Berlin. Wilde Tiere und Insektensterben: Sandra Maischbergers Gäste diskutierten über Naturschutz – und was Landwirtschaft damit zu tun hat.

Die Angst ist zurück in Deutschland. Sie ist rücksichtslos, brutal. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es erste menschliche Opfer gibt. Die Rede ist: vom Wolf. Wer Sandra Maischbergers Gästen am Mittwochabend zuhörte, konnte den Eindruck gewinnen, dass das wilde Tier bei seinen Beutezügen immer blutrünstiger wird. Und schon bald zum Abschuss freigegeben werden muss.

Das waren die Gäste bei Sandra Maischberger am Mittwochabend:

• Andreas Kieling (Tierfilmer)

• Karsten Schwanke (Wissenschaftsjournalist und Meteorologe)

• Katharina Schulze, B’90/Grüne (Fraktionsvorsitzende Bayern)

• Carina Konrad, FDP (Bundestagsabgeordnete und Landwirtin)

• Ronald Rocher (Schäfer)

• Jan Fleischhauer („Spiegel“-Autor)

„Er hat keine natürlichen Feinde“, sagte die FDP-Politikerin und Bäuerin Carina Konrad. „Der Wolf ist ein Opportunist, er findet überall Nahrung“, warnte der Schäfer Ronald Rocher aus Brandenburg. Und der „Spiegel“-Autor Jan Fleischhauer sekundierte: Es gebe eine Romantisierung von Tieren und der Natur. Und das von Menschen, die damit überhaupt nichts mehr zu tun hätten. Fleischhauer hätte auch sagen können: von großstädtischen Grünen-Wählern. Also jener Klientel, an der sich der bekennende Konservative mit Vorliebe abarbeitet.

„Was ist uns der Naturschutz wert?“, wollte Sandra Maischberger eigentlich von ihren Gästen wissen. Doch die ersten 20 Minuten der Sendung gingen für den Wolf drauf. Der, so hieß es nämlich im Ankündigungstext, „entzweit die Republik“. Und wenn schon nicht das ganze Land, dann doch zumindest Maischbergers TV-Studio. Hier saßen sich Wolf-Versteher und Gegner gegenüber.

Mehr Todesfälle durch Hunde als durch Wölfe

Der ARD-Wissenschaftsjournalist Karsten Schwanke rechnete nüchtern vor, dass es seit 1950 in Europa neun Todesfälle durch den Wolf gegeben habe, wobei fünf Tiere unter Tollwut gelitten hätten. Zum Vergleich: Pro Jahr sterben in der Bundesrepublik bis zu acht Menschen durch Hunde.

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Seit 20 Jahren etwa siedelt sich der Wolf wieder in Deutschland an. „Wir sind das wildreichste Land Europas“, sagte der Tierfilmer Andreas Kieling. Hier finde der Wolf ein perfektes Ökosystem vor, in das er regulierend eingreife. Was harmlos klingt, ist aber gerade für Schäfer eine Belastung, wie Ronald Rocher berichtete. Gerissene Tiere gehörten zum Alltag.

Hintergrund: Wieder Angriffe von Wölfen auf Schafe – Esel könnten helfen

Die bayerische Grünen-Politikerin Katharina Schulze sprach sich dafür aus, in solchen Fällen unbürokratischer Hilfen auszuzahlen – ohne aber den Schutz des Wolfes in Frage zu stellen. „Wir liegen alle gar nicht so weit auseinander“, sagte sie in die Runde. Beim zweiten Teil der Sendung – dem Insektensterben – hätte sich die Grüne vermutlich nicht mehr so optimistisch geäußert.

FDP-Politikerin bezweifelt Insektensterben

Hier ging der Zoff schon in der Analyse los. Die FDP-Bundestagsabgeordnete Carina Konrad wollte nicht einfach so vom Insektensterben reden. Es fehlten die Daten, sagte sie. Das andere Extrem verkörperte Katharina Schulze, die das „größte Artensterben seit dem Aussterben der Dinosaurier“ beschrieb. Dass die Landwirtin Konrad das Problem nicht klar benannte, versetzte Tierfilmer Andreas Kieling wiederum in Rage: „Mir ist es ein Rätsel, dass so jemand wie Sie in einer Partei sein darf“, warf er Konrad vor.

Dass es einen Zusammenhang zwischen Artenvielfalt und nachhaltiger Landwirtschaft gibt, ist für die meisten Experten klar. Heißt die Lösung also Bio? Carina Konrad, die einen konventionellen Hof betreibt, sagte, dass die Nachfrage für Bio-Produkte fehle. „Über 90 Prozent der Verbraucher kaufen konventionelle Lebensmittel“, so die liberale Landwirtin.

„Spiegel“-Autor Jan Fleischhauer plädierte für mehr Offenheit: Wenn eine andere Landwirtschaft gewünscht werde, müsse man den Kunden auch sagen, dass es teurer werde.

Erfolgreiches Volksbegehren „Rettet die Bienen“

Dass in Bayern innerhalb kürzester Zeit trotzdem rund 1,8 Millionen Menschen das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ unterschrieben haben, verwunderte Fleischhauer nicht. Die Städter seien von den geforderten Maßnahmen nämlich nicht betroffen. Den Preis müssten die Bauern zahlen. Fleischhauers Erklärung für den Verlust der Artenvielfalt: Weil in den 90er Jahren immer mehr Grünflächen zur Anbauflächen für Mais – und damit für Bio-Sprit – umgewandelt wurden, fehlten heute die Wiesen.

Hintergrund: Die Rettung der Bienen: Woher kommt die neue Umweltbewegung?

„So einfach ist die Welt nicht immer“, hielt die Grüne Schulze dagegen. Jeder von Sandra Maischbergers Gästen brachte seine eigene Erklärung mit – und die passende Statistik dazu. Es ging hin und her, ein „Faktencheck“ wäre schon während der Sendung nötig gewesen, um zu überblicken, wer denn nun Recht hat.

Als ARD-Reporter Karsten Schwanke wissen wollte, welche Studie Fleischhauer denn meine, als er den Zusammenhang von Windanlagen und Insektensterben beschrieb, sagte der nur: „Googeln Sie doch mal“. Gute Idee. Nur: Zur Aufklärung trug all das nicht unbedingt bei. Vielleicht hätte Sandra Maischberger doch länger über den Wolf reden sollen.