Washington. Die vielen Twitter-Skandale des zweitreichsten Menschen der Welt gefährden nun auch Tesla. Dessen Aktie ist um 60 Prozent gefallen.

Seit sein Privatvermögen um 100 Milliarden Dollar geschrumpft und er nicht mehr der reichste Mensch der Welt ist, zahlt E-Mobil-Revolutionär Elon Musk mit ganz kleiner Münze heim. Als neuer Boss von Twitter hat er Medienberichten zufolge Mietzahlungen für die Konzern-Zentrale in San Francisco auf Eis gelegt. Ebenso versprochene Abfindungen an Hunderte von ihm gefeuerte Mitarbeiter.

Wer ihm beim Kurzmitteilungsdienst quer kommt, wird, wie es gerade einigen Top-Journalisten in Washington widerfahren ist, ohne Begründung verbannt. Andere werden zur „Fahndung” ausgeschrieben. Von einem Mann, der ein Auto verfolgt haben soll, in dem Musks zweijähriger Sohn saß, veröffentlichte der Unternehmer das Nummernschild und fragte seine 120 Millionen Abonnenten sinngemäß: Kennt ihr denn? Seltsam: Der Polizei in Los Angeles liegt nach eigenen Angaben bisher keine Strafanzeige vor. Medien spekulieren: Hat Musk die ganze Sache getürkt?

Twitter sperrt Konten von Journalisten und der Konkurrenz

Am Donnerstagabend wurden die Konten des konkurrierenden Dienstes Mastodon sowie die mehrerer Journalisten gesperrt, die über den milliardenschweren Eigentümer des sozialen Netzwerks, Elon Musk, berichten.

Am späten Donnerstag wurden die Konten von Reportern von Publikationen wie der „Washington Post”, der „New York Times”, „Mashable” und CNN als blockiert aufgelistet und ihre Tweets waren nicht mehr sichtbar, wobei die Standardmitteilung des Unternehmens besagt, dass es „Konten sperrt, die gegen die Twitter-Regeln verstoßen”, Twitter hat auch das Konto des Sport- und Politikkommentators Keith Olbermann gesperrt, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg.

„Ich habe keine Warnung erhalten. Ich habe weder eine E-Mail noch eine Mitteilung des Unternehmens über den Grund der Sperrung erhalten”, twitterte der Reporter der „New York Times”, Ryan Mac, von einem neuen Konto aus. „Ich berichte über Twitter, Elon Musk und seine Unternehmen. Und das werde ich auch weiterhin tun."

Musk will seine Flug-Bewegungen schützen

Nicht genug damit: Auf dem digitalen „globalen Dorfplatz”, den Musk in Twitter sieht, wird der Ton rauher. Entgegen seines Versprechens, die Meinungsfreiheit toleranter auszulegen als die Vorbesitzer, was zur Entsperrung Hunderter dubioser Konten (etwa das von Ex-Präsident Donald Trump) führte, übt Musk Vendetta, wenn es ihm persönlich gegen den Strich geht. Jüngstes Opfer: Jack Sweeney.

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Der Informatikstudent aus Florida hatte sich auf Twitter eine sechststellige Fan-Gemeinde damit erarbeitet, unter @elonjet über frei zugängliche Satellitendaten sämtliche Bewegungen des Musk'schen Privatjets zu erfassen. Musk fühlte sich überwacht. Das Konto des digitalen Wegelagerers ist geschlossen.

Rund zehn prominenten Journalisten, unter anderem von „New York Times”, „Washington Post” und „CNN”, die darüber berichteten, wurde am Donnerstagabend ohne Nennung von konkreten Gründen der Zugang zu Twitter verwehrt. Später nahm Musk, natürlich auf Twitter, die Verbannten in Sippenhaft. Sie hätten durch Berichterstattung über den Fall @elonjet seine Persönlichkeitssphäre verletzt.

Als ein Sturm der Entrüstung einsetzte, der am Freitag bis in europäische Regierungszentralen von Brüssel bis Berlin reichte, wo man die Pressefreiheit gefährdet sieht und mit Sanktionen droht, veranstaltete Musk eine seiner handwerklich berüchtigten Twitter-Voksbefragungen. Als eine Mehrheit die sofortige Freischaltung der gesperrten Medien-Konten forderte, stampfte Musk die Umfrage ein, das Ergebnis behagte ihm nicht.

Die nach Rachsucht riechenden Petitessen stehen exemplarisch für die Achterbahnfahrt, die der 51-Jährige mit manchmal mit bis zu 70 Beiträgen am Tag aufführt, seit er Twitter im Oktober völlig überteuert für 44 Milliarden Dollar gekauft hat.

Das Logo des Kurzmitteilungsdienstes am Twitter-Hauptsitz in San Francisco.
Das Logo des Kurzmitteilungsdienstes am Twitter-Hauptsitz in San Francisco. © Jeff Chiu/AP/dpa

Image von Tesla hat gelitten

Längst färben die mal despotisch, mal rotzblagenhaft anmutenden Eskapaden auf Musks Kern-Geschäft ab. Nicht nur hat die Tesla-Aktie seit Jahresbeginn um 60 Prozent an Wert eingebüßt. Auch das Image der superleisen, Batterie-getriebenen Autos hat nach Angaben von Marketing-Experten massiv gelitten, seit Musk auf Twitter mit erratischen, beleidigenden und teilweise strafrechtlich relevanten Beiträgen für Aufregung sorgt.

Zuletzt warb er dort sogar für den kriminellen QAnon-Kult, aus dessen Mitte heraus bereits Straftaten begangen worden sind. Soziale Medien in den USA sind jedenfalls voll von Beiträgen, in denen ehemalige Tesla-Fans aus Protest ihre Autos verkaufen oder den Umstieg auf anderen Marken ankündigen.

Große Anleger des im Börsenwert auf rund 500 Milliarden US-Dollar gefallenen Unternehmens sind über die Entwicklung erbost. Sie werfen Musk vor, zu viel Zeit mit Twitter zu vertändeln und das Kerngeschäft bei Tesla zu vernachlässigen. Die Forderung, Musk möge die Führung des weltgrößten Elektro-Auto-Herstellers in andere Händen legen, wird lauter.

Zumal Musk sich regelmäßig im Unternehmen bedient, um flüssig zu bleiben. Binnen eines Jahres hat er Tesla-Aktien im Volumen von 40 Milliarden US-Dollar verkauft, zuletzt am Mittwoch dieser Woche für rund 3,6 Mrd.

Musk setzt Corona-Papst Fauci zu

Bei der Verbreitung bedenklicher Tweets, die seit der Übernahme durch Musk im Bereich Antisemitismus, Hass und Rassismus laut Watchdog-Organisationen massiv zugenommen und viele Werbe-Partner zum Rückzug bewegt haben, geht der extrem nach Aufmerksamkeit lechzende Chef oft vorneweg.

Als der Ehemann von Nancy Pelosi, der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhaus, in San Francisco von einem politisch motivierten Attentäter schwer verletzt wurde, lenkte Musk indirekt die Aufmerksamkeit auf haltlose Spekulationen, es könne sich um eine Beziehungstat gehandelt haben. Später rückte er, ebenfalls ohne jeden Beleg, einen Sicherheits-Ingenieur bei Twitter in die Nähe von sexuellem Kindesmissbrauch. Der Mann musste aus Angst vor Repressalien sein Haus verlassen.

Vorläufiger Negativ-Höhepunkt sind Musks Attacken gegen den in wenigen Tagen nach 50 Dienstjahren unter sieben US-Präsidenten abtretenden Chef-Virologen Anthony Fauci. Dem bald 82-Jährigen, der wegen seiner rigiden Empfehlungen in der Corona-Pandemie aus rechten Kreisen Morddrohungen erhält, wünscht Musk die Justiz an den Hals. Warum? Fauci habe den Kongress „angelogen” und von Viren-Forschungs-Laboren in China profitiert. Behauptet Musk. Beweise? Bisher keine.

Gremium gegen Hass-Rede abgeschafft

Dabei bleibt schleierhaft, wie Musk seine Zusicherung etwa der Europäischen Kommission gegenüber erfüllen will, strenge Vorgaben bei der Unterbindung extremistischer Inhalte auf Twitter zu erfüllen. Bisher beriet ein unabhängiges Experten-Kreis den Konzern dabei, wie „Fake News” und „Hass-Rede" am besten von der Plattform fernzuhalten seien. Musk hat das Gremium just im Handstreich abgeschafft.

Wie sehr Elon Musk in seiner eigenen Filterblase lebt und dabei Allüren zeigt, die frappierend an Donald Trumps „alternative Fakten” erinnern, zeigte sich gerade in San Francisco. Die schwarzen Groß-Komödianten David Chappelle und Chris Rock hatten dort ein Gastspiel. Sie erspähten Musk im Publikum und baten ihn auf die Bühne. Dort musste Musk einen wahren Tsunami von Buhrufen und Pfiffen über sich ergehen lassen. Am Tag darauf twitterte er, 90 Prozent seien zustimmende Bekundungen gewesen, nur zehn Prozent gegen ihn.

Das ist fast so daneben wie Donald Trump, der bei seiner Amtseinführung 2017 Millionen Menschen auf der „Mall” in Washington gesehen haben will. Es gab sie nicht.