Washington. Trump droht eine Verurteilung – doch wie geht es in dem Fall weiter? Kann er noch Präsident werden? Oder aus dem Gefängnis regieren?

Frühestens Anfang 2024 sieht Richter Juan Merchan den Zeitpunkt dafür gekommen, den ehemaligen US-Präsidenten in New York einem historischen Gerichtsverfahren zu unterziehen. Seine Verteidiger wollen frühestens im Frühjahr 2024 versuchen, die Unschuld Donald Trumps zu beweisen, der am Dienstag als erster ehemaliger Präsident mit einer Anklage konfrontiert wurde. Ob es so kommt, ist ungewiss.

In zwölf Monaten stecken die USA mitten im Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2024. Und Trump ist bisher der einzige republikanische Kandidat mit Chancen. Das wirft viele Fragen auf: Kann er unter dem Damoklesschwert einer Anklage überhaupt antreten? Eindeutig: ja. Das liegt an der amerikanischen Verfassung.

Sie sagt nicht, dass Straftäter oder solche, die einen Prozess zu gewärtigen haben, von einer Bewerbung ausgeschlossen werden können.

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Einzige Kriterien, die zu erfüllen sind: Der Kandidat muss mindestens 35 Jahre alt, in den Vereinigten Staaten geboren und dort mindestens 14 Jahren ansässig sein. Das bedeutet formal gesprochen: Trump könnte sogar aus dem Gefängnis heraus für das Weiße Haus antreten. So hat es Eugene Debs 1920 gemacht. Der Sozialist geriet wegen einer Anti-Kriegsrede mit dem Spionage-Gesetz in Konflikt und wurde zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er gewann bei der Wahl knapp 900.000 Stimmen.

Trump könnte auch aus dem Gefängnis kandidieren

Auch Lyndon LaRouche, den bekannten Verschwörungstheoretiker, hinderte eine Verurteilung wegen Steuerbetruges 1988 nicht daran, bis 2004 mehrfach für das Präsidentenamt zu kandidieren.

Einzige Einschränkung: Wäre Trump bis dahin verurteilt, dürfte er 2024 bei der Präsidentschaftswahl nicht seine Stimme abgeben. Ob die republikanische Partei und die republikanischen Wähler den unter einer oder mehreren Anklagen stehenden Trump politisch weiter für tragbar hielten und überhaupt nominierten, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Im aktuellen Fall der mutmaßlich betrügerisch abgerechneten Schweigegeldzahlungen, die Trump laut Anklage unter anderem an ehemalige Sex-Partnerinnen gezahlt haben soll, drohen dem 76-Jährigen – rein theoretisch – bei 34 Einzelstraftaten, die mit maximal jeweils vier Jahren bestraft werden könnten, 136 Jahre Gefängnis.

Aber: Kein US-Jurist von Rang rechnet heute damit, dass Trump wegen dieser Delikte auch nur kurzzeitig das Innere einer Zelle sehen wird.

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Selbst wenn es, was aus heutiger Sicht fraglich erscheint, in einigen Jahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung kommen würde, sind laut vielen Experten Bewährungsstrafen oder andere „Deals” mit der Justiz absehbar, die Trump nicht hinter Gitter bringen würden. Zur Wahrheit gehört ebenso: Auch ein Freispruch ist möglich.

Wird Trump bei laufenden Verfahren Präsident, droht „Verfassungskrise“

Neuland beträten die Vereinigten Staaten, wenn Trump im November 2024 tatsächlich wiedergewählt würde und Anklagen oder Prozesse dann noch laufen sollten, kurz vor einem Urteil stünden oder mit einer Verurteilung abgeschlossen wären.

Aktuell gilt die seit der Watergate-Affäre Richard Nixons vom Justiz-Ministerium geübte Praxis, dass ein amtierender („sitting”) Präsident von strafrechtlicher Verfolgung verschont bleibt. Darum wurden durchaus vorhandene Anhaltspunkte in beiden gescheiterten (rein parlamentarisch geführten) Amtsenthebungsverfahren gegen Trump juristisch nicht weiterverfolgt.

