Ankara. Die Innenministerin warnt beim Besuch in der Türkei vor einer Eskalation im Kurdenkonflikt. Das Land müsse aber „verhältnismäßig“ sein.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat an die türkische Regierung appelliert, ein Ausufern der Gewalt bei den Militäroperationen gegen kurdische Milizen zu verhindern. Bei einem Treffen mit ihrem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu sagte Faeser am Dienstag in Ankara, Deutschland stehe im Kampf gegen den Terrorismus an der Seite der Türkei.

Die Reaktion müsse aber „verhältnismäßig sein“, betonte Faeser. Dazu gehörten die Einhaltung des Völkerrechts und der Schutz von Zivilisten, so die Bundesinnenministerin. Die Türkei kritisiert ihrerseits eine zu lasche Haltung Deutschlands gegenüber der PKK, die auch in der EU als Terrororganisation gilt.

Türkei: Erdogan macht PKK für Anschlag verantwortlich

Unterdessen setzte das türkische Militär seine Angriffe auf mutmaßliche Stellungen der Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien und auf angebliche Verstecke der kurdischen Terrororganisation PKK im Nordirak fort. Die Streitkräfte setzten Bomber und Artilleriegeschütze ein. Die türkische Armee hat nach eigenen Angaben bei der „Operation Klauenschwert“, so der militärische Name der Offensive, bisher 184 „Terroristen neutralisiert“.

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Die Türkei übt mit den Angriffen Vergeltung für den Terroranschlag von Istanbul, bei dem vor zehn Tagen sechs Menschen durch eine Bombe getötet und 81 verletzt wurden. Die Regierung macht die PKK und die YPG für das Attentat verantwortlich. Beide Gruppen bestreiten allerdings eine Beteiligung.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (l, SPD) trifft den türkischen Innenminister Süleyman Soylu in Ankara.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (l, SPD) trifft den türkischen Innenminister Süleyman Soylu in Ankara. © dpa | Anne Pollmann

Türkei: Drei Menschen sterben bei Raketenangriff

In der gemeinsamen Pressekonferenz des türkischen Innenministers mit Faeser zeigten sich deutliche Meinungsverschiedenheiten. Soylu sagte, die YPG halte sich nicht an das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Er warf ihr vor, sie wolle in Nordsyrien einen „Terrorstaat“ gründen. Das dürfe die Türkei nicht zulassen. Als Vergeltung für die türkischen Luftangriffe hatte die YPG am Montag fünf Raketen auf die türkische Grenzprovinz Gaziantep abgefeuert. Dabei wurden drei Menschen getötet.

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Ohne Deutschland direkt zu nennen, kritisierte der türkische Innenminister, während sich alle erregten, wenn in der Ukraine Bomben fielen, spielten viele die Terrorgefahr in der Türkei herunter. Man dürfe Terroropfer nicht wegen ihrer Nationalität, ihrer Religion oder weil sie in einem bestimmten Land lebten diskriminieren, sagte Soylu in Anspielung auf die Opfer des Raketenangriffs.

Erdogan: „Wir kennen die Verstecke der Terroristen“

Unmittelbar vor der Abreise der Bundesinnenministerin nach Ankara hatte das Auswärtige Amt (AA) in Berlin die Türkei zur Zurückhaltung in dem Konflikt aufgerufen. Die Regierung in Ankara solle „verhältnismäßig reagieren und das Völkerrecht achten“, sagte AA-Sprecher Christofer Burger. Die Berichte über mögliche zivile Opfer der Luftschläge seien „extrem besorgniserregend“.

Dessen ungeachtet kündigte Staatschef Recep Tayyip Erdogan eine Ausweitung der Offensive an. Die Türkei werde „bald“ in Syrien mit Bodentruppen gegen die YPG vorgehen, sagte Erdogan am Dienstag in der Provinz Artvin. „Wir kennen die Identität und die Verstecke der Terroristen“, sagte Erdogan. „Mit Allahs Hilfe werden wir sie alle so schnell wie möglich mit unseren Panzern und Soldaten ausrotten“, so der Staatschef.