Berlin . Russland soll in Bachmut Phosphorbomben gezündet haben. Auch die Ukraine hätte keine Skrupel. Diese Waffe gilt als besonders grausam.

Anfangs war es nur ein schlimmer Verdacht. Inzwischen spricht aber alles dafür, dass Russland im Krieg gegen die Ukraine Phosphorbomben einsetzt, eine wahre Horrorwaffe.

Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten jetzt, wie nahe Bachmut zwei Geschosse in einem unbewohnten Gebiet abgefeuert wurden und Explosionen kleine glühende Phosphorkugeln freisetzten, die langsam fielen und auf beiden Seiten der Straße die Vegetation in Brand setzten. Lesen Sie auch: Ist die Schlacht um Bachmut sinnlos, Herr Professor Masala?

Es sind nicht die ersten Zeugenaussagen dieser Art. Schon zu Beginn des Ukraine-Krieges sollen Phosphorbomben beim Sturm auf die Schlangeninsel eingesetzt worden sein; abermals beim Angriff auf Mariupol. Damals waren Videos in den sozialen Netzwerken zu sehen. Außerdem publizierte die Ukraine das abgehörte Telefonat eines russischen Soldaten: "Phosphorbomben, Streumunition – sie haben uns erlaubt, alles zu verwenden, was verboten ist".

Ukraine-Krieg: Einsatz von Phosphorbomben gegen Zivilisten verboten

Absolut verboten sind sie nur im Einsatz gegen Zivilpersonen, beziehungsweise, wenn der Angreifer solche so genannten Kollateralschäden billigend in Kauf nimmt. Im Gefecht sind sie also nicht verboten. Und rechtlich ist es ein Unterschied, ob sie in bewohnten oder unbewohnten Gebieten eingesetzt werden.

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Zur Wahrheit gehört auch, dass andere Staaten sie schon in der Vergangenheit eingesetzt haben, die Türkei, Israel, die USA. Die Israelis haben die entsprechenden Zusatzprotokolle von 1977 zum Genfer Abkommen von 1949 nicht mal unterschrieben und die Amerikaner erst 2009.

Die Ukrainer hätten keine Skrupel, sie ebenfalls einzusetzen. Die Moral hält sie nicht davon ab. Ihnen fehlen bloß diese Kampfmittel. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gehörten sie zur Wunschliste, die Vizeregierungschef Olexander Kubrakow dort vortrug. Wie Russland wolle auch sein Land diese "Art von Kampfmitteln" nutzen. "Es ist unser Staatsgebiet."

Er verstehe die Schwierigkeiten wegen Konventionen, aber diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Der Westen lehnte das ab. Es ist pure Spekulation, aber nicht abwegig, dass sie in Bachmut unter falscher Flagge eingesetzt wurden. Ein Motiv dafür hätten die Ukraine jedenfalls: den Westen umzustimmen. Lesen Sie hier: Ist Wladimir Putin ein Kriegsverbrecher?

Ukraine-Krieg: Das sind Phosphorbomben
Ukraine-Krieg: Das sind Phosphorbomben

Phosphorwaffen erzeugen Rauchwände. So könnten Truppenbewegungen verschleiert werden, schreibt der US-Armeejurist Matthew J. Aiesi auf dem Militärblog "Lawfare". Außerdem werden sie eingesetzt, um nachts Ziele für Luft- oder Artillerieschläge zu erleuchten.

Allerdings werden Phosphorwaffen nicht nur aus militärtaktischen Gründen eingesetzt. Manchmal treffen sie die Zivilbevölkerung – wo sie heftige Schäden anrichten können. Das liegt an ihrer Zusammensetzung: Die Organisation "International Physicians for the Prevention of Nuclear War" (IPPNW) erklärt, dass Phosphorbomben Brandbomben sind, deren Hauptbestandteil ein Gemisch aus weißem Phosphor und Kautschuk ist.

Phosphorpartikel verursachen schwere Schäden im Körper

Der weiße Phosphor verbrennt bei Temperaturen jenseits der 1000 Grad Celsius. Daraus resultierende Feuer können nicht mit Wasser gelöscht werden. Zwar kann man die Flammen ablöschen, nach wenigen Sekunden flammt das Gemisch aber wieder auf. Um ein durch Phosphor entstandenes Feuer zu löschen, müssen die Flammen mit Sand erstickt werden.

Auch der in den Bomben enthaltene Kautschuk sorgt für schwere Verletzungen. Das brennende Phosphor-Kautschuk-Gemisch bleibt bei Kontakt mit der Haut haften und breitet sich auf dem Körper aus.

Dabei kann es Verbrennungen zweiten und dritten Grades auslösen, die sich bis auf die Knochen durch den Körper fressen. Außerdem werden die Phosphorpartikel vom Körper aufgenommen. Sie sind hochgiftig und können Leber-, Herz- und Nierenschäden auslösen, warnt die US-Behörde "Agency for Toxic Substances and Disease Registry" (ATSDR).

Doch auch der eigentliche Einsatzzweck von Phosphorbomben ist extrem gefährlich. Laut ATSDR kann das Einatmen des bei Phosphorexplosionen entstehenden Rauchs die Augen reizen sowie die Atemwege beschädigen. In höheren Konzentrationen kann weißer Phosphor schwere Verbrennungen in den Atemwegen auslösen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen können.

Furchtbare Entstellungen und anhaltende schwere Schmerzen

Ein weiterer Punkt, der die Bomben so grausam macht: Die Opfer eines Phosphorangriffs sind auch lange nach der Attacke stark beeinträchtigt, wie die NGO "Human Rights Watch" (HRW) in einem Bericht dazu schreibt: "Opfer, die ihre ersten Verletzungen überleben können noch lange an intensiven Schmerzen, schweren Infektionen, Organversagen und einem schlechten Immunsystem leiden." Und weiter: "Sie können außerdem entstellt werden und ein Leben lang mit schweren Behinderungen, psychischen Traumata und der Unfähigkeit gezeichnet sein, sich in die Gesellschaft zu integrieren."

Trotz alledem unterliegen Phosphorbomben nicht der Chemiewaffenkonvention. Laut Erik Tollefsen, dem Chef der Kampfmittelbeseitigungseinheit des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, liege das unter anderem daran, dass die internationalen Regeln der Kriegsführung von den diplomatischen Vertretern der Armeen gemacht wurden. Deshalb würden viele dieser Regeln das Erreichen militärischer Ziele über den Schutz der Zivilgesellschaft stellen, erklärt Tollefsen dem US-Magazin "Newsweek". Auch interessant: Ukraine-Krieg: So erlebt Kommandant Scholz die Front

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