Washington. Donald Trump hat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst: Er warf jüdischen Bürgern mangelnde Loyalität und fehlenden Verstand vor.

Jüdische Bürger in Amerika, die Demokraten wählen, sind entweder dumm oder illoyal. Das ist die Essenz eines Satzes, der von Neonazis oder Rechtsextremisten hätte stammen können. Aber der Satz stammt von Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Beim Besuch des rumänischen Präsidenten im Weißen Haus nahm Trump am Dienstag mit gewohnt losem Mundwerk erneut Anlass, auf die von ihm gehassten demokratischen Kongressabgeordneten Ilhan Omar und Rashida Tlaib verbal einzuprügeln. Ihnen war unlängst auf sein Drängen hin die Einreise nach Israel verweigert worden.

Die beiden Frauen sind muslimischen Glaubens und dezidiert scharfe Israel-Kritikerinnen, die sich bereits in den eigenen Reihen dafür etliche Rügen eingehandelt haben. Präsident Trump verlangt jedoch im Stile eines Diktators nicht weniger als ihren Rausschmiss aus dem Parlament.

Er stilisiert sie zu Staatsfeinden und stempelt, um seine evangelikale Wählerbasis für 2020 zu mobilisieren, die gesamte demokratische Partei als „Juden-Hasser” ab.

Donald Trump wirft jüdischen Bürgern Illoyalität vor – doch zu wem?

Das ist der Kontext, in dem Trump den Satz sagte, der bis nach Israel einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hat: „Ich denke, dass alle jüdischen Personen, die für einen Demokraten stimmen, entweder eine totale Wissenslücke oder große Illoyalität beweisen.” Illoyalität zu wem? Zu Amerika, zu Israel, zu Trump? Das ließ der Präsident offen.

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    In allen drei Fällen ist sein Vorwurf ungeheuerlich. Juden mangelnde Loyalität und fehlenden Verstand vorzuwerfen, ist ein Anti-Semitismus-Hammer, den schon Hitler-Deutschland einsetzte.

    Nicht minder vergiftet ist die von Trump bekannte Haltung, wonach amerikanische Juden eine doppelte Loyalität zu Israel und, wie er im April öffentlich sagte, „ihrem” Premierminister Benjamin Netanyahu hätten. Haben sie nicht. Amerikanische Juden sind wie alle Wähler in ihrer Entscheidung frei.

    Trump lässt seit Jahren immer wieder Antisemitismus durchscheinen

    Trump missfällt zutiefst, wie sie diese Freiheit seit vielen Jahrzehnten ausüben. Fast 80 Prozent wählten bei den Zwischenwahlen zum Kongress im Herbst 2018 demokratische Kandidaten.

    Daran hat die von Trump verfügte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem und seine Unterstützung der aggressiven Siedlungspolitik Netanyahus gegen die Palästinenser, für die er Dankbarkeit und Gefolgschaft erwartet, nichts geändert.

    Dass etliche jüdische Verbände und Prominente in den USA wie in Israel sich wütend und erschrocken zeigten über die Hässlichkeit der präsidialen Sprache, ist keine Überraschung. Trump, dessen Tochter Ivanka wegen Schwiegersohn Jared Kushner zum jüdischen Glauben übertrat, hantiert seit Jahren mit anti-semitisch deutbaren Signalen.

    Der US-Präsident zieht sich immer wieder aus der Affäre

    Als 2017 Neonazis, die in Trump ihren „Retter“ sehen, in Charlottesville in NS-Stilistik mit lodernden Fackeln durch die Stadt liefen und riefen „Juden werden uns nicht ersetzen”, benötigte der Präsident Tage, um eine als halbherzig empfundene Distanzierung zu verkünden.

    Im Wahlkampf 2016 stilisierte er die damalige Konkurrentin Hillary Clinton als von Juden finanzierte „korrupteste Kandidatin aller Zeiten”. Vor jüdischen Lobbyisten sagte er, dass sie ihn nicht wählen würden, weil er ihr Geld nicht benötige. Den jüdisch-ungarisch-amerikanischen Multi-Milliardär George Soros machte Trump für die Flüchtlingskarawane an der Grenze zu Mexiko verantwortlich.

    Wann immer danach Kritik über Trump hereinbrach, warf er seinen Gegnern das boshafte Verdrehen seiner Worte zu. Tenor: Ich bin der am wenigsten anti-semitische Mensch der Welt. Wie gefährlich die fahrlässigen Worte des Präsidenten sind, ist dabei glasklar.

    Verbrechen gegen Juden in den USA seit Trumps Amtsantritt deutlich gestiegen

    Seit Beginn seiner Amtszeit ist die Zahl der auf Juden gemünzten “Hass-Verbrechen“ in den USA deutlich gestiegen. Dabei blieb es nicht bei Hakenkreuzschmierereien oder Friedhofsschändungen. Im vergangenen Jahr wurden in einer Synagoge in Pittsburgh elf Gläubige erschossen. Im April 2019 starb bei einem Angriff auf ein jüdisches Gotteshaus bei San Diego eine Frau.

    In beiden Fällen waren Anti-Semiten am Werk, die sich nach Auffassung vieler Experten in einem Klima bewegten, das durch Donald Trump zusätzlich vergiftet wurde.

    Juden pauschal an den Pranger zu stellen, weil sie politisch anders ticken, ist mit Blick auf die Wahl 2020 eine Ungeheuerlichkeit, die Trumps eigene Partei ihrem Anführer nicht durchgehen lassen darf. Aber es gibt die Republikaner nicht mehr. Es gibt nur noch einen hässlichen Trump-Wahlverein.