Berlin. Um die ukrainische Offensive zu stoppen, verheizt Kremlchef Wladimir Putin seine Reservisten. Sie sollen ohne Ausbildung an die Front.

  • Die angebliche Teilmobilmachung in Russland sorgt für Spannungen im Reich von Putin
  • Hinter dem Akt sehen viele ein Anzeichen dafür, dass der Kreml-Herrscher immer verzweifelter agiert
  • Es mehren sich schlimme Berichte im Umgang mit den Reservisten

"Die Spielchen sind vorbei. Ihr seid jetzt Soldaten!“, herrscht der Aufseher die Männer an. Solche Video-Szenen aus vielen Regionen Russlands gehen gerade in den sozialen Netzwerken viral. Auf Teufel komm raus zieht das Militär Soldaten für den Ukraine-Krieg ein.

Die Männer sind Reservisten. Sie haben durchaus mal eine militärische Ausbildung erfahren. Aber der Dienst an der Waffe ist im Zweifel lang her. Viele von ihnen sind längst in den Militärbasen angekommen, die ersten auch schon in der Ukraine, wie der Generalstab in Kiew beobachtet.

Putin will Menschen aus besetzten Gebieten "retten"

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    Ist Putins Teilmobilmachung bloß eine Verzweiflungstat?

    Überprüfen lassen sich die Angaben der Ukraine nicht. Gesichert istjedoch, dass für die fälligen Übungen nur wenigen Wochen vorgesehen sind. Die Männer ahnen, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, bis sie zum Fronteinsatz abkommandiert werden. Sind sie – grausames Schicksal – bloß Kanonenfutter?

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    Kremlchef Wladimir Putin fehlen Soldaten und die Zeit, sie für den Kampf fit zu machen. Die hohen Verluste und die jüngsten Erfolge der Ukraine haben ihn überrascht. Die von ihm sogenannte "militärische Spezialoperation" ist nicht im Plan.

    Er hat alles versucht: Söldner angeworben, Extremisten, Gefangene. Es reichte nicht. Bis ihm keine Alternative zur Teil-Mobilmachung blieb, um die Verluste in den eigenen Reihen möglichst schnell zu ersetzen.

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    Westliche Experten halten es im Grunde für eine Verzweiflungstat. Das amerikanische "Institute for the Study of War" analysiert, Putin werde zwar zusätzliche Kräfte generieren, doch sei dies "ineffizient und mit hohen sozialen und politischen Kosten im Inland" verbunden. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Krampfkraft wesentlich erhöht werde.

    Mobilisierung: Kreml räumt zahlreiche Verstöße ein

    Das ist eine Frage der Ausrüstung und der Ausbildung, genauer: der Ausbilder. Tausende Berufssoldaten – die Russen nennen sie "kontraktniki" – fehlen. Sie sind gefallen, verwundet, desertiert, gefangen genommen worden. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der britische Geheimdienst in seinen Mitteilungen auf Twitter. Er sagt der Regierung in Moskau „verwaltungstechnische sowie logistische Probleme" voraus.

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    Die Männer spüren das, sie sperren und sträuben sich, wehren sich nach Kräften. Wer kann, verlässt Russland via Flugzeug in die Türkei oder mit dem Auto über die Grenze nach Finnland oder Georgien. Der Inlandsgeheimdienst FSB hat nach einem Bericht der russischen Zeitung RBK mehrere Transportpanzer an die Grenze zu Georgien geschickt, um zu verhindern, dass wehrfähige Männer das Land verlassen können, ohne überprüft worden zu sein.

    Ob zahlreicher Berichte über harsche Zwangsmaßnahmen bei der Rekrutierung, teils mit Gewalt, räumt selbst Kremlsprecher Dmitrij Peskow Verstöße bei der Teilmobilmachung ein. Noch mehr jedoch lässt sein Satz aufhorchen, "im Augenblick" gebe es keine Entscheidungen zur Einführung eines Kriegsrechts. Das deutet darauf hin, dass die Tumulte in fernen Regionen wie Jakutien oder Dagestan keine Einzelfälle sind und die Gefahr droht, dass ihr Protest sich zu einem Flächenbrand entwickelt. Mit dem Kriegsrecht übernimmt das Militär normale zivile Funktionen.

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    Die Verantwortung für die Organisation der Einberufung liegt noch bei den regionalen Gouverneuren und den Kreiswehrersatzämtern. Angeblich sind schon mehrere zehntausend Einberufungsschreiben an die 300.000 Reservisten gegangen. Auf mindestens 140.000 Kräfte will die russische Armee ihre Truppen aufstocken, um die Gegenoffensive der Ukraine zu stoppen.

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    Der Artikel "Ukraine-Krieg: So verheizt Wladimir Putin seine Reservisten" erschien zuerst auf www.morgenpost.de