es sei gut, dass jetzt von der aktuellen Regierung noch gehandelt werde.

Die Richter in Karlsruhe hatten den Gesetzgeber in der vergangenen Woche verpflichtet, bis Ende kommenden Jahres die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Dabei geht es um das Klimaschutzgesetz, das bisher für die Jahre bis 2030 Jahresemissionsmengen für Bereiche wie die Energiewirtschaft, die Industrie, den Verkehr oder die Landwirtschaft festlegt.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will als Konsequenz aus dem Urteil den CO2-Preis deutlich schneller erhöhen als bisher geplant. Zugleich sollen Bürger und Unternehmen durch einen Wegfall der EEG-Umlage beim Strompreis entlastet werden. "In dieser Kombination macht es Sinn: CO2-Preis hoch, Strompreis runter", sagte Vizefraktionschef Andreas Jung (CDU) am Dienstag in Berlin. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte, die für 2022 und 2023 geplanten Anhebungsschritte auf 30 und 35 Euro pro Tonne CO2 zu überspringen. Stattdessen solle im nächsten Jahr direkt ein Sprung auf einen CO2-Preis von 45 Euro gemacht werden, der eigentlich erst 2024 vorgesehen wäre.

Vizekanzler Olaf Scholz zeigte sich in der Fraktionssitzung der SPD nach dpa-Informationen kritisch. Die Diskussion über den CO2-Preis blende die soziale Dimension völlig aus. So sei es etwa unlauter, die steigenden Belastungen durch einen höheren CO2-Preis einseitig auf die Mieter umzuwälzen. Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte davor, mit einer Erhöhung des CO2-Preises zu einer noch stärkeren sozialen Schieflage in Deutschland beizutragen. Scholz verlangte einen deutlich stärkeren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Im Jahr 2030 werde viel mehr Strom benötigt als derzeit - das müsse man beim Ausbaupfad berücksichtigen.

Dobrindt erläuterte, sein Vorstoß bewirke, dass man nicht erst 2027 in den marktgerechten Emissionshandeln eintreten werde, sondern schon 2025. Klimaneutralität wolle man nicht 2050, sondern bereits 2045 erreichen. Über Zwischenziele für 2035 und 2040 werde diskutiert. Bei den Einsparzielen bis 2030 wolle man von den geplanten 55 Prozent weniger CO2-Emissionen weggehen und sich 65 Prozent vornehmen. Zudem schlage er vor, ab 2035 auf die Neuzulassung von Autos mit Verbrennermotoren zu verzichten.

Seit Anfang dieses Jahres haben CO2-Emissionen von fossilen Brennstoffen einen Preis. Gestartet wurde mit einem Preis von 25 Euro pro Tonne CO2, das entspricht nach Angaben des Umweltministeriums weniger als 10 Cent pro Liter Kraftstoff oder Heizöl. Diese Abgabe für die klimaschädlichen Emissionen erhöht sich nach der aktuellen Gesetzeslage, bis 2025 dann 55 Euro pro Tonne CO2 fällig werden.

Nach der Karlsruher Entscheidung von vergangener Woche müsse umgehend gehandelt werden, forderte auch Dobrindt. Das Thema könne nicht auf eine nächste Wahlperiode verschoben werden, selbst wenn das Gerichtsurteil einen zeitlichen Spielraum bis Ende 2022 ermögliche. Sein CDU-Kollege Jung betonte: "Da reichen jetzt nicht kosmetische Korrekturen, wir brauchen da wirklich einen großen Wurf, den wir jetzt in kurzer Zeit auf den Weg bringen müssen und auch können."

Jung nannte Dobrindts Vorstoß "sehr interessant". Man werde dies jetzt durchrechnen. "Das ist nicht die einzige Möglichkeit, es gibt auch andere Wege." Wichtig sei auch: "Von den zusätzlichen Einnahmen darf kein Euro beim Staat hängen bleiben. Das ist kein Programm zur Sanierung des Bundeshaushalts oder zur Finanzierung von irgendwelchen Ausgabewünschen." Die Mehrbelastung müsse über eine Senkung der Strompreise an Bürger und Unternehmen zurückgegeben werden.

© dpa-infocom, dpa:210504-99-468602/3