Berlin. Beim Klimaschutz muss es schneller vorangehen, wenn Deutschland seine Ziele nicht krachend verfehlen will. Die Politik streitet heftig über einen CO2-Preis, der Sprit und Heizöl teurer macht. Regierungsberater betonen jetzt: Hauptsache keine halben Sachen.

Tanken und Heizen mit Öl und Gas muss nach Ansicht von Regierungsberatern für den Klimaschutz teurer werden. Die "Wirtschaftsweisen" empfehlen der Bundesregierung, einen Preis für den Ausstoß von Treibhausgasen bei Verkehr und in Gebäuden einzuführen.

Ähnliche Pläne hat Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bereits vorgelegt.

Der Preis müsse den Klimaschutz in Deutschland und international wirkungsvoll voranbringen, zugleich aber sozial ausgewogen sein und die Wirtschaft nicht zu stark belasten, rieten die Experten am Freitag nach Übergabe ihres Gutachtens an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Eine Empfehlung, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann, vermieden sie jedoch. Merkel betonte: "Das Thema der CO2-Bepreisung ist sicherlich sehr komplex." Die Bundesregierung fühle sich durch das Gutachten aber ermutigt, marktwirtschaftliche Wege zu gehen. "Das heißt also, wir brechen in eine neue Phase auf, wenn wir uns so entscheiden", sagte sie.

Wichtig ist aus Sicht der "Wirtschaftsweisen" vor allem, dass die Bepreisung von Treibhausgasen in den Mittelpunkt der klimapolitischen Anstrengungen gestellt wird - und nicht nur "drangeflanscht", wie der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Christoph Schmidt, sagte. Die Berater halten dabei übergangsweise sowohl einen neuen nationalen Emissionshandel für Heizen und Verkehr für möglich als auch eine CO2-Steuer.

Spätestens zum Jahr 2030 sollte dann aber der Emissionshandel europaweit auf Verkehr und Heizen ausgeweitet werden, empfehlen sie. Die Energiewirtschaft und Teile der Industrie müssen sich in der EU bereits jetzt an einem Handel mit Emissionszertifikaten beteiligen. Für den Ausstoß von Treibhausgasen müssen sie CO2-Zertifikate nachweisen, deren Zahl EU-weit nach und nach verringert wird. Dieser Handel funktioniere als grundsätzliches Leitinstrument gut, sagte Schmidt. Bislang decke er aber nur rund 45 Prozent der Emissionen ab.

Ganz wichtig sei, dass der Staat den CO2-Preis nicht als zusätzliche Einnahmequelle verstehe, betonte Schmidt. Es müsse vollständig zurück an die Bürger gehen, vorzugsweise an die unteren Einkommensschichten. Das könne man pauschal machen oder durch eine Senkung der Stromsteuer, empfehlen die "Wirtschaftsweisen".

Hintergrund der Debatte ist, dass Deutschland im Klimaschutz zurzeit eigene und internationale Ziele verfehlt. In der zweiten Septemberhälfte will die Bundesregierung ein Paket festzurren, das sicherstellt, dass wenigstens das Ziel für 2030 - nämlich 55 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 - erreicht wird. Ein CO2-Preis ist dabei nur ein Baustein, könnte nach Einschätzung von Experten aber vor allem im Verkehr und beim Heizen etwas bewirken.

Ob der CO2-Preis durch einen neuen Emissionshandel komme oder durch eine Steuer, sei im Grunde unerheblich, meinen die "Wirtschaftsweisen". Einen Handel mit Zertifikaten einzuführen, brauche Zeit, sei den Bürgern aber einfacher zu kommunizieren. Eine CO2-Steuer könne schnell realisiert werden. Damit sich die Bürger daran gewöhnten, dürfe sie zunächst aber nicht zu hoch sein - und müsse dann wahrscheinlich deutlich ansteigen, um auch zu wirken, sagte Schmidt.

"Man muss auch politisch durchhalten, die Steuer Jahr für Jahr nach oben anzupassen", betonte der Vorsitzende. Das sei lange kein Selbstläufer. Auch die Finanzökonomin Isabel Schnabel forderte: "Die Strategie muss verschiedene Regierungen überleben." Dafür sei ein parteiübergreifender Konsens nötig.

Diesen zu erreichen, scheint allerdings schwierig. SPD-Umweltministerin Schulze schlägt vor, Benzin und Diesel, Heizöl und Erdgas erst einmal über höhere Energiesteuern um 35 Euro pro Tonne CO2, die beim Verbrennen entsteht, zu verteuern. Das würde bedeuten, dass Diesel und Heizöl um etwa 11 Cent pro Liter teurer würden, Benzin um nicht ganz zehn Cent und Erdgas um knapp ein Cent pro Kilowattstunde. Zum Ausgleich soll jeder Bürger eine "Klimaprämie" von 75 bis 100 Euro im Jahr bekommen.

16 Bundestagsabgeordnete der Union haben dagegen ein eigenes Konzept vorgelegt. In einem Positionspapier, das der "Rheinischen Post" (Freitag) und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, plädieren sie für einen festen Sockelbetrag für die Tonne Kohlendioxid und einen Marktpreisanteil, der durch den Emissionshandel frei ermittelt wird.

Die FDP setzt völlig auf eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels, die Linke dagegen will die Bürger etwa durch günstigere Bahntickets, ein Verbot von Inlandsflügen und ein Tempolimit auf Autobahnen zu klimafreundlicherem Verhalten animieren. Auch die Grünen wollen nicht allein auf marktwirtschaftliche Instrumente setzen.