Washington. Die Wirtschaftsleistung in den USA bricht in einem noch nie da gewesenen Ausmaß ein. Die Zahl der Corona-Toten in den USA liegt bei mehr als 150.000. Es sind keine gute Nachrichten für Trump. Drei Monate vor der US-Wahl wagt er ein heikles Gedankenspiel.

US-Präsident Donald Trump hat offen mit dem Gedanken an eine Verschiebung der Wahl im November gespielt. Die Hürden für eine Verschiebung der Präsidentenwahl am 3. November sind allerdings extrem hoch, weil der Termin seit 1845 gesetzlich festgeschrieben ist.

In einem Tweet schrieb Trump am Donnerstag mit Blick auf den von ihm befürchteten Wahlbetrug durch eine Zunahme der Briefwahl infolge der Corona-Pandemie: "Die Wahl hinausschieben, bis die Menschen ordentlich, sorgenfrei und sicher wählen können???"

Aufgrund der gesetzlichen Regelungen erscheint das aber sehr unwahrscheinlich. Nötig wäre eine Änderung durch den US-Kongress, die noch dazu vor Gerichten angefochten werden könnte. Außerdem wären auf diesem Weg nur einige Wochen zu gewinnen. Denn der weitere Zeitplan ist in der Verfassung festgeschrieben und damit noch starrer: der Starttermin für den neuen Kongress am 3. Januar und der Amtsantritt des Präsidenten am 20. Januar. Eine Verschiebung erscheint daher höchst unwahrscheinlich.

Trump setzte seinen Tweet kurz nach der Bekanntgabe historisch schlechter Konjunkturdaten für das zweite Quartal ab. Infolge der Corona-Krise ist die US-Wirtschaft in einem noch nie da gewesenen Ausmaß eingebrochen. Die Pandemie hat Trump seines wichtigsten Arguments für die Wiederwahl beraubt: eine boomende Wirtschaft.

Am Vortag hatte es bereits eine andere Hiobsbotschaft gegeben. Seit Beginn der Corona-Pandemie starben im Zusammenhang mit der Krankheit Covid-19 bereits mehr als 150.000 Menschen in den USA.

In Umfragen liegt Trump derzeit deutlich hinter dem designierten Präsidentschaftskandidaten der US-Demokraten, Joe Biden. Auch wenn man diese Ergebnisse wegen des komplizierten Wahlsystems und zudem drei Monate vor der Wahl mit äußerster Vorsicht genießen muss: Trump steht unter Druck.

In seinem Tweet wiederholte Trump seine Befürchtung, dass eine starke Zunahme der Briefwahl zur "betrügerischsten Wahl" der Geschichte führen könnte. "Es wird eine große Blamage für die USA", schrieb er weiter. Trump hat für seine Befürchtung eines Wahlbetrugs bislang keine nachhaltigen Belege geliefert, äußert aber immer wieder Bedenken. Die meisten Wahlexperten gehen davon aus, dass Briefwahl im Grundsatz sicher ist - auch wenn eine Änderung des Wahlmodus wegen der Pandemie nur wenige Monate vor der Abstimmung eine große Herausforderung darstellt.

Die Demokraten wiederum schätzen die Briefwahl als Option, weil damit möglicherweise mehr ihrer Anhänger abstimmen werden und dies zudem in der Pandemie das Gesundheitsrisiko verringern würde. Die Demokraten werfen Trump vor, dass er sich mit seinen düsteren Warnungen eine Rechtfertigung schaffen will, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl am 3. November nicht anzuerkennen. In einem Interview hatte Trump kürzlich offengelassen, ob er eine Wahlniederlage akzeptieren würde.

Im April hatte Trump Spekulationen seines Rivalen Biden über eine mögliche Verschiebung des Termins noch entschieden zurückgewiesen. "Ich habe nie auch nur daran gedacht, den Wahltermin zu verschieben", sagte Trump damals und sprach von "erfundener Propaganda". Der 3. November - der geplante Wahltermin - sei ein gutes Datum. Biden hatte nach Angaben von Journalisten gesagt, Trump wolle den Wahltermin nach hinten verschieben, weil er denke, dass er nur so gewinnen könnte.

Der ehemalige Pressesprecher des Weißen Hauses unter Ex-Präsident George W. Bush, Ari Fleischer, rief Trump auf, die "schädliche Idee" nicht weiterzuspinnen, und riet ihm, den Tweet zu löschen. "Das ist keine Idee, die irgendjemand, insbesondere POTUS (der Präsident der Vereinigten Staaten), in Umlauf bringen sollte", schrieb Fleischer auf Twitter. "Unsere Demokratie basiert auf Wahlen, bei denen jeder die Regeln kennt und die für alle gelten. Der Wahltag ist und bleibt der 3. November 2020."

Der demokratische Senator Tom Udall sah in Trumps Tweet ein Ablenkungsmanöver. Trump könne die Wahl nicht verzögern, schrieb er auf Twitter. "Wir sollten uns nicht von seiner #COVID19-Inkompetenz ablenken lassen. Aber die Tatsache, dass er dies auch nur andeutet, ist ein ernsthafter, schauriger Angriff auf den demokratischen Prozess. Alle Mitglieder des Kongresses - und der Regierung - sollten ihre Stimme erheben."

Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU erklärte, man befinde sich in Amerika. "Wir sind eine Demokratie, keine Diktatur." Das Wahldatum sei festgelegt. "Nichts, was Präsident Trump sagt, tut oder twittert kann diese Tatsache ändern."

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