Berlin. Berlin liefert der Ukraine 14 Kampfpanzer des Typs Leopard-2-A6 aus den Beständen der Bundeswehr. Chefredakteur Jörg Quoos kommentiert.

Was für ein Befreiungsschlag für den Kanzler. Unter maximalem nationalen und internationalen Druck ist es Olaf Scholz gelungen, in der Panzer-Frage eine Koalition aus den wichtigsten Unterstützern der Ukraine zu schmieden.

Weil jetzt die USA ihre Abrams-Tanks, die Briten den Challenger-Panzer und die Franzosen sehr wahrscheinlich das Modell Leclerc liefern, ist die Lieferung der deutschen Leopard 2 keine riskante Einzelaktion mehr. Das Signal an Wladimir Putin ist klar und eindrucksvoll: Wir stehen gemeinsam der überfallenen Ukraine zur Seite.

Jörg Quoos, Chefredakteur der Berliner Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chefredakteur der Berliner Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Der Kanzler ist für seine zögerliche Haltung viel gescholten worden, auch aus den eigenen Reihen. Jetzt muss man anerkennen: Es hat sich gelohnt, um eine gemeinsame Lösung zu ringen. Denn Wladimir Putin ist machtlos gegen diese internationale Allianz. Die russische Armee hat in den vergangenen Monaten der Welt gezeigt, dass sie nicht in der Lage ist, die Ukraine militärisch schnell zu unterwerfen. Einen bewaffneten Konflikt mit den Ländern der Panzer-Koalition zu suchen, ist keine Option für Russlands Präsidenten, solange er noch alle Sinne beisammenhat.

Ukraine-Krieg: Kein Grund „Hurra“ zu rufen

Den Scholz-Kritikern bleibt nur noch anzuprangern, dass alles so lange gedauert hat. Sogar die liberale Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann, die Scholz über Wochen unter Druck setzte, gratulierte im Bundestag artig.

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So befreiend die Entscheidung der Bundesregierung auch ist – es gibt keinen Grund, „Hurra“ zu schreien. Die Entsendung schwerer Offensivwaffen wird der ukrainischen Armee zwar helfen, aber sie wird den Krieg noch blutiger machen. Schwere Verluste sind für die russische Armee ein Preis, den man gewohnt ist zu zahlen. Geschätzte 180.000 Soldaten sind bereits getötet oder verletzt worden. Diese grauenhafte Zahl lässt Wladimir Putin kalt und seine Antwort ist eine weitere Mobilmachung. Unter 143 Millionen Russen hat Moskau ein großes Reservoir an Menschenmaterial, das ohne Rücksicht an die Front geworfen werden kann.

Es ist auch naiv zu glauben, dass Russland wegen der Lieferung von Kampfpanzern den Krieg schnell verliert oder seine Aggression beenden wird. Auch die neuen Waffensysteme werden nicht reichen, um beispielsweise die Krim zu befreien. Noch bevor die Leoparden unterwegs sind, wird daher der Ruf nach Hubschraubern und Flugzeugen immer lauter werden. Andrej Melnyk, Ex-Botschafter der Ukraine und jetzt Vize-Außenminister, fordert bereits Kampfjets und Kriegsschiffe. Er wird nicht der Einzige mit dieser Forderung bleiben. Das Verlangen nach immer mehr Waffen folgt der Logik eines Krieges, der immer heftiger wird.

So richtig es ist, die Ukraine entschlossen zu unterstützen, so richtig ist es auch, mit den Ukraine-Verbündeten endlich ebenso hartnäckig an einem Plan zu arbeiten, wie man diesen Krieg ohne ein endloses Blutvergießen zu Ende bringen kann. „Jeder Krieg ist für mich der Bankrott der Politik“. Dieser Satz stammt nicht von einem Pazifisten, sondern von einem früheren deutschen Panzer-General der Bundeswehr, Gerd Schmückle, und er hat immer noch Gültigkeit. D

Diese Bankrotterklärung im Falle des Ukraine-Krieges darf nicht endlos gelten. Ja, es ist unendlich schwieriger, Russen und Ukrainer an den Verhandlungstisch zu bringen, als weitere Waffenlieferungen zu organisieren. Aber zu warten, bis eine Kriegspartei vollständig ausgeblutet ist, darf im Europa des Jahres 2023 nicht die einzige ernsthafte Option bleiben.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

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