Washington. Kurz vor Iowa beginnen die US-Demokraten, sich in der TV-Debatte anzugreifen. Ein klarer Favorit ist aber immer noch nicht zu erkennen.

Das höfliche Schattenboxen des vergangenen Jahres ist vorbei, die Samthandschuhe sind ausgezogen. 20 Tage vor dem offiziellen Startschuss im Rennen um das demokratische Präsidentschaftsticket in Iowa steigt bei den vier chancenreichsten Kandidaten die Raufbereitschaft in unerwartete Dimensionen.

Der Grund: Ein klarer Favorit hat sich immer noch nicht herausgemendelt. Nur in einem sind sich die Bewerber einig: Donald Trump ist gefährlich – und muss weg.

US-Demokraten: In TV-Debatte fällt der Nichtangriffspakt

Bei der ersten TV-Debatte in 2020 in Des Moines, der Hauptstadt des Agrar-Bundesstaats, bemühten sich am Dienstagabend vor allem der Hillary Clinton-Herausforderer von 2016, Senator Bernie Sanders, und Senatorin Elizabeth Warren um Abgrenzung.

Elizabeth Warren und Bernie Sanders diskutieren auch nach der TV-Debatte noch weiter.
Elizabeth Warren und Bernie Sanders diskutieren auch nach der TV-Debatte noch weiter. © dpa | Patrick Semansky

Beide sind seit Jahren eng befreundet. Das Duo, er 78, sie 70, fischt mit links-progressiven Konzepten im gleichen Wähler-Pool. Trotzdem verzichteten die Oldies bisher auf wechselseitiges Piesacken. Vor Debatten-Beginn platzte der Nichtangriffspakt.

Warren stellt Sanders als Senioren-Chauvis dar

Warren, deren Stern seit Wochen leicht sinkt, behauptet, Sanders habe ihr vor zwei Jahren unter vier Augen erklärt, eine weibliche Präsidentschaftskandidatin könne gegen Amtsinhaber Trump nicht gewinnen. Sanders bestritt das vor laufender Kamera mit rotem Kopf vehement, wurde aber den Makel des Senioren-Chauvis nicht wirklich los.

Zumal Warren kontrolliert nachlegte. Sie erinnerte daran, dass die männlichen Teilnehmer auf der Bühne zusammen zehn Wahlen verloren hätten. Während sie selbst und die Senatoren-Kollegin Amy Klobuchar aus Minnesota „die einzigen Leute hier sind, die jede einzelne Wahl gewonnen haben, bei der sie angetreten sind”. Lautstarker Beifall im Publikum der Drake-Universität war die Folge.

Junger Außenseiter Pete Buttigieg könnte profitieren

Pete Buttigieg ist jung, eloquent – und könnte noch von seiner Außenseiterrolle profitieren.
Pete Buttigieg ist jung, eloquent – und könnte noch von seiner Außenseiterrolle profitieren. © dpa | Patrick Semansky

Vertiefen sich die Bruchlinien zwischen den selbst ernannten System-Veränderern Sanders und Warren, könnten bei der Iowa-Vorwahl am 3. Februar die Wortführer der Moderaten, Alt-Präsident Joe Biden (77), und der junge Außenseiter Pete Buttigieg (37), Ex-Bürgermeister der kleinen Industriestadt South Bend/Indiana, profitieren. Oder wie links darf der Trump-Gegner sein?

Beide profilieren sich als Alternativen mit Augenmaß. Biden, wie gehabt rhetorisch nicht trittsicher, rühmt sich seiner langen außenpolitischen Erfahrung und sagt: „Charakter und Anstand stehen diesmal auf dem Wahlzettel.“ Buttigieg, vielleicht der eloquenteste Redner von allen, sagt, Washington benötige frisches, junges Blut: „Wir haben eine einmalige Chance.“ Kann „Mayor Pete“ Trump aus dem Weißen Haus vertreiben?

Klobuchar (Minnesota) und der Milliardär Tom Steyer, die ebenfalls am Dienstag die Kriterien für die Debatten-Bühne erfüllten, spielen trotz energischer Auftritte bisher nur Komparsenrollen im Rennen um die Kandidatur.

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Michael Bloomberg nörgelt via Twitter in Debatte hinein

New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg, der mit dreistelligem Millionen-TV-Werbe-Aufwand über die Außenbahn kommen will, schwänzt die ersten vier Vorwahlen und war am Dienstag nicht dabei. Der 55-fache Milliardär tritt erst Anfang März ins Vorwahl-Geschehen ein. Was ihn aber nicht davon abhielt, mit teils abstrusen Twitter-Beiträgen in die auf CNN übertragene Debatte hinein zu nörgeln. So kann Michael Bloomberg Donald Trump besiegen.

Bernie Sanders will das System tiefgreifend ändern.
Bernie Sanders will das System tiefgreifend ändern. © dpa | Patrick Semansky

Die aktuellste Umfrage der in Iowa führenden Zeitung „Des Moines Register” sah Sanders, der nach einem Herzinfarkt im Herbst energiegeladener als je zuvor wirkt und vor allem bei Wählern unter 30 hoch im Kurs steht, vor wenigen Tagen mit 20 % vorn. Warren (17 %), Buttigieg (16 %) und Biden (15 %) lagen eng dahinter; bei einem Irrtumsfaktor von rund 4 %. Aussagekraft also begrenzt. Zumal sich 45 % der Wähler vorstellen können, noch kurz vor Schluss die Pferde zu wechseln.

Was Iowa im US-Wahlkampf so besonders macht

Warum ist Iowa wichtig, obwohl weder ökonomisch noch demographisch repräsentativ für die USA? Tradition. Sie sind die Ersten im Ringen um die rund 4000 relevanten Delegiertenstimmen, die im Sommer beim Parteitag in Milwaukee über Sieg und Niederlage entscheiden.

Wer in Iowa vorn liegt, kriegt meist Wind unter die Flügel für die folgenden Wettbewerbe in New Hampshire, Nevada und South Carolina. Seit 1976 hat der Bauern-Staat von Jimmy Carter bis Hillary Clinton in neun von elf Wahlperioden die Person nominiert, der später auch die Kandidatur zufiel.

Wollen die Wähler die große Wende oder die maßvolle Mitte?

Die neuen Trennlinien der Debatte, die am Dienstag erneut keinen klaren Sieger fand, sind die alten: Kann Mittigkeit von Trumps toxischer Erregungspolitik abgetörnte Wähler begeistern – also eine Reform-Agenda, die bewusst auf Radikalität verzichtet? Dann wären Biden, Buttigieg und Klobuchar wählbare Namen.

Oder zahlt der gesellschaftspolitisch große Wurf im Sozialen wie in der Umweltpolitik („new green deal”) inklusive Reichensteuer an der Wahlurne aufs demokratische Konto ein? Dann ginge an Sanders oder Warren kein Weg vorbei.

Barack Obama gibt Hinweis, in welche Richtung es gehen sollte

Beide haben abgesehen vom nur flüchtig übertünchten Zwist untereinander auch mit dem „Übervater” der Demokraten zu kämpfen. Trump-Vorgänger Barack Obama schrieb seiner Partei schon vor Wochen ins Stammbuch: „Der Durchschnittsamerikaner glaubt nicht, dass wir das System komplett niederreißen und neu gestalten müssen.”

Damit hob Obama vor allem auf Sanders und Warren ab. Beide wollen das existierende Gesundheitswesen, bei nur graduellen Unterschieden, durch eine staatliche Krankenversicherung nach europäischem Vorbild revolutionieren. Weil die geschätzten Kosten (20 Billionen Dollar plus x) astronomisch wären und 150 Millionen Amerikaner ihre private Krankenversicherung verlören, gilt das Projekt mit Blick auf die Gesamt-Wählerschaft als Durchfall-Erreger. Bernie Sanders schwört trotzdem weiter darauf.

Die nächste TV-Debatte, es wird die achte seit vergangenem Sommer sein, steht im Februar auf der Tagesordnung.