Berlin. Die Sozialdemokraten verlangen eine rasche Einigung auf die Grundrente noch vor der Wahl in Thüringen. Der Druck in der Groko wächst.

Blumensträuße für die Spitzenkandidaten brachte Manuela Schwesig keine mit. Das wäre vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen gewesen. Außerdem muss die klamme SPD jeden Cent umdrehen. Die Parteispitze freute sich zwar sehr, dass die von manchen schon totgesagte Volkspartei in Brandenburg den Spitzenplatz gegen die AfD verteidigen konnte. Der Absturz in Sachsen auf historisch schlechte 7,7 Prozent verhagelte aber die Gesamtbilanz.

Schwesig, die bis Dezember die SPD kommissarisch führt und als Ministerpräsidentin in Schwerin die Lage im Osten genau kennt, hütete sich davor, den AfD-Vormarsch kleinzureden. „Von gestern lernen wir, dass es nicht reicht, die Wahlergebnisse der AfD zu beklagen, sondern wir müssen viel vor Ort sein und wir müssen jetzt liefern“, sagte sie.

SPD erhöht den Druck beim Thema Grundrente

Die SPD will endlich bei der Grundrente vorankommen. „Die Grundrente ist die Antwort auf soziale Verwerfungen nach der Wende“, sagte Schwesig, „deshalb erwarte ich jetzt von der Union, dass wir uns schnell einigen und Herr Söder diese wichtige soziale Frage nicht als ostdeutsches Wahlgeschenk verpönt.“ Vor der Thüringen-Wahl sollte der Rentenaufschlag gegen Altersarmut beschlossen sein. CDU und CSU beharren auf einer Bedürftigkeitsprüfung.

Juso-Chef Kevin Kühnert, der wie Schwesig nicht für die Parteispitze kandidiert, rief die Parteien auf, die Wahlergebnisse ernst zu nehmen. „Wir betrachten die Entwicklung im Osten wie einen Autounfall, wo alle vorbeifahren und traurig sind, was da passiert ist“, sagte Kühnert auf dem Gillamoos-Volksfest im niederbayerischen Abensberg. „Lasst uns mit diesem politischen Gaffertum aufhören.“

Woidke verteidigt nach Wahlsieg große Koalition

Der Brandenburger Last-minute-Held Dietmar Woidke, dem die Polarisierung mit der AfD die Wiederwahl sicherte, nutzte seinen Auftritt in der Berliner Parteizentrale, um die große Koalition zu verteidigen. Mehrere Bewerberduos vom linken SPD-Flügel für den Parteivorsitz wollen lieber heute als morgen aus dem Bündnis mit CDU und CSU aussteigen. Der historische Absturz der Partei in Sachsen auf 7,7 Prozent ist Wasser auf die Mühlen des No-GroKo-Lagers.

Woidke sieht das fundamental anders. Die Menschen wollten einen starken Staat und stabile Regierungen. „Es nervt uns und die Menschen im Lande, dass in der SPD nach wie vor über die große Koalition gejammert wird, statt wirklich daran zu arbeiten, dieses Land voranzubringen.“

Sein Wahlsieg in Brandenburg sei eine Gemeinschaftsleistung von Landes- und Bundespartei gewesen, sagte Woidke, der Sympathien für eine Kenia-Koalition mit CDU und Grünen zeigte. Die Berliner Koalition leiste weiter gute Arbeit, wie beim Kita-Ausbau und dem Kohle-Ausstieg. So etwas hörte man lange nicht mehr aus dem Mund eines Spitzenkandidaten. Meist gingen SPD-Wahlkämpfer auf maximale Distanz zu den eigenen Bundespolitikern, die alle mit dem zerstörerischen GroKo-Virus infiziert zu sein scheinen.

SPD-Vorsitz-Bewerberin Simone Lange attackiert Olaf Scholz

Die harschen SPD-Verluste in Brandenburg und Sachsen nutzte die Bewerberin Simone Lange, um die Parteispitze und namentlich Vizekanzler Olaf Scholz zu attackieren. Die Flensburger Oberbürgermeisterin, die mit ihrem Bautzener Amtskollegen Alexander Ahrens antritt, legte Scholz unverblümt nahe, seine Kandidatur zurückzuziehen. „Olaf Scholz sollte im Angesicht dieser Ohrfeige des Wählers sich wirklich fragen, ob er den Neuanfang symbolisieren und gestalten kann.“ Lange erneuerte ihren Willen, „dass wir die GroKo verlassen sollten“. Scholz tritt mit der Brandenburgerin Klara Geywitz an, die bei der Wahl nach 15 Jahren um 144 Stimmen ihr Direktmandat verfehlte und nicht mehr im Landtag sitzen wird.

Die Kritik von Lange, die 2018 bereits gegen Andrea Nahles um den SPD-Vorsitz angetreten war, sorgte in der SPD-Spitze für Verärgerung. Schwesig ermahnte alle Bewerberduos zu einem fairen Umgang. „Die Kandidaten sind gut beraten, sich auf ihre Person, ihre Vorstellungen und Ziele zu konzentrieren.“

Am Mittwoch starten SPD-Regionalkonferenzen zur Vorsitzenden-Wahl

Acht Bewerberteams und der bayerische Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner als Solokämpfer werden sich an diesem Mittwoch in Saarbrücken bei der ersten von 23 Regionalkonferenzen an der SPD-Basis vorstellen. Neben dem Tandem Scholz/Geywitz gelten die Duos Boris Pistorius (Innenminister Niedersachsen)/Petra Köpping (sächsische Integrationsministerin) und Norbert Walter-Borjans (Ex-NRW-Finanzminister)/Saskia Esken (Stuttgarter Bundestagsabgeordnete) als favorisiert, bekannte Namen bringen Parteivize Ralf Stegner und Ex-Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan mit. Die Parteiführung hofft, dass die Regionalkonferenzen nicht von der GroKo-Frage überlagert werden. Über den Verbleib in der Koalition soll ein Parteitag im Dezember entscheiden.

Bei den Konferenzen darf sich jedes Duo fünf Minuten vorstellen, dann fragt ein Moderator zu aktuellen Themen. Zum Antworten bleiben 60 Sekunden, anschließend fragen Mitglieder. Abstimmen werden Mitte Oktober knapp 430.000 SPD-Mitglieder. Kritik an dem Mammutverfahren wies Schwesig zurück: „Wer Parteivorsitzender werden will, muss das durchhalten.“