Berlin. Annegret Kramp-Karrenbauer will eine internationale Sicherheitszone in Nordsyrien. Doch dem Vorschlag mangelt es an Abstimmung.

Es ist ein spektakulärer Vorschlag, den Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) präsentiert hat. Die Schaffung einer international kontrollierten Sicherheitszone in Nordsyrien ergibt zumindest auf den ersten Blick Sinn. AKK will die Europäer in dem Bürgerkriegsland vor der eigenen Haustür zurück ins Spiel bringen. Die EU war bislang Zaungast in dem seit 2011 andauernden Konflikt.

Das ist insofern überlegenswert, als Europa am meisten unter dem Spannungsherd Syrien leidet. Beruhigt sich die Lage nicht, ist mit einem weiteren Ansturm an Flüchtlingen zu rechnen. Zudem wäre politisches Chaos ein neuer Nährboden für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Etliche Kämpfer – auch aus EU-Ländern – konnten im Zuge der Türkei-Invasion in Nordsyrien aus Gefängnissen fliehen. Die kurdischen Einheiten, die die Lager bisher bewachten, wurden vertrieben.

Will AKK am Ende die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Syrien?

Dennoch wirft der AKK-Vorstoß eine Menge ungeklärter Fragen auf. Zum einen hat die Verteidigungsministerin offen gelassen, was sie unter einer internationalen Sicherheitszone versteht.

  • Meint sie eine Initiative der Vereinten Nationen auf der Basis eines UN-Mandats?
  • Denkt sie an eine Blauhelm- oder eine Kampf-Mission?
  • Oder schwebt ihr ein Nato-Einsatz vor – jetzt, da sich das wichtigste Bündnismitglied USA auf dem Rückzug befindet?
  • Oder schwebt AKK eine EU-Aktion vor, möglicherweise in einer Koalition der Willigen?
  • Und: Will sie am Ende die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Syrien?

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent, kommentiert die Vorschläge von Annegret Kramp-Karrenbauer zu Syrien.
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent, kommentiert die Vorschläge von Annegret Kramp-Karrenbauer zu Syrien. © Reto Klar

Die Ministerin hat einen Stein ins Wasser geworfen, ohne an die Wellenbewegungen zu denken, die er auslöst. Sie hat bislang keine nennenswerten Befürworter auf internationaler Ebene. Sie hat sich nicht einmal mit dem eigenen Koalitionspartner abgestimmt. Das von Heiko Maas (SPD) geführte Außenministerium zeigt sich völlig überrascht und sieht „Diskussionsbedarf“. Die Sozialdemokraten reagieren kühl.

Man kann sich den kollektiven Aufschrei der SPD lebhaft vorstellen

Dass die SPD bei einem wie auch immer gearteten Nordsyrien-Mandat für die Bundeswehr mitmacht, hat einen Wahrscheinlichkeitsgrad von nahe null. Die kürzlich vereinbarte Verlängerung der Beteiligung an der Anti-IS-Koalition in Syrien und im Irak haben die Genossen mit Ach und Krach akzeptiert. Und da ging es lediglich um Luftaufklärung, Luftbetankung von Flugzeugen und die Ausbildung der kurdischen Peschmerga im Nordirak. Man kann sich den kollektiven Aufschrei der SPD bei weitergehenden Anforderungen lebhaft vorstellen.

Die maßgeblichen Akteure im Syrien-Konflikt sind Moskau, Ankara, Teheran und Damaskus. Sie schaffen die militärischen Fakten am Boden. Und sie sorgen nach dem Abzug der Amerikaner für eine neue Dynamik. Wie AKK Russland und die Türkei beim Bemühen um eine internationale Sicherheitszone einbinden will, bleibt schleierhaft.

Die Verteidigungsministerin sucht nach einem Befreiungsschlag

Ihr Vorschlag gleicht einer Leuchtrakete am Himmel: interessant anzuschauen, schnell verpufft. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Verteidigungsministerin nach einem Befreiungsschlag sucht. Die einst hoch gehandelte Unions-Anwärterin für die Kanzlerkandidatur steckt in einem anhaltenden Umfragetief. Die Zweifler in der eigenen Partei halten mit ihrer Kritik nicht mehr hinterm Berg. AKK braucht dringend ein Profilierungsfeld.