Berlin. . Wer leistet der Ukraine Beistand, falls sie mit Atomwaffen angegriffen wird? Ein Ex-General verrät die drastische Reaktion der USA.

Die Drohung ist im Raum: Ein Angriff auf die Ukraine mit Atomwaffen. "Dies ist kein Bluff", unterstrich Kreml-Chef Wladimir Putin jüngst in einer Rede. Laut David Petraeus würden die USA und ihre Verbündeten Russlands Truppen in der Ukraine vernichten und ihre Schwarzmeerflotte versenken, wie er dem Nachrichtensender NBC-News verriet.

Petraeus hat zwar nicht darüber mit dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan geredet und ist nur ein Pensionär. Aber immerhin war der Vier-Sterne-General Oberbefehlshaber in Afghanistan und CIA-Direktor. Ein Fachmann.

Ex-Geheimdienstschef: Würden jede Streitkraft ausschalten

Wörtlich sagte er am Sonntag, der Schlag würde „jede russische konventionelle Streitkraft ausschalten", die man "auf dem Schlachtfeld in der Ukraine und auch auf der Krim sehen und identifizieren können, sowie jedes Schiff im Schwarzen Meer“.

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Das ist nicht ganz die Antwort, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich erhofft hatte. Prioritär wäre für ihn ein Nato-Beitritt, und zwar schnell. Aber ein Einschreiten der USA – vermutlich zumindest mit Schützenhilfe der Briten – wäre jedenfalls ein Beistand.

Nato-Beitritt der Ukraine: Selenskyj holt zum Gegenschlag aus

Wäre der Ukraine-Krieg nicht tödlicher Ernst, könnte man das Duell der Präsidenten beider Kriegsparteien – Zug um Zug – wie ein Schachspiel betrachten. Nachdem der Kreml-Chef in vier von russischen Truppen besetzten Gebieten Referenden abhalten ließ und am Freitag ihre Annexion verkündete, kündigte Selenskyj in Kiew einen Antrag zur zügigen Aufnahme seines Landes in die Nato an.

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Aus den baltischen Staaten bekam er umgehend Rückendeckung, aus der Nato und den USA nicht. Reserviert und abwartend reagierte auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD): "Es wird da keine Alleingänge von Deutschland geben." Petraeus macht allerdings klar, dass die Amerikaner gleichwohl der Ukraine beistehen würden.

Nato-Beitritt der Ukraine: Selenskyj holt zum Gegenschlag aus

Beide Kriegsparteien eskalieren. Putin tut es mit dem Landraub. Versucht die Ukraine den Donbass zurückzuerobern, wird er es als ein Angriff auf russisches Staatsgebiet deuten. Der Krieg, den er lange Zeit zur "militärischen Spezialoperation" kleingeredet hatte, wird dann zur Landesverteidigung.

Die dient als Begründung dafür, sich militärisch aufzupumpen, zum Beispiel mit einer Generalmobilmachung zur Rettung von Mütterchen Russland oder mit der Drohung mit taktischen Atomwaffen. Nach der russischen Militärdoktrin legitimiert die Landesverteidigung deren Einsatz.

Selenskyjs Gegenzug: Die Internationalisierung des Konflikts – und damit eine Ausweitung. Russland ist eine Atommacht. Eine direkte Konfrontation könnte zu einem Weltkrieg führen. Das ist wohl die größte Sorge von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Von Anfang an war er bestrebt, dieses Szenario zu verhindern. So erklärt sich seine Skrupel, auf Wunsch der Ukraine Ausrüstung zu liefern, gerade schwere Waffen. Das könnte Sie interessieren: Nato einfach erklärt: Warum sie für Putin ein Ärgernis ist

Blufft Selenskjy? Nato-Beitritt ist Wunschdenken

Es gibt einen signifikanten Unterschied: Putin hat mit dem Landraub Fakten geschaffen. Man muss ihm Regionen wie Cherson oder Luhansk erst mal entreißen. Der Nato-Beitritt hingegen liegt nicht in der Macht Selenskyjs. Er setzt Putins Eskalationsdominanz bloß Wunschdenken entgegen. Schon 2014 hatte die Ukraine ihre Neutralität aufgehoben. So lange schon bemüht sich das Land um eine Nato-Mitgliedschaft.

Selenskyj sagte in einer Videobotschaft, sein Land habe bewiesen, dass es die Standards der Militärallianz erfülle. "Wir vertrauen einander, wir helfen einander, und wir beschützen einander. Das ist die Allianz." Im Westen ist man voll des Lobes über die ukrainischen Militärs. Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj kommt auf das Cover des Time-Magazins. Sein Name steht für die Umwandlung eines "klobigen sowjetischen Modell" in eine moderne Streitmacht.

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Aber: Wer zur Nato gehört, genießt ihren Beistand. Der Bündnisfall-Artikel des Nato-Vertrages sieht vor, dass ein bewaffneter Angriff auf ein Land des Verteidigungsbündnisses als eine Attacke auf alle Staaten der Allianz gewertet wird.

Nato-Beitritt: Der Beistand führt zum Kriegseintritt

Mit einem Ja zu einem Beitritt der Ukraine würde die Nato de facto ihren eigenen Kriegseintritt in Kauf nehmen. Derzeit sind 30 Länder in dem Militärbündnis vereint. Einen Konsens über einen "beschleunigen Beitritt" (Selenskyj) zu erzielen, ist schweirig. Zustimmung kommt von den drei baltischen Staaaten. Andere dürften ein Problem haben. Bezeichnend ist die Reaktion von Jake Sullivan: Es sei derzeit besser, der Ukraine durch Unterstützung vor Ort zu helfen. Ein Beitrittsverfahren solle zu einer anderen Zeit aufgegriffen werden, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.

Dass Selenskyj es Nato-Mitgliedschaft aufreizend forciert, dürfte Putin wurmen. Eines seiner Kriegsziele war zu verhindern, dass sich das westliche Bündnis ausdehnt. Er wollte nicht zuletzt ein Stoppsignal setzen.

Ukraine war auf und dran, ihr Nato-Ziel zurückzustellen

Eine tragische Note seines Scheiterns ist, dass die Ukraine Ende März bei Verhandlungen in der Türkei auf und dran war, das Beitrittsziel zurückzustellen. Damals forderten ihre Unterhändler in Istanbul ein "internationales Abkommen", um die Sicherheit ihres Staates zu garantieren. Mehrere Länder sollten als Unterzeichnerstaaten die Garanten sein. Es musste keineswegs die Nato sein.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Putin hat diese Chance verstreichen lassen. Der Kremlchef fühlte sich stark und wollte alles: Neutralität, Demilitarisierung, "Entnazifizierung" des Nachbarlandes. Davon hat er sechs Monate später nichts erreicht.

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Der Artikel "Ukraine: Was ist an Selenskyjs Drohung mit der Nato dran?" erschien zuerst auf morgenpost.de