Berlin. Der Chef der russischen Privatarmee Wagner meldet die Einnahme von Soledar im Donbass. Was das für den Krieg in der Ukraine bedeutet.

Seit Monaten wird im ostukrainischen Donbass heftig gekämpft. Jetzt verkündet der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, die Einnahme der Stadt Soledar. Warum ist die Stadt so wichtig?

Wichtige Stadt im Ukraine-Krieg: Wo liegt Soledar?

Die Kleinstadt Soledar hatte vor dem Krieg 11.000 Einwohner. Sie liegt im Gebiet Donezk im Osten der Ukraine. In Soledar halten sich aktuell noch über 500 Zivilisten auf, wie der ukrainische Militärverwalter der Region Donezk, Pawlo Kirilenko, am Dienstagabend mitteilte.

Ukraine-Krieg: Was ist in Soledar passiert?

Nach tagelangen schweren Kämpfen um Soledar haben Angehörige der berüchtigten russischen Söldnertruppe Wagner die Eroberung des Ortes verkündet. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin behauptete, dass Soledar erobert sei. Im Zentrum des Ortes sei noch eine Gruppe ukrainischer Soldaten eingekesselt.

Eroberung von Soledar: Welche Rolle spielt ein unterirdisches Tunnelsystem?

Prigoschin begründete den Vormarsch der Russen mit riesigen Tunnelsystemen, in denen Truppen und Panzer Unterschlupf finden könnten. „Das Sahnehäubchen obendrauf ist das Minensystem von Soledar und Bachmut, das eigentlich ein Netz unterirdischer Städte ist“, betonte Prigoschin. „Es kann nicht nur eine große Gruppe von Menschen in einer Tiefe von 80 bis 100 Metern aufnehmen, sondern auch Panzer und Schützenpanzer können sich darin bewegen.“

Carlo Masala von der Hochschule der Bundeswehr in München zieht diese Version in Zweifel: „Bei der Darstellung Prigoschins, dass russische Truppen über die Salzminen hinter die ukrainische Front kommen können, handelt es sich eher um ‚Fantasy‘“, sagte er unserer Redaktion.

Aus US-Kreisen hieß es, Prigoschin wolle die Kontrolle über die Salz- und Gipsminen in der Region aus kommerziellen Gründen übernehmen. Der 61-Jährige ist Inhaber eines Firmennetzwerks, zu dem auch ein Ölunternehmen gehört. Bekannt ist, dass sich in der Region um Bachmut und Soledar ein Tunnelsystem von Bergwerken über mehr als 160 Kilometern erstreckt. Zu Friedenszeiten wurden in einem großen unterirdischen Saal Konzerte und Fußballspiele abgehalten.

Wie reagieren Kiew und Moskau auf die Einnahme von Soledar?

Von der Regierung in Kiew wurde Prigoschins Darstellung zurückgewiesen. Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak nannte die Kämpfe um Soledar und das nahegelegene Bachmut die „blutigsten“ Gefechte seit Beginn der russischen Invasion. „Soledar war, ist und wird immer ukrainisch sein“, betonte die ukrainische Armee. Auch interessant: Schwere Waffen – Diese Länder helfen der Ukraine am meisten

Auch Moskau bestätigte eine Einnahme Soledars zunächst nicht. Am Mittwoch teilte das russische Verteidigungsministerium mit: „Luftlandeeinheiten haben Soledar von den nördlichen und südlichen Stadtteilen her blockiert.“ Zugleich wurde eingeräumt, dass die Kampfhandlungen in der Stadt andauerten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sprach von einer „positiven Dynamik beim Vorrücken“ der russischen Kräfte in Soledar. Gleichzeitig rief er dazu auf, nicht voreilig einen Sieg zu verkünden.

Was sagt der russische Präsident Wladimir Putin?

Kremlchef Wladimir Putin äußerte sich nicht zu Soledar, aber zur generellen Lage in der Ukraine. Er beschrieb die Situation in den völkerrechtswidrig annektierten Gebieten der Ukraine als „schwierig“. In einigen Regionen dauerten die Kampfhandlungen an, erklärte er. „Aber all das ist kein Grund, um eine Pause zu machen und die dringlichsten Fragen aufzuschieben.“ Putin wies das russische Kabinett an, in den kommenden Monaten einen Plan für die Entwicklung der annektierten Bezirke Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk auszuarbeiten – etwa mit Blick auf Infrastruktur und Sozialleistungen.

Warum ist Soledar so wichtig?

Rund zehneinhalb Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die Kämpfe im Gebiet Donezk derzeit besonders heftig. Neben regulären russischen Truppen kämpfen bei Soledar auch verschiedene Söldner-Einheiten, darunter auch die berüchtigte Privatarmee Wagner. Die Städte Soledar und das nahegelegene Bachmut gehören zum ukrainischen Verteidigungswall vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk. Es ist der letzte Großraum im Gebiet Donbass, den die Ukrainer noch kontrollieren. Die Einnahme des Gebiets Donezk wäre aus russischer Sicht ein bedeutender Schritt hin zur Eroberung des gesamten Donbass – eines der Kriegsziele des Kremls.

Im Donbass wird erbittert gekämpft. Soledar ist strategisch wichtig.
Im Donbass wird erbittert gekämpft. Soledar ist strategisch wichtig. © VIA REUTERS | UKRAINIAN ARMED FORCES

„Bachmut ist ein Verkehrsknotenpunkt, der wichtig für die russische Logistik ist. Von dort aus könnten die Russen versuchen, Vorstöße in den Westen zu starten – vielleicht auch in Richtung der Großstadt Kramatorsk“, unterstreicht Masala. „Wichtig wäre, dass die Ukraine in Bachmut nicht ihre guten Kämpfer verloren hat. Die würden ihr dann für die geplanten Offensiven im Frühjahr fehlen.“

Aber weder Soledar noch Bachmut hätten per se die große strategische Bedeutung, die die Russen geltend machen, so der Hochschulprofessor. „Die Einnahme der beiden Städte wäre eher wichtig, weil die Russen mal wieder positive Nachrichten brauchen. Russland könnte einen Sieg als Propaganda-Erfolg verkaufen.“ Lesen Sie hier: Kriegsverbrechen im Donbass – eine ungeheuerliche Verrohung

Warum brauchen die Russen dringend einen Erfolg in Soledar?

Russland hat im Krieg schwere strategische Niederlagen einstecken müssen. Zu Beginn der Invasion mussten die Russen den Vormarsch auf Kiew abblasen. Danach befreiten die Ukrainer die Industrie-Metropole Charkiw im Osten und das Gebiet um die Stadt Cherson im Süden.

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