Ankara. Bei der Wahl in der Türkei im Mai tritt Kemal Kilicdaroglu für ein Oppositionsbündnis an. Er fordert damit Präsident Erdogan heraus.

Bereits im Mai wird in der Türkei gewählt. Nun, nur rund zehn Wochen vor der Wahl, steht fest: Kemal Kilicdaroglu wird als Präsidentschaftskandidat eines Oppositionsbündnisses aus sechs Parteien gegen den Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan antreten. Letzterer ist bereits seit 20 Jahren an der Macht – und muss Umfragen zufolge um seine Wiederwahl fürchten.

Kilicdaroglu kündigte an, im Falle eines Wahlerfolgs die Vorsitzenden der anderen fünf Parteien des Bündnisses zu Vizepräsidenten ernennen zu wollen. Tausende Anhänger jubelten den sechs Politikern bei ihrem gemeinsamen Auftritt zu. Kilcidaroglu warb zudem um weitere Unterstützer: "Die Tür des Nationalbündnisses steht allen sperrangelweit offen, die unseren gemeinsamen Traum der Türkei teilen", sagte er.

Präsidentschaftswahl in der Türkei fällt in eine schwierige Zeit

Der Urnengang, bei dem auch das Parlament neu gewählt wird, fällt in eine Zeit, in der die Türkei mit einer massiven Inflation und einer hohen Arbeitslosigkeit kämpft. Zudem wurde nach dem schweren Erdbeben vor einem Monat Kritik am Krisenmanagement der Regierung laut. Eigentlich wären die Wahlen erst im Juni. Erdogan will sie jedoch auf den 14. Mai vorziehen. Dazu will er am Freitag ein Dekret zu erlassen.

Innerhalb des Oppositionsbündnisses hatte es zuvor Streit um die Kandidatenfrage gegeben. Die Chefin der nationalkonservativen Iyi-Partei, Meral Aksener, kündigte am Freitag zunächst die Zusammenarbeit auf, weil sie Kilicdaroglu nicht mittragen wollte. Sie favorisierte den beliebten Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu oder den Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas. Mehr zum Thema: Gericht verhängt Politikverbot gegen Erdogan-Rivalen Imamoglu

Nun sieht ein Kompromiss vor, dass beide bei einem Wahlerfolg zu einem Zeitpunkt, den der neue Präsident für angemessen hält, ebenfalls zu Vizepräsidenten werden. Akseners Austritt aus dem Bündnis hatte zwischenzeitlich für große Aufregung gesorgt. Sie hatte gesagt, die Wahl zwischen Erdogan und Kilicdaroglu sei eine „zwischen Tod und Malaria“. Ungewiss ist noch, ob der Streit dem Bündnis schadet.

Kilicdaroglu steht für nationalistischen Kurs in der Flüchtlingspolitik

Der 74-jährige Kilicdaroglu stammt aus der Provinz Tunceli im Osten Anatoliens. Er gehört der religiösen Minderheit der Aleviten an. Unter anderem befürwortet er eine türkische EU-Mitgliedschaft und gilt als Verfechter eines nationalistischen Kurses beim Thema Flüchtlinge. Kritiker werfen ihm fehlendes Charisma vor. Kilicdaroglu hält dagegen, die Türken hätten genug von Erdogan und dessen Führungsstil. Auch interessant: Jagd auf Erdogan-Kritiker – Türkei setzt hohe Kopfgelder aus

Erdogans islamisch-konservative AKP tritt im Bündnis mit der ultranationalistischen MHP und der kleinen nationalistisch-religiösen BBP zu den Wahlen an. Ein Großteil der Medien in der Türkei steht unter der Kontrolle der Regierung, weswegen die Freiheit der Meinungsbildung und damit auch die Freiheit der Wahlen immer wieder infragegestellt werden. (fmg/dpa)