Kabul/Doha/Washington. Die Vereinbarung zwischen den USA und den Taliban soll ein bedeutender Schritt in Richtung Aussöhnung in Afghanistan sein. Sollte es tatsächlich halten, könnten die ausländischen Truppen schon im kommenden Jahr aus dem Land abziehen.

Mehr als 18 Jahre nach Beginn des US-geführten Militäreinsatzes in Afghanistan haben die USA und die Taliban ein Abkommen über Wege zum Frieden geschlossen.

Im Golfemirat Katar unterzeichneten der US-Sondergesandte für Aussöhnung in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, und der Leiter des politischen Büros der Taliban in Doha, Mullah Abdul Ghani Baradar, vor rund 300 geladenen Gästen eine entsprechende Vereinbarung. Sollte das Abkommen halten, sollen die ausländischen Truppen Ende April kommenden Jahres vollständig aus Afghanistan abgezogen sein.

US-Außenminister Mike Pompeo sagte bei der Zeremonie in Doha, das Abkommen sei ein "echter Test" für die Bemühungen um dauerhaften Frieden in Afghanistan. "Wir stehen erst am Anfang", sagte Pompeo bei der Zeremonie. "Eine signifikante Verringerung der Gewalt wird die Bedingungen für Frieden schaffen, und das Fehlen derselben die Bedingungen für ein Scheitern."

Das Abkommen besteht aus vier Teilen. Die Taliban verpflichten sich demnach, dass aus Afghanistan keine Gefahr für die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten ausgehe. Damit sind Garantien gemeint, dass die Islamisten künftig keinen terroristischen Gruppen mehr Unterschlupf bieten. Sie versprechen unter anderem, diese Gruppen davon abzuhalten, Kämpfer zu rekrutieren, auszubilden oder Gelder für sie zu sammeln.

Mehrmals wird dabei explizit das Terrornetz Al-Kaida erwähnt. Für die USA hat eine derartige Zusage besondere Bedeutung. Die Taliban wurden 2001 nach den Al-Kaida-Angriffen in New York und Washington von einer US-geführten Militärintervention von der Macht vertrieben. Sie hatten Al-Kaida-Chef Osama bin Laden beherbergt. Zudem rechtfertigten sie ihren Einsatz in Afghanistan damit zu verhindern, dass das Land wieder ein sicherer Hafen für Terroristen wird.

Die USA verpflichten sich, alle Truppen der USA, Nato und anderer Verbündeter aus dem Land abzuziehen. In einer ersten Tranche soll die Zahl der aktuell rund 13.000 US-Soldaten binnen 135 Tagen auf 8600 verringert werden, proportional dazu soll die Zahl der Nato-Truppen sinken.

Auch Deutschland ist mit rund 1200 Soldaten an dem Nato-Ausbildungseinsatz beteiligt. Innerhalb von 135 Tagen - also rund viereinhalb Monaten - sollen fünf Militärbasen komplett geräumt werden. In neuneinhalb weiteren Monaten sollen alle Truppen abgezogen und alle Militärbasen geräumt sein. Dies setzt voraus, dass die Taliban ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen einhalten.

Die Taliban sagen außerdem zu, innerafghanische Friedensgespräche einzugehen. Diese sollen dem Dokument zufolge bereits am 10. März starten, nach Angaben aus der US-Regierung sollen sie in der norwegischen Hauptstadt Oslo stattfinden.

Ein dauerhafter Waffenstillstand für das kriegszerrissene Land wird dem Abkommen zufolge im Zuge der innerafghanischen Verhandlungen diskutiert. Dieser solle gemeinsam mit dem Abschluss eines zukünftigen politischen Fahrplans für das Land verkündet werden. Allerdings geht aus dem Dokument keine Verpflichtung zu einer Reduzierung der Gewalt bis dahin hervor.

Noch vor Beginn der innerafghanischen Verhandlungen sollen 5000 gefangene Taliban und 1000 Gefangene der Taliban freigelassen werden. Die USA wollten auch ihre Sanktionsliste überarbeiten, auf denen sich Taliban-Mitglieder befinden und sich bei Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates dafür einsetzen, dass Taliban-Mitglieder von der UN-Sanktionsliste gestrichen werden.

Teile der Vereinbarung sind nach Angaben aus der US-Regierung geheim. Ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter sagte vor der Unterzeichnung: "Es gibt Teile dieses Abkommens, die nicht öffentlich sein werden, aber diese Teile enthalten keine weiteren Zusagen irgendwelcher Art der Vereinigten Staaten."

Wenige Minuten vor der Unterzeichnung in Doha traten US-Verteidigungsminister Mark Esper, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der gerade wiedergewählte afghanische Präsident Aschraf Ghani bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf. Esper sagte: "Wenn die Taliban sich an das Abkommen halten, werden die Vereinigten Staaten eine auf Bedingungen basierende - und ich wiederhole, auf Bedingungen basierende - Truppenreduzierung beginnen." Er fügte hinzu, andernfalls würden die USA nicht zögern, das Abkommen zu annullieren.

Ghani sagte: "Heute kann ein Moment sein, um die Vergangenheit zu überwinden." Er dankte US-Präsident Donald Trump für dessen Bemühungen. Stoltenberg erklärte: "Das ist ein Sieg für Frieden und ein Sieg für das afghanische Volk."

Als Voraussetzung für die Unterzeichnung des Abkommens hatten die USA von den Taliban sieben Tage der "Gewaltreduzierung" in Afghanistan verlangt. Die Frist lief am Freitag ab. Die Phase verlief nach lokalen Angaben zwar nicht gewaltfrei, aber erheblich ruhiger als üblich. Die Woche war als Test angesehen worden, ob die Taliban ihre Reihen kontrollieren können.

Für Samstag hatten die Taliban erklärt, "wegen der Freude der Nation über die Unterzeichnung des Abkommens" keine Angriffe durchzuführen. Ein Taliban-Sprecher machte keine Angaben dazu, wie es ab Sonntag weitergehen werde.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas teilte am Samstag mit, dass entscheidend sei, dass die Taliban die Gewalt weiter reduzieren. Das Abkommen sei "eine lang ersehnte Chance auf einen Friedensprozess in Afghanistan". Deutschland sei bereit, einen innerafghanischen Friedensprozess maßgeblich zu unterstützen, und werde sich auch künftig für eine friedliche Lösung einsetzen.

Auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, begrüßte die Einigung. "Jetzt gilt es allerdings, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Die deutsche Haltung war immer: gemeinsam rein, gemeinsam auch wieder raus", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Von der afghanischen Bevölkerung selbst wurde das Abkommen mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Vor allem Frauen drückten Sorge aus, dass eine mit dem Abkommen eingeleitete Rückkehr der Taliban an die Macht wieder massive Einschnitte in ihre Rechte bedeuten könnten. Während des Taliban-Regimes von 1996 bis 2001 regierten die Islamisten gemäß ihrer harschen Auslegung des islamischen Rechts mit großer Brutalität. Die Meinungsfreiheit war stark eingeschränkt und Frauen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.