Kann Donald Trump im Gefängnis zum Präsidenten gewählt werden und sich dann selbst begnadigen?
Kann Donald Trump im Gefängnis zum Präsidenten gewählt werden und sich dann selbst begnadigen? © AFP | MANDEL NGAN

Die Verfassung sagt nach Angaben von Ken Gormley, Autor eines bekannten Buches über das Spannungsfeld zwischen Präsident und Verfassung, nichts darüber aus, ob Trump im Falle seiner Wahl 2024 ab Januar 2025 bei laufenden Verfahren umgehend Immunität beanspruchen könnte.

Der Rechtsprofessor erwartet für diesen Fall eine „Verfassungskrise höchsten Ausmaßes”. Ginge es um Straftaten, die Bundesrecht („federal law”) gehorchten, könnte sich Trump qua Amtsbefugnis selbst begnadigen – oder seinen neuen Justizminister anweisen, Ermittlungen gegen ihn abzubrechen.

Anders sieht es in der laufenden Anklage von Staatsanwalt Alvin Bragg aus. Hier gilt das Recht des Bundesstaates New York. Washington hat hier nichts zu melden. Trumps „Arm” reicht nicht bis zur Justiz am Hudson River. Ausgang? Völlig offen.

Ist Amtsausübung aus Gefängnis nicht möglich, könnte Vize übernehmen

Noch vertrackter wird die Sache, wenn man hypothetisch annimmt, Trump säße als wiedergewählter Präsident Anfang 2025 im Gefängnis. Könnte er überhaupt seinen Job ausführen?

Nein. Obliegenheiten eines Staatsoberhaupts wie Auslandsbesuche oder die Einsicht in geheime Regierungsunterlagen wären dann nicht mehr erfüllbar.

Wenn aber ein Präsident seine Aufgaben nicht mehr erledigen kann, physisch oder geistig, kommt der 25. Verfassungszusatz zum Tragen. Er legt fest, dass der Vize-Präsident oder die Vize-Präsidentin in diesem Fall ins erste Glied rutscht. Mehr zum Thema: Donald Trump könnte aus dem Gefängnis kandidieren

Verfassungsrechtler erwarten für diese ebenfalls rein theoretische Konstellation, dass ein frisch gewählter Präsident Trump unmittelbar vom Kongress des Amtes enthoben würde, weil er schlichtweg hinter Gittern nicht funktionsfähig wäre.

Privat gelagerte Geheimdokumente könnten Trump gefährlicher werden

Wie bei fast allen Themen im Kontext von Präsident und Verfassung gibt es in den USA auch eine andere Lesart zu der Frage, wie strafbar – im rechtlichen wie politischen Sinn – sich ein Präsidentschaftskandidat machen darf. Hier kommen die weiteren großen juristischen Baustellen ins Spiel, mit denen Trump zu kämpfen hat: Seine Regisseur-Rolle beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021. Und der ihm unterstellte Diebstahl von Staatsgeheimnissen, die in seinem Privat-Domizil in Mar-a-Lago in Florida gehortet wurden.

Die „Entfernung, Unterschlagung oder Zerstörung” präsidialer Dokumente kann laut Gesetz mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Mit der Verurteilung ginge ein Verbot zur Ausübung öffentlicher Ämter einher. Das Statut ist noch nie angewandt worden.

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Was die von Trump inspirierten schweren Ausschreitungen am Kongress vor zwei Jahren angeht, sieht die Lage so aus: Das Parlament könnte Trumps Kandidatur für 2024 unter Verweis auf den 14. Verfassungszusatz disqualifizieren.

Dazu müsste der Nachweis erbracht und mit Mehrheit bejaht werden, dass Trump aktiv an einem „Aufstand oder einer Rebellion” beteiligt war. Doch die Republikaner, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, werden dem aus heutiger Perspektive niemals zustimmen.