Paris. Die Regierung erwartet einen „rabenschwarzen Tag“. Doch gehen die Franzosen tatsächlich auf die Barrikaden gegen die Rentenreform?

Die Gewerkschaften in Frankreich wollen das Land an diesem Donnerstag 24 Stunden stillstehen lassen. Sie haben zum „nationalen Aktionstag“ aufgerufen. Landesweit dürfte es nicht nur zu erheblichen Störungen im Zug-, Nah- und Flugverkehr kommen. Auch viele Schulen und Behörden werden geschlossen bleiben, ein Großteil der Post nicht in den Briefkästen landen und zahlreiche Betriebe durch Arbeitsniederlegungen gelähmt bleiben. Flankiert wird der branchenübergreifende Streiktag von einer in Paris geplanten Großdemonstration.

Tatsächlich rechnet die Regierung mit einem „rabenschwarzen“ Tag. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren haben sämtliche, gemeinhin untereinander völlig zerstrittene Gewerkschaftsorganisationen eine Einheitsfront gebildet, die sich der von Präsident Emmanuel Macron in die Wege geleiteten Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre entgegenstemmt. Und geht es nach den Arbeitnehmervertretern, dann wird es sich bei dem „nationalen Aktionstag“ nur um eine Aufwärmrunde handeln.

Rente: 80 Prozent der Franzosen lehnen die Reform ab

In Wirklichkeit ist die Aufwärmrunde aber vor allem ein Test. Die Gewerkschaftsführer sind sich nicht sicher, ob sie eine längere „Blockade“ des Landes sowie einen generellen Proteststurm, ja einen Aufstand, in Szene setzen können. Dass beinahe 80 Prozent der Franzosen gegen die Rente ab 64 sind, wird von Umfragen bestätigt. Auf der anderen Seite beschreiben die Meinungsforscher jedoch eine „große Müdigkeit“. Pandemie und Inflation haben die Menschen mürbe gemacht. 54 Prozent sagen, sie hätten keine Lust, auf die Straße zu gehen und gegen eine Reform anzurennen, die sie zwar ablehnen, aber als „beinahe unvermeidbar“ ansehen.

Der Pariser Regierung mag es nicht gelungen sein, die Gewerkschaften von der Notwendigkeit ihrer Rentenreform zu überzeugen. Aber sie hat die Hoffnung nicht aufgegeben, wenigstens bei den Bürgern für Einsicht zu sorgen. Regierungschefin Elisabeth Borne und die meisten Minister werden nicht müde, für die „Rettung unseres Rentensystems“ zu werben.

Die Reform sei unumgänglich, da in keinem europäischen Land die Menschen länger leben, früher in Rente gehen und eine höhere Durchschnittsrente beziehen als in Frankreich. Mittelfristig ist die aktuelle Altersversorgung nicht mehr zu finanzieren, zumal für sie bereits 14 Prozent des Bruttosozialprodukts aufgewendet wird (ein weiterer europäischer Rekordwert) und jetzt auch noch die Generation der Babyboomer in den Ruhestand geht.

Die Energiesparte der radikalsten und der kommunistischen Partei nahestehenden Gewerkschaft CGT ist die einzige, die schon weiterführende Aktionen angekündigt hat. Einem Streik in den Raffinerien und Treibstoffdepots am Donnerstag soll am 26. Januar ein 48-stündiger Streik folgen und am 6. Februar, falls Macron seine Reform bis dahin nicht zurückgezogen hat, ein 72-stündiger Arbeitsausstand. Im Übrigen gilt jedoch, dass sich die Gewerkschaftsführer erst am Donnerstagabend zusammensetzen, um zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Eine Entscheidung wohlgemerkt, die vom Erfolg des ersten Mobilisierungsversuchs abhängt.

Ein Führungsmitglied der gemäßigten Gewerkschaft CFDT ließ gegenüber dieser Redaktion auch durchblicken, woran man die eigene Mobilisierungskraft zu messen gedenkt: „Wenn wir am Donnerstag nicht wenigstens 800.000 Demonstranten zusammenbekommen und neben den als stets streiklustig bekannten Eisenbahnern, Angestellten der öffentlichen Verkehrsbetriebe und Lehrern kaum andere Berufe die Arbeit niederlegen, wäre das kein gutes Zeichen.“