Berlin. In zwei Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht die Arbeitnehmerrechte gestärkt. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Es ist ein ständiger Streitpunkt. Müssen Arbeitnehmer am Ende eines Jahres noch ihren vollen Urlaub nehmen oder können sie ihn ins neue Jahr retten. Die Bedingungen, unter denen das jetzt möglich ist, sind nun neu. Denn in zwei Grundsatzentscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Urlaub: Was hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?

Die Richter haben entschieden, dass Urlaubsansprüche gegenüber dem Arbeitgeber nach einer Verjährungszeit von drei Jahren nicht unbedingt erlöschen. Voraussetzung für den Verfall der bezahlten freien Tage ist ein Information des Arbeitgebers über eine drohende Verjährung der Ansprüche. Unterlässt der Arbeitgeber den Hinweis, läuft der Anspruch weiter. Das kann sogar über einen langen Zeitraum der Fall sein.

Wen betrifft die Entscheidung?

Es gibt immer wieder Streit um verfallende Urlaubstage. Das Bundesarbeitsgericht hat nun in zwei exemplarischen Fällen ein Grundsatzurteil gefällt, das viele andere Beschäftigte auch betreffen dürfte. Im ersten Fall ging es ging es um die Verjährungsfrist von drei Jahren. Geklagt hatte eine Steuerfachangestellte, die 101 Urlaubstage aufgrund ihrer hohen Arbeitsbelastung über mehrere Jahre nicht nehmen konnte. Ihr Arbeitgeber zog sich auf den Standpunkt zurück, dass die Ansprüche verjährt seien. Dagegen klagte sie – und bekam am Ende Recht. Im zweiten Fall ging es um eine Krankenhausangestellte, die lange krank war. Sie konnte im Jahr der Erkrankung nur einen Teil ihres Urlaubs nehmen. Hier ging es um den Streitpunkt, wann die restlichen Tagen verfallen sind.

Automatischer Verfall des Urlaubs: Wie sah die bisherige Rechtsauffassung aus?

Grundsätzlich gingen die Juristen lange von von einem automatischen Verfall der Urlaubstage aus, wenn seit dem Urlaubsjahr 15 Monate ins Land gezogen sind. Nach drei Jahren nahmen sie eine Verjährung der Ansprüche an. 2019 gab es dann bereits ein Grundsatzurteil, dass den Arbeitgebern eine Mitwirkungspflicht auferlegt, damit Urlaubstage nicht durch Unkenntnis oder Nachlässigkeit verfallen. Sie müssen ihre Beschäftigten darüber informieren und sie auffordern, den Resturlaub zu nehmen. Die Fragen nach Verjährung oder Krankheit blieben damals unbeantwortet. Das hat das oberste Gericht nun nachgeholt.

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Welche Rolle spielte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Verfahren?

Die Erfurter Richter hatten dem EuGH die beiden Fälle vorgelegt. Sie wollten wissen, ob eine Verjährung nach europäischem Recht möglich ist, wenn der Arbeitgeber einem Beschäftigten den Urlaub nicht nahebringt. Dies sei nicht möglich, urteilen die Luxemburger Richter im September dieses Jahres. Wenn der Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nachkomme, verfalle oder verjähre der Anspruch nicht.

Wie können Ansprüche auch noch viele Jahre erhalten bleiben?

Auch hier hat das Bundesarbeitsgericht einen exemplarischen Fall entschieden. Dabei ging es um einen Flughafenmitarbeiter, der im Dezember 2014 arbeitsunfähig wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch Anspruch auf 24 Urlaubstage, die nach der bisherigen Rechtsauffassung verfallen wären. Die Richter sehen in diesem Fall aber den Arbeitgeber in der Pflicht. Er hätte darauf hinwirken müssen, dass der Urlaub rechtzeitig im Jahr genommen wird. Deshalb sein der Anspruch nicht verfallen, auch bei einer noch 2019 bestehenden vollen Erwerbsminderung nicht. Die Arbeitgeber bekommen von den Gerichten also weitaus mehr Verantwortung zugewiesen als früher.

Urlaub: Wie viel Tage stehen Beschäftigten zu?

Es gibt eine gesetzliche Mindestregelung. Sie sieht bei einer sechs-Tage-Woche einen Anspruch auf 24 Urlaubstage vor, bei einer fünf-Tage-Woche von 20 Tagen Bei kürzeren Arbeitszeiten verringert sich der Anspruch weiter. In Tarifverträgen oder individuellen Verhandlungen der Arbeitszeit kommt es zu nach oben abweichenden Vereinbarungen.

Fristen: Muss der Urlaub innerhalb des laufenden Jahre genommen werden?

Es ist das Ziel, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich regelmäßig von der Arbeitsbelastung erholen können. Deshalb sollen sie den Urlaub auch während des Jahres nehmen, in dem der Anspruch entsteht. In vielen Fällen kann der Urlaub nicht mehr vollständig im laufenden Jahr genommen werden. In der Regel holen die Beschäftigten den offene Zeit im ersten Quartal des folgenden Jahres nach. „Ansparen“ von Urlaubstagen über mehrere Jahre ist nicht erlaubt. In Fällen wie sie jetzt vom Bundesarbeitsgericht entschieden wurden, verschwindet ein Urlaubsanspruch nicht zwangsläufig, auch wenn es Jahre dauert.

Muss der Arbeitgeber meine zeitlichen Urlaubswünsche berücksichtigen?

Berücksichtigen ja, ihnen folgen nein. Die betrieblichen Belange spielen bei der Gewährung von Urlaubswünschen eine gewichtige Rolle, etwa wenn es in einem Betrieb Werksferien für alle gibt. Die Arbeitgeber müssen zudem auch soziale Belange prüfen. Wer hat den Urlaub am nötigsten, wer muss in den Ferien frei bekommen und andere Aspekte. Eine bockige Reaktion auf einen verweigerten Urlaubszeitraum sollte unterbleiben. Im schlimmsten Fall kann das einfach Fortfahren und den Betrieb sich selbst überlassen zur Kündigung führen.

Wie steht es mit dem Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit?

Generell steht auch Kurzarbeitern Urlaub zu. Allerdings verringert sich der Anspruch laut DGB entsprechend der ausgefallenen Arbeitszeit. Wenn zum Beispiel einen Monat lang Kurzarbeit „null“ gilt, entfällt ein Zwölftel des Jahresanspruches.