Washington. Neue Munition für ein Amtsenthebungsverfahren: In der Ukraine-Affäre belastet Top-Diplomat William Taylor den US-Präsidenten schwer.

In der Ukraine-Affäre hat US-Präsident Donald Trump ausgerechnet durch die massiv belastende Aussage seines eigenen Botschafters in Kiew den bisher schwersten Rückschlag erlitten. Gleichzeitig haben die Demokraten zusätzliche Munition für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens an die Hand bekommen, dem nach einer aktuellen Umfrage inzwischen 55 Prozent der Amerikaner zustimmen.

William Taylor, seit 50 Jahren im Staatsdienst und seit Frühjahr Interims-Chef-Diplomat in der Ukraine, hatte im Kongress unter Eid bestätigt und anhand von schriftlichen Notizen minutiös rekonstruiert, was Trump abstreitet.

Der Präsident, so Taylor, hat den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über Abgesandte demnach mit einer Drohung erpresst. Sie erfüllt aus Sicht von Demokraten und Staatsrechtlern den Tatbestand des Amtsmissbrauchs und könnte eine Amtsenthebung rechtfertigen.

Donald Trump soll Ukraine laut Taylor erpresst haben

Eine strafrechtliche Verfolgung scheidet derzeit aus. Schon Sonderermittler Robert Mueller hatte in der Russland-Affäre Trump diverses Fehlverhalten (Behinderung der Justiz) vorgehalten, aber eine Anklage ausgeschlossen. Begründung: Ein amtierender Präsident ist nach den Gepflogenheiten des Justizministeriums bis zum Ausscheiden strafrechtlich vor Verfolgung immun.

Laut Botschafter Taylor habe Trump angeordnet: Nur wenn Selenskyj öffentlich Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und dessen Sohn Hunter ankündigt, könne es a) eine Einladung ins Weiße Haus und b) die Freigabe von 400 Millionen Dollar US-Militärhilfe für das von russischer Teilbesetzung geplagte Land geben.

Hintergrund: Hunter Biden war Mitglied im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma, während sein Vater als Vizepräsident unter Barack Obama das Ukraine-Dossier versah. In diesem Kontext beförderte Biden senior dort die Ablösung eines als korrupt geltenden Generalstaatsanwalts.

Trump erhofft sich nach Berichten von US-Quellen aus der Ukraine Informationen, die seinen möglichen Herausforderer bei der Wahl in einem Jahr in Verruf bringen könnten. Vater und Sohn Biden bestreiten jedes Fehlverhalten.

Ukraine-Affäre- US-Stabschef Mulvaney mit widersprüchlichen Aussagen

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    Laut Trump soll die Ukraine 2016 die US-Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben

    Zudem, so Taylor weiter, müsse sich Selenskyj verpflichten, einer von Trump verfolgten Verschwörungstheorie nachzugehen. Danach soll nicht Russland, sondern die Ukraine 2016 die US-Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben, mithilfe der Demokraten. Eine These, die sämtliche US-Geheimdienste als substanzlos bezeichnen.

    Sie sehen eindeutig den Kreml hinter den heimlichen Aktivitäten vor drei Jahren, die vor allem über Internetpropaganda liefen. Wie Taylor in seiner Eröffnungserklärung für die Kongressausschüsse schrieb, die unserer Redaktion vorliegt, hat Amerikas EU-Botschafter Gordon Sondland das von Trump gewünschte Geschäft auf Gegenseitigkeit mit der Ukraine genau beschrieben.

    Davon hänge „alles“ ab in den künftigen Beziehungen beider Länder, zitiert Taylor Sondland. Der Karrierediplomat Taylor bestätigte eine ihm zugeschriebene SMS an Sondland. Inhalt: „Ich glaube, es ist verrückt, die Militärhilfe zurückzuhalten, um Hilfe für einen Wahlkampf zu bekommen.“

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    Drohung gegen Ukraine: William Taylor sprach von „höchst irregulären Kanälen“

    Taylor reihte sich in die Riege jener Top-Diplomaten ein, die Trump in der Ukraine eine Moskau nützende „Schattendiplomatie“ vorwerfen. Ausgeführt durch seinen selbst von strafrechtlichen Ermittlungen überzogenen Privatanwalt Rudy Giuliani und gegen den erklärten Willen des früheren Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton, der Giuliani die Gefährlichkeit einer „Handgranate“ attestierte.

    Taylor sprach von „höchst irregulären Kanälen“, die er in Kiew vorgefunden habe. Trump hält dagegen daran fest, dass es von ihm nie den Versuch eines Quid pro quo (Gibst-Du-mir-geb-ich-Dir) mit der Ukraine gegeben habe. Seine Sprecherin Stephanie Grisham nannte Taylors Auftritt eine „koordinierte Schmutzkampagne“.

    ukraine-affäre- us-stabschef mulvaney mit widersprüchlichen aussagen

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      Trumps Stabschef Mick Mulvaney hatte zuletzt dagegen bestätigt, dass die USA mit der Ukraine ein faules Geschäft anstrebten. Dies sei normal, so Mulvaney vor Journalisten und fügte hinzu: „Gewöhnt euch dran.“ Später zog er seine Aussagen zurück.

      Vor Taylors Vernehmung eskalierte der Präsident seine Rhetorik gegen die Demokraten. Er verglich die Ermittlungen gegen sich mit „Lynchen“. Bis hin zum Republikaner-Chef im Senat, Mitch McConnell, der angesichts der amerikanischen Geschichte von „unangebrachter Wortwahl“ sprach, reichte die Liste der Kritiker.