Berlin. Noch ist Online-Glücksspiel ist noch eine Grauzone. Das soll sich nun ändern. Ein Pro und Contra zu der Entscheidung der Bundesländer.

Nach langen Verhandlungen haben sich die Bundesländer auf eine Reform des Glücksspiel-Staatsvertrages geeinigt. Mit Inkrafttreten des neuen Staatsvertrages am 1. Juli 2021 wird sich der Glücksspielmarkt in Deutschland damit grundlegend verändern. Ein Pro und Contra aus unserer Redaktion.

PRO von Miguel Sanches

Willkommen in der Gegenwart. Glücksspiel ist in Deutschland ein 14-Milliarden-Euro-Markt, der auch in der Mitte der Gesellschaft zunehmend digital und illegal stattfindet. Wer es reguliert, kann daran verdienen, aber auch Auflagen für Jugend- und Spielerschutz setzen. Er hat die Aufsicht und kann Manipulationen im Sport besser, eher aufspüren.

Wer ganz oder teils darauf verzichtet, behält seine Unschuld, aber ändert nichts, schaut zu, wie sich das Spiel in der Illegalität ausbreitet. Das ist eine moralingesäuerte Haltung, die nicht von dieser Welt ist. Ein Fortschritt ist es hingegen, dass die Bundesländer sich auf eine Regelung geeinigt haben.

Miguel Sanches.
Miguel Sanches. © Reto Klar | Reto Klar

Der Geist ist aus der Flasche. Deutschland ist schon heute der zweitgrößte Online-Glücksspielmarkt Europas. Illegales Onlinespiel ohne staatliche Kontrolle blüht seit Jahren. Unternehmen mit Lizenzen aus Malta, Gibraltar oder von der Isle of Man berufen sich – mit Erfolg vor Gericht – darauf, in der gesamten EU ihre Spiele anbieten zu dürfen. Online-Casinos, die nur in Schleswig-Holstein zugelassen sind, machen bundesweit Geschäfte.

Ein und dasselbe Angebot kann je nach Aufenthaltsort des Spielers in Deutschland mal erlaubt, mal illegal sein. Die Branche operiert bisher in einer Grauzone. Nun bekommen alle mehr Verlässlichkeit, Handlungssicherheit, der Staat mehr Steuern. Natürlich wäre die Welt besser, wenn niemand rauchen, Alkohol trinken oder zocken würde. Aber was sich nicht stoppen lässt, sollte man zumindest gestalten. Politik beginnt mit dem Betrachten der Realität.

Contra von Tobias Kisling

Die Versuchung war zu groß. Ein Fünftel der Deutschen spielte zuletzt in der Illegalität, online. Ein Fünftel– das sind gemessen in Steuern und Abgaben rund 1,1 Milliarden Euro, die am Staat vorbeigehen. Dieses Geld wollten die Länder doch gerne einsacken.

Das können sie auch, es ist ihr gutes Recht. Dann kann man aber so viel Anstand erwarten, dass sie klar sagen: Ja, wir wollen das Geld und nehmen dafür die Gesundheit der Spieler in Kauf.

Tobias Kisling.
Tobias Kisling. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Zu behaupten, mit der Legalisierung etwas für den Spielerschutz zu tun, ist dagegen Hohn und Heuchelei. Denn wer will, der kann mit nur wenigen Klicks weiterhin die kostenfreien Online-Casinos auf Malta, Gibraltar und ähnlicher Spielparadiese nutzen. Ganz ohne Einzahllimits und Sperrdateien.

Reichlich skurril mutet in diesem Kontext auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), an. Ihre Aufgabe wäre es, aktiv daran mitzuwirken, dass sich die Zahl von einer halben Million Spielsüchtigen in Deutschland reduziert. Und zu verhindern, dass Kinder spielsüchtig werden. Denn einige Anbieter setzen auf den Nachwuchs: Mit speziellen Angeboten und virtuellem Geld werden die Süchtigen von später trainiert und an die Marke gebunden. Und Ludwig? Sie findet es gut, dass Klarheit in der Grauzone geschaffen wird. Bei den Sportwetten hat sie recht. Hier gab es eine Grauzone.

Für Online-Casinos gilt das aber nicht. Sie waren außer in Schleswig-Holstein verboten. Es wollte nur niemand gegen sie vorgehen. Das ist dann aber keine Grauzone, sondern politisches Versagen